Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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250 Jahre Pützfelder Hof zu Billig
Aus der Geschichte eines Hofes

Von Dr. P. Hermesdorf

Auf dem Gebiete der sippen- und familienkundlichen Forschungen im Bezirk unserer engeren Heimat bemühen wir uns, forschend, belehrend und anregend zu wirken, um in weiterem Sinne Familiengut und Vätersitte und damit Heimat- und Vaterlandsliebe wachzuhalten und zu pflegen. Wir nehmen gerne familienkundliches Material zur Veröffentlichung entgegen.

Die Schriftleitung



Durch die Güte des Herrn Gutsbesitzers Hermann Wachendorf auf Neuer-Hof zu Billig erhielt ich Einblick in einige ältere Papiere, die den Billigs- alias Pützfelder-Hof in Billig betreffen und für die Heimatgeschichte wohl von einiger Bedeutung sind.

Die älteste mir vorliegende Urkunde ist ein Lehnsbrief, datiert Castenholz den 6. November 1691, in dem es heißt:

„Von Gottes Gnaden Max Bertrand Goßwin von Gewertzhaen Abt und Landsherr der Kayserlicher immediat freyer Reichs Abdey Landes und Eygenthumbs zu St. Cornelymünster, Erbprobst zu Eselain, herr zu Eilendorf, Großvernich, Castenholz, Cumptich, Motron 1)

Fuegen hiermit jedermänniglichem zu wissen, Demnach nach absterben Werneri Theodori von Frymerstorff Freiherr von Pützfeld zu Pützfeld Unseren gotteshauß der hiehin Lehenrührig- und churmutiger Hoff der Billigshof eröffnet und erledigt worden, undt den der Wohlgebohrener herr Freyherr Bertram Dietherich von frymerstorff herr von und zu Pützfeldt Unß der gebühr Ersucht daß wir itzermelten freyherrn mit diesem Lehngut der Billigshof genant sampt allen anderen appertinentien nichts davon ab noch außgeschieden ....... belehnen und investijren sollten“ etc.

Die beiden ältesten aus den vorliegenden Papieren feststellbaren Besitzer sind also

Werner Theodor von Frymerstorff Freiherr von und zu Pützfeldt und Bertram Dieterich v. Frymerstorf Freiherr von und zu Pützfeldt.

Unter dem Datum vom 25. Mai 1722 gibt die Freifrau „M.C. von Freymersdorf zu Pützfeld, verwittibte freyfraw von Waha fronuille“ die Mitteilung an den Abt von Cornelimünster, daß sie sich entschlossen habe, wenn sie von ihm „consensum erhalten habe, den billiger hof zur Tilgung der von den Eltern herrührenden Schulden zu veräußern, weil sie von der creditoribus schier täglich“ überlaufen würde, zu dem Zwecke dem „Ehrsahmmen Andreae Kerlsmann schultheißen zu wormersdorff“ Vollmacht zu geben, sich nach Käufern umzusehen. Diese Verkaufserlaubnis wurde am 20. Dezember 1722 erteilt.

Anscheinend fanden sich aber keine Käufer. Dies ergibt sich daraus, daß unter dem Datum Bonn 13. Juni 1723 Baron M. H. Walbott zu Gudenau seinem Bedienten Bennerscheidt Vollmacht gibt bei der am „negsten mittwoch“ an den Meistbietenden erfolgenden Versteigerung des Pützfelder Hofes in seinem Namen zu erscheinen und „befindenden Dingen nach zu kaufen und zu handeln“. Vorher hatte er sich unter der Hand erkundigt „waß billig vür en lehen were“ und „was die Empfängnis deslehns kösten thete“. Diese Erkundigung ergaben, daß es kein Mannlehen, sondern ein „permiscuum2) war, und daß man sich über die Kosten des Lehens gewöhnlich gütlich vereinbare (z. B. habe der Pützfelder ein Fuder Wein bezahlt, der Herr von Selingen 18 Pistolen).

Es handelt sich nach einer „Specificatio der morgen Zahl“ vom 9. November 1725, die nach Angaben die „des halbwinners sohn Joes schiffman auf erfaragen angegeben“ aufgestellt wurde, um einen Besitz von ungefähr 124 Morgen an Aeckern, Wiesen und Weiden in den Gewannen „Kommersaat“ (nach Euenheim zu gelegen), „mittelste gewahen“, um Land in „EusKircher Hoheit“ und im „Gewahen am orthstein“.


