Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von nikola-reinartz.de und nikolaus-reinartz.de - eMail: hkbergheim@gmx.de |
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2. Der Einzug der Amerikaner - März 1945. Der Einzug der Amerikaner gestaltete sich zunächst in Weingarten reibungslos, bis im Laufe des Nachmittags zunächst einige Häuser, dann ganze Teile des Ortes von den Bewohnern, die ihr Bettzeug mitnehmen konnten, verlassen werden mußten. Die Wohnungen sollten den Soldaten eingeräumt werden, die keine Gemeinschaft mit der Bevölkerung haben durften. Die ganze Nachbarschaft kam ins Pfarrhaus, wo 33 Personen unterkommen wollten, darunter die todkranke Frau Nelles. Da kommt um ½ 9 Uhr der Vorsteher Gilles mit der Anzeige, auch das Pfarrhaus müsse geräumt werden. Ich gehe mit demselben sofort zu dem Kommandant und berufe mich außerdem auf meine Stellung gegenüber den Nazi. Ein Pfarrer, der da geschwiegen hat, ist ein Verbrecher. Er geht aber persönlich mit, untersucht genau die Lage des Hauses mit seiner Taschenlampe - wohl wegen der im Keller von Roggendorf untergebrachten Gefangenen - und sagt dann: Sie können bleiben. Daraufhin große Erleichterung bei der verängstigten Menge, die Bettzeug herbeigeschleppt und sich für ein paar Nächte wieder im Keller einrichtet. Die erste Nacht seit langer Zeit, wo wir befreit vom nächtlichen Schrecken friedlich schlafen durften. Die ersten Tage dauerte der Durchzug und ständiger Wechsel der Soldaten und Geschütze an. Es kamen Verordnungen über die Ablieferung von Waffen, Radiogeräten, Ausgehverbot von 6 Uhr abends bis 7 Uhr früh, das dann noch verschärft wurde, indem nur die Zeit von 8 - 9 und 4 - 5 als Ausgangszeit bestimmt wurde, auch verboten wurde ausserhalb des Ortes zu gehen, woran aber sehr wenig sich gehalten wurde, zumal die Post eingezoben wurde und auch der Ortskommandant, der im Hause des gefangen genommenen Gendarmen sich einquartiert hatte, abzog. Nur die Kommandanten der durchziehenden Truppen, waren im Ort. Über das Verhalten der einquartierten Soldaten kamen viele Klagen. Nicht nur das betrunkene Soldaten Leute bedrohten, sie richteten auch, besonders wo sie Nazizeichen vorfanden, eine greuliche Verwüstung an, stahlen auch Silber, Uhren, Decken etc. Ich brachte die Beschwerden dem amerikanischen Feldgeistlichen vor, der sich bei mir vorstellte und Mittwoch Morgen hier zelebrierte; er meinte daraufhin boß die Truppen taugten nicht. Ging auch zum Offizier, wo ich auf Kreuz-Nein-garten verwies und mein Bedauern über die Übergriffe der Soldaten äußerte. Ich erhielt zur Antwort: die Soldaten dürften das Eigentum der Zivilbevölkerung nicht angreifen. Dagegen sagte Oberst v. Birkhahn, der seinen Schaden auf 30.000 Mark taxierte: ein Offizier hätte erklärt, jeder dürfe ein Andenken mitnehmen! Schlimmer waren die Bedrohungen der Einwohner durch betrunkene Soldaten, die überhaupt sehr auf Alkohol aus waren. Auch wurden verschiedene Frauen belästigt, indem Soldaten unter dem Vorwand nach versteckten Soldaten zu suchen in die Häuser eindrangen. Allerdings scheinen auch mache nicht genügend sich zurückgehalten zu haben, indem dieselben Zigaretten mit den Soldaten rauchten. Als dieselben dann handgreiflich werden wollten, nahm der Kommandant auf Klageerstattung die Soldaten vor und verwarnte sie. Ein Fall wurde berichtet, wo betrunkene Soldaten jemand die Pistole auf die Brust gesetzt hatten, dafür aber auf Geheiß des Offiziers von andern Kameraden verprügelt worden waren. Sehr anständig benahmen sich die Amis in Kalkar, wo sie die Schuhe sogar draußen reinigten, um keinen Schmutz in die Häuser zu bringen. Auch sonst blieben die Bewohner ganz unbehelligt, da hier auch drei Männer mit weißer Fahne den Panzern Dienstag Morgen entgegen gezogen waren. Dort hatte übrigens eine Abteilung Feldgendarmerie sich einnisten wollen, welche auch den Pastor von Schwerfen mit sich führte unter der Anklage, die weiße Fahne auf dem Kirchturm gehißt zu haben. Sie wurden aber energisch abgewiesen. Hier war auch kein Vieh abgeliefert worden, während noch Ende der letzten Wochen hierselbst auch kleinen Viehhaltern bis zu drei Stück von den Deutschen abgetrieben wurde, dasselbe würde nach dem Krieg bezahlt werden. Der Durchmarsch starker Truppenkörper dauerte etwa bis Samstag, da wurde es still, die Leute konnten wieder in ihre Häuser gehen. Am Sonntag Lätare sprach ich anknüpfend an den Introitus der Messe über den glücklichen Wechsel der Lage und die sich ergebenden Folgerungen und Forderungen und wurde am Schluß des Gottesdienstes mit dankerfülltem Herzen gesungen: 'Großer Gott wir loben Dich'. Die Opferkollekte des Tages betrug einschließlich Kalkar und Rheder, wo wegen Ausgehbeschränkung eigener Gottesdienst stattgefunden hatte, über 400 Mark. Das trübe miserable
Wetter, welches die ganze Woche angehalten hat und die Straßen,
über die die schweren Kraftwagen fast ununterbrochen rollten
in ein tiefes Schmutzmeer verwandelt hatten, hellte sich endlich
Dienstag auf. Und wieder hörten wir über uns das
beständige Dröhnen der feindlichen Luftgeschwader, die
uns allerdings nicht mehr bedrohten, aber über den Rhein die
dorthin geflüchteten mit Furcht und Entsetzen erfüllen
mußten. Dienstag Nachmittag hören wir dann auch
nochmal Kanonendonner in der Nähe; es hieß, deutsche
Truppen hielten noch eine Seite der Urfttalsperre, welche
gesprengt würde, Auch werde noch bei Nettersheim gekämpft.
Im übrigen erfuhren wir über die Lage gar nichts
Sicheres, abgesehen aus ein paar amerikanischen Zeitungen, die
die Soldaten hatten liegen lassen. Man sprach, die Russen seien
in Berlin, eine provisorische Regierung werde gebildet, Hitler
sei erschossen, die Amis seien zwischen Essen und Dortmund etc.
Allgemein herrscht der Eindruck daß der Krieg bis Ostern
erledigt sein werde. Unsere polnischen Kriegsgefangenen hofften
auf Heimkehr, einige zeigen von Amerikanern beeinflußt,
keine Arbeitslust mehr und gehen spazieren. Die Mehrzahl ist aber
noch ordentlich. |
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