Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Die baulichen Verhältnisse des Römerkanals bei Kreuz=Weingarten
Von Johann Lott, Rheder

Kreuz-Weingarten ist besonders bekannt geworden und wird viel besucht, weil in unmittelbarer Nähe, auf der sogenannten "Pfaffenhardt", der Römerkanal, im Volksmund "Teufelsgraben" genannt, zu sehen ist. Es war bekanntlich die römische Wasserleitung, die in der Eifel (unweit der Kakushöhle sagen die einen, im "Grönen Pötz" bei Nettersheim die andern) ihren Ursprung hatte und sich in staunenswerten Windungen, unter Umgehung aller ungünstigen Bodenverhältnisse, nach Köln hinschlängelte.

Über die Bauart des Kanals ist schon viel diskutiert und geschrieben worden; insbesondere über die Art und Zusammensetzung des Mörtels finden sich die verschiedensten Ansichten.

Bei einer gewissenhaften Untersuchung der baulichen Verhältnisse des Kanals, die ich als grundlegende Vorarbeit für die mir (vom Eifelverein und der Pädagogischen Akademie in Bonn) in Auftrag gegebene Herstellung von Modellen des gediegenen Bauwerks zu tätigen hatte, hat sich mir der Gedanke aufgeprägt, daß man die Lösung der zur Diskussion stehenden Fragen viel zu weit sucht.

Die nachstehenden Ausführungen, die immer nur den Römerkanal bei Kreuz-Weingarten betreffen, sollen das Interesse an dem stolzen Bauwerk wachhalten.

Der Kanal ist aus bodenständigem Material, aus Bruchstein, hergestellt. Die Art der Arbeit der Römer ist im allgemeinen dieselbe, wie sie auch heute noch bei ähnlichen Bauwerken üblich ist. Nach den Ausschachtungsarbeiten wurde zuerst die etwa 0,35 Meter hohe Kanalsohle hergerichtet. Dieselbe besteht aus "wildem" Mauerwerk, d. h. die Steine sind ohne Bearbeitung kunterbunt durcheinandergesetzt. Es ist ganz einfach zu begreifen, daß an verschiedenen Stellen zwei Lagen festgestellt werden können: zuerst wurde der Abfall von dem vorher fertiggestellten Stück als unterste Lage verwendet, dann wurde die Sohle bis auf 0,35 Meter hochgeführt. Durch das ständige Niedertreten während der Arbeit und die Unfähigkeit des Bruchsteins, Wasser aufzufangen, verlief das Ganze mit dem dünnen Mörtel gußähnlich. Danach wurden die Seitenwände ausgeführt. In Kreuz-Weingarten sind sie an den inneren Werkseiten hammerrecht in Lagen (Kopfschichten), durchschnittlich von 0,07 Meter Schichthöhe, ausgeführt bis zu einer Gesamthöhe von 1,15 Meter. Die Außenseiten sind einfach "wild" gegen die Erde gearbeitet, um weniger lagerhafte Steine und Abfälle zu verbrauchen. Die Halbkreiswölbung – Radius 0,4 Meter, Stärke 0,30 Meter – wurde, genau wie bei der heutigen Bautechnik, über vorher aufgestützte Bogen, die mit Brettern (Verschalung) überlegt wurden, ausgeführt. Für die Wölbung nahm man möglichst lagerhafte Steine (Platten), wie sie ja der Weingartener Bruchstein massenhaft bot und noch bietet. Noch sind ganz genau Zahl und Stärke der gebrauchten Bretter festzustellen, da innerhalb der Wölbung nur Mörtel zum Vorschein kommt, in dem die einzelnen Bretter abgedrückt sind und die Seitenwände um Bretterdicke vorstehen. War eine gewisse Kanallänge fertig und hatte das Mauerwerk genügend "abgebunden", so wurden Stützen und Bogen herausgenommen. Zum Schluß wurde der Kanal gereinigt und die Sohle ausgerichtet – beiderseits gleichmäßig ca. 0,10 Meter nach den Seitenwänden hin ansteigend – und verdichtet. Dadurch war ein ruhigerer Lauf des Wassers sichergestellt und ein Ausspülen des Mauerwerkes verhindert.

Die Wasserleitung liegt unterirdisch, einmal um das Wasser besonders im Sommer frisch zu erhalten, dann auch, um Veränderungen des Aggregatzustandes des Wassers durch Klimawechsel zu verhindern, ferner um das Bauwerk vor dem Verfall zu bewahren und zum Schutze gegen gewaltsame Zerstörung durch Feinde.

In gewissen Abständen befinden sich oben auf der Wölbung Luft- und Einsteigeschächte, dann aber auch seitlich sogenannte Überläufe. Eine geschlossene Leitung aus Mauerwerk würde bei dem eigenartigen Lauf und der Länge des Kanals durch den starken Luftdruck auseinandergeplatzt sein. Auch hätte das Wasser ohne frische Luftzufuhr einen üblen Geruch und Geschmack bekommen. Schließlich mußten zur Beseitigung entstehender Hemmungen, für Reinigungs- und Reparaturzwecke solche Schächte vorhanden sein, um das Wasser durch eine schleusenartige Vorrichtung abdämmen zu können. Dann dienten die seitlichen Überläufe zum Abfließen des sich stauenden Wassers. Um ein Freibleiben dieser Überläufe (ca. 0,70 Meter von der Oberkante des Gewölbes