Teilausschnitt eines Planes des Ortes Billig vom 7. August 1799
(gez. von Peter Roesen. Appr.-Landmesser), auf dem der ehemalige Pützfelder Hof - im Plan nach dem späteren Besitzer Freiherrn von Gudenau „Gudenauer Hof“ benannt - eingezeichnet ist. (2: H. Wachendorf, Billig) (1: P. Simons, Nemmenica)

An Flur- und Wegnamen tauchen auf: Ewenheimer weg, fudermorgen, dürrweyd. Rodt, büschweg, gabelstahll, Kleinenfeltgen, pferdt weyd, roßbenden, Eus Kircher heyden, Kuhn, hoftraß, Kessel, stotzmer gaß, lützerbillig, heubenden, stotzmer heyd, rondenbenden, offnenbenden, Küpgen 3) und an Personennamen: Baums Erben, joann schiffman, henrich Metz, hubert Metz, johann britz, stups, Hündgens Erben, herman purgs Erben und Nies Metz.

Der Meistbietende ist der Freiherr Maximilian Hartard von Walbott, Herr zu Gudenau und Drachenfels geblieben, denn ihm wurde, nachdem er von den obengenannten erben den Hof „umb eine Summe, worüber selbe sich Verstanden, Erblich ahn sich gebracht und von Uns deswegen die gewöhnlich Belehnung durch seynen Bevollmächtigten Andreas Kerlsman schultheisen zu Wormerstorff ..... Begehret“, am 20. September 1725 der Lehnsbrief ausgestellt. Er ist unterschrieben von dem Abte Hyacinthus Alphonsus (einem Grafen von Suys 4) und mit einem schönen „Abbatial Insiegel“ versehen.

Bereits 1733 starb Freiherr von Walbott und das Gut ging auf seine Kinder Josef Clemens und Maria Alexandrina über. Ersterer starb jung (“in pupillari adhuc aetate“) August 1735. Im Jahre 1736 heißt es in einem Schreiben an den Abt von Cornelimünster: „Da nun durch dessen Todtsfall meine Fraw Gemahlin Maria Alexandrina freyfrawhen von Walbott Bassenheim zu Gudenau als einziger desselben hinterlassenen schwester in allen gütheren Succediret, undt unter dießen auch mein in Bilich gulischem Territorij gelegener so genannter Pützfelder hoff ... mitbegriffen“. So war nun die Genannte Erbin des Pützfelder Hofes. Und so kam es, daß ihr Gemahl Carl Freiherr von der Vorst zu Lombeck am 25. August 1736 bei Cornelimünster um Aufklärung über die Lehnsverhältnisse des Hofes bat und gleichzeitig - es waren ja schon 3 Jahre seit dem Tode des Josef Clemens verflossen - die „Bitt pro praefigendo Termino infeudationis“ an den Abt richtete. Auf diese in so unschuldigem Tone vorgetragene Bitte um Aufklärung, die, wie aus dem ganzen Verlauf der Angelegenheit zu schließen ist, nur ein Hinausschieben der Zahlung der Lehnsgebühren bezwecken sollte, ging der Abt nicht ein, sondern forderte am 8. Oktober 1736 innerhalb 14 Tagen Angabe der Gründe, die v. d. Vorst Veranlassung zum Glauben gäben, daß das „ahn Unser ohnmittelbahr- und erempten Reichsstift von Undencklichen Jahren her Lehnrührig- und Churmüdiges gut Billich als Caduc Uns nicht heimgefallen seyn solle“. Der Streit zog sich lange Jahre hin, denn am 10. Dezember 1744 ergeht an den Freih. v. d. Vorst „als den Würcklichen Einhabern des zur Cornely Münstrischer Abteylicher Mann Cammer gehörigen sogenannten Pützfeldischen Lehnhoffs zu Billig „et aliis quibuscunque“ die Aufforderung, sich selbst zu stellen oder einen Bevollmächtigten zu schicken. Die Regelung wurde aber von Seiten der Walbotts immer wieder hinausgeschoben, so daß endlich am 14. Juli 1747 der Abt Carl Ludwig (Des Heiligen Römischen Reichs Freiherr Von Sickingen zu Ebernburg 5) etc. sich zu einem energischen Schreiben veranlaßt sah. Er schreibt: „Ew. Hochwohlgeb. ist ohne meine Erinnerung bekanth, wie lang die Sache wegen relevirung des Pützfelder Hofes zu Billig angestanden undt wie große gedult ich desphalß gehabt habe, gleichwie aber biß herzu die relivirung so lang declimret worden ist, daß ich länger zuzusehen nicht Vermögendt seye, also habe aus sonderbahrer zu Ew. Hochw ..... attention dieses ohn verhalten wollen, daß es die höchste noth dermahlen erfordern, daß das lehn zu dreyen mahlen erhoben werde“. „Freiher v. d. Vorst war also inzwischen gestorben.) Wenn die geldliche Sache geregelt sei, wolle er auch die - wiedereinmal - geforderte Verkaufserlaubnis erteilen. Da der abteil. Kellner Freiherr v. d. Wrede demnächst nach Köln und Bonn fahre, so möchte der Vormund selbst oder durch einen Bevollmächtigten mit diesem in Verbindung treten, um die Sache vorzunehmen. „Sollte aber selbige nicht baldt zur Endtschaft befürdert werden wollen, so bin im Vorauß Von Ew. Hochwohlgeborenen aequanimitas Versichert, daß sie mir nicht Verübeln werden, wan ich nach so langem trainiren den processus caducitatis instituiren, und per sententiam zu erörtern zu lassen mich genöthiget finde, ich kan Versichern, daß dieses mich selbst schmertzen würde, allein Ew. Hochwohlg. können dero hohe begabniß nach selbsten ermessen, daß ich einen andernwegs einzugehen dem Stift geleisteten Eyd und Pflichten nicht Vermöge“ etc.


