Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von nikola-reinartz.de und nikolaus-reinartz.de - eMail: hkbergheim@gmx.de





Das Ende
Von Pfarrer Nikola Reinartz † 4.8.54


7. Plünderungen und der Beginn des Neuen Jahres

Die Beruhigung in betreff der Räuberbanden ist nur eine scheinbare gewesen. Gestern haben dieselben am hellen Tage die Hardtburg, Villa Becker und das nebenan liegende haus überfallen und mit Drohung durch Revolver und Handgranaten die Bewohner in Schach gehalten und Kleider und Wertsachen geraubt. Es gelang jedoch jemand aus der Weberei zu flüchten und die Sirene in Bewegung zu setzen, worauf dann die Dorfbewohner in großer Anzahl mit Mistgabeln und Hacken bewaffnet zusammenströmten. Jedoch hatten die Banditen auf den Schall der Sirene gleich Reißaus genommen, allerdings unter Mitnahme ihrer Beute. Es sind erst etwa 1 ½ Dutzend Kriegsgefangene aus der Landwirtschaft wieder eingetroffen. Vor 14 Tagen erscholl auch das Warnungssignal in der nacht. Der Vikar rief in der Annahme, daß es Russen seien, als er Schießerei hörte, uns zu wecken: „Die Russen sind da“. Darauf erschrak Billa, die glaubte daß dieselben im Hause seien so sehr, daß sie eine Lungenembolie bekam und infolge der Herzschwäche beinahe verschieden wäre, da der Puls nicht mehr wahrnehmbar war und sie schwer röchelte. Ich gab ihr sofort die hl. Ölung und zum Glück war auch der Arzt durch den allgemeinen Lärm aufgeweckt sofort zur Stelle. Seine zweistündigen Bemühungen gelang es durch Kampferspritzen die Kranke zu kräftigen, so daß der Anfall rasch vorüber ging, aber doch eine merkliche Herzschwäche hinterließ. Diesesmal waren es aber wahrscheinlich keine Russen, sondern betrunkene Amerikaner gewesen, die an den Wirtschaften Lärm gemacht hatten und als Licht gemacht wurde, in die Häuser schossen. Sehr fühlbar macht sich der Mangel an Heizmaterial. Wer nicht mit Lebensmittel helfen kann, bekommt keine Brikett; so habe ich denn auch schon Abfallholz aus meinem Walde, die Kellerabstützung und einen Wurzelstock verarbeiten müssen.

Zu Beginn des neuen Jahres.

Heute, 16. Januar 1946 hörten wir zum erstenmal wieder das Signal des auf der Bahnstrecke von Euskirchen nach Iversheim aufgenommenen Personenverkehrs, der auch jetzt zwischen Köln und Euskirchen durchgehen soll, nachdem er bislang nur bis Büllesheim geführt wurde. Freilich hieß es, daß der Verkehr hier nur erfolge, wenn die Lokomotive anderswo nicht benötigt werde! Immerhin ein Fortschritt, der für mich um so wichtiger ist, als jede andere Verbindung sehr erschwert ist. Der Verkehrsomnibus ist überladen, für Auto ist eine besondere Begründung erforderlich und fehlt es an Benzin; das offene Wägelchen von Trimborn ist bei dem schlechten Zustand der Straße ein wahrer Marterkasten. Auch der Telefonverkehr ist auf der hiesigen Strecke noch nicht eingerichtet. Immerhin erfreuen wir uns bereits wieder seit Jahresschluß einer Straßenbeleuchtung, die in den langen Kriegsjahren bereits dem Gedächtnis entschwunden war.

Als eine große Erleichterung hatten wir auch den Wegfall der Verdunklung empfunden, zumal auch in der Kirche. Allerdings sucht das MG *) auf verschiedene Weise an Strom zu sparen, einmal durch Sperrung desselben allgemein, ohne daß dasselbe vorher bekannt gegeben wurde, was zu unliebsamen Störungen führte, sodann auch durch den Versuch einer Rationierung nach der Anzahl der Benutzer unter Androhung der Entziehung bei Überschreitung der Benutzung. Doch ist dies bis jetzt nicht durchgeführt worden und soll eine weniger schematische Rationierung erfolgen. Eine solche wäre auch für die Brikettzuteilung nötig, da bis jetzt 5 Ztr. für jeden Haushalt gleichmäßig angewiesen wurden, nachdem man zu Beginn des Winters alle auf Holzversorgung angewiesen hatte. Auch ich übernahm auf die Pfarr- und Pastoratswaldungen ein Dutzend zu Versorgende. Wurde ja für den Raummeter nur drei Mark vergütet. Daß ich den Pastoratswald an meinem Garten stets geschont hatte, kam mir jetzt zu Gute, da ich so meine Bedarf gut decken konnte. Schade allerdings für die Anpflanzung nach dem Sportplatze hin, da dort weiterhin wie auch im Kriege gefrevelt wurde, so daß empfindliche Krücken entstanden.

Was die heimgekehrten Krieger betrifft, so sind kaum welche, die nicht zur Kirche gehen, freilich schlissen sich auch kaum welche den Standesvereinen an; es wird das noch langer Arbeit dürfen. Ein wichtiger Schritt war eine Vereinbarung mit dem von den heimgekehrten Soldaten ins Leben gerufenen Turnverein und Sportverein, wonach die Leitung den Kongregationen angehören sollten. Wenn diese Regelung sich durchsetzt, gewinnt die Kirche dadurch auch Einfluß auf die Abhaltung von Bällen und die Kirmes. Leider ist es trotz aller Bemühungen noch nicht gelungen. [...] **)

*) MG = Militär Gouvernment
**) Hier brechen die Aufzeichnungen von N. Reinartz ab und hinterlassen noch Platz für einige später anzuführende Texte, die offensichtlich dann doch nicht mehr hinzugefügt wurden. Aus der nächsten Seite, dem Blatt 11, geht es weiter mit dem Ende des Krieges.

Das Ende des Naziregimes - Ein unveröffentlichter Bericht von Pfarrer Nikola Reinartz





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