Wappen und Unterschrift des Abtes Carl Ludwig

Zwei Monate später bittet der Abt nun doch endlich die Lehnsgebühren zu zahlen und zwar für jede der 3 Relevierungen für das sogenannte Herrengewehr 100 Goldgulden und „pro juribus cancellariae“ 3 Louis d'or abzuführen, eine Summe, die er gemäß einem seinerzeit gegebenen Versprechen auf 20 Louis d'or für jedes relivium ermäßigen wolle. Der Termin „ad relevandum“ wird auf den 16. Oktober angeetzt. Für den consensus alienandi fordert er den 10ten Pfennig des Preises, verspricht aber hier Entgegenkommen.

Der Vormund war aber noch nicht zufrieden und verlangte, ihm „über entrichtete lehnsgebürnißen unter denen Herren von Pützfeld als Vormahligen lehnträgern extractum authenticum“ zu geben, und bittet - wiedereinmal - um Verlegung des Termins und bei der Festsetzung der Gebühren für die Verkaufserlaubnis - „da solche Veräußerung aus noth und zu contentirung deren Walbotts Gudenauischen creditoren abgesehen“ - den Verlassenen pupillen ein „guthertziges nachsehen hegen“ und „demselben nicht allzu harth fallen“ zu wollen.


Wappen und Unterschrift des M. C. von Freymersdorff zu Pützfeld

Auch hierauf geht der Abt ein und schreibt: übrigens werde ratione consensus alienandi vorher deklarirter maßen mich so finden lassen, daß dem pupillo der last nicht beschwehrlich fallen werde, meine Absicht ist mir dahin gerichtet, damit meinem Stifte den dergleichen Vorfallenheiten kein praejuditz anwachsen möge“. Nachdem noch einmal der Termin auf Ersuchen der Vormunde Freiherr von Walbott Bassenheim zu Bornheim und Freiherr von Lombeck zu Lüftelberg verschoben worden war, wurde dann endlich der Sekretär Johann Everhard Tils am 17. Dezember 1747 bevollmächtigt, die Angelegenheit zu regeln und den Lehnseid zu leisten. Damit war nun, nachdem ein seidener Beutel mit Gold und Silber (ungenannten Betrages) abgegeben war, jedes Hindernis gefallen und am 17. Januar 1748 die Belehnung „aus besonderer consideration und Unß darzu bewögenden Ursachen“ an des letzten Inhabers (Karl Georg Anton Freiherrn von Lombeck, Lüftelberg und Godenau) Sohn Clemens August vollzogen und ihm die Verkaufserlaubnis erteilt unter der Bedingung, daß der Verkauf erfolge „in una massa, unzertheilt, und unversplissen mit allem seinem an- und Zubehoer“. Der Verkauf scheint aber nicht stattgefunden zu haben trotz der vorher so oft erwähnten Drängens des Gläubigers, denn am 3. September 1766 - also 10 Jahre später - verpachtet „Clemens August Freiherr von der Vorst und Gudenau und Maria Anna gebohrenne Freyinne von Spies zu Rath“ ihr in der „gülischer unterherrlichkeit Rützheim und Billich gelegenen olim Pützfeld- modo gudenau-Billicher adtlichen Hoff mit allen an- und Zubehoer, fort länderey benden, weiden, garten, wie auch den halben rott zehnden langs die heidt sambt aller gerechtigkeit und freyheit auf zwölf nacheinander folgenden Jahren welche Cathedra Petri 1766 ihren anfang genohmen“ etc. an „denen Ehrsammen gerard Zingsheim und joannae Catharinae Schiffmans Eheleuthen“ für 100 Reichstaler, in guter gangberer Münze, und unter 12 weiteren Bedingungen, die bezugnehmen auf die Ablieferung der Pacht, die churfürstlichen Steuern, Gemein- und Personallasten, Zinshühner, Zuckerabgabe, Unterhaltung des Baumbestandes und der Gebäulichkeiten, Pflege des Landes, Feuerschaden und Mißwachs.

Am 22. Februar 1781 wird der Hof durch Johann Jakob Freiherr von Walbott Bassenheim zu Bornheim und Josef Clemens Freiherr von der Vorst zu Lombeck und Lüftelberg „alß angeordnete und bey der Churfürstlichen Hofraths-Cantzeley zu Bonn confirmirte Vormündter deren freiherrlichen Minorennen von der Vorst zu Lombeck und gudenaw“ an die Eheleute Johann Schiffman und Apollonia Metz und deren Erben auf 12 Jahre verpachtet, gerechnet vom Ablauf der letzten Pacht und zwar wird angenommen, daß schon 6 Jahre verflossen seien. Die Bedingungen sind fast dieselben wie im Jahre 1766 bei der Verpachtung an Gerard Zingsheim.

Späte war anscheinend wieder ein Gerard Zingsheim Pächter, denn ihm stellt unter dem 29. ventose des 9. Jahres der Republik die Verwaltungskommission des Euskirchener Spitals „in Anwesenheit des Bürger Carman president, fort Dreymuller, Rumpel, Windeck und Eßer Verwaltern“ foglenden Beschluß zu: „Ebiger debent bürger Gerhard Zingsheim wird nochmalen und zuletzt ermahnet, Vorstehenden Rückstand (Bemerkung: Es handelt sich um Abgaben an das Armenhaus für den Pützfelder Hof und eigneen Besitz in Höhe von 206,40 frcs.) in 10 tägen Zeit an hiesigen Hospitals Empfänger Huberten Rath in dem angesetzten Preiß zu zahlen, widrigenfalls wird derselbe darzu bei der Behörde belanget werden, welchen Beschluß Hospitaldiener Gerhard Voissell besagtem Zingsheim zuzustellen und wie geschehen, zu hiesiger Hospitalsverwaltungskommission zu berichten hat“.

Diese Forderung scheint nicht ganz berechtigt gewesen zu sein, wenigstens so weit sie den Pützfelder Hof betraf, denn schon gegen 1797-1798 hatte Johann Theodor Wachendorf aus Adendorf die Pacht übernommen. Im Jahre 1803 vekauften die Gudenauer ihm den Hof für 4000 Taler. Seit dieser Zeit ist der Pützfelder Hof, der durch Ankauf bedeutend erweitert wurde, im Besitz der Familie geblieben.

Dr. P. Hermesdorf

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  1. Bei einer nach Aachen gemachten Reise wurde dieser Abt von einem für 500 Thlr. gedungenen Meuchelmörder aus einem Hinterhalt erschossen. (Eiflia sacra S. 411/12). Er regierte von 1686 bis 1699.

  2. Soll wohl lauten promiscuum, feudum promiscuum = gemischtes Lehen, auch für weibliche Erbfolge berechtigt.

  3. In einem späteren Schreiben findet sich noch der Flurname: Pfannenbüschelgen.

  4. Abt von 1713 bis 1745.

  5. Seine Vorfahren waren Vorkämpfer des Protestantismus (s. Eiflia sacra S. 414).





Quelle: Euskirchener Volksblatt Nr. 274 vom 21/22. November 1943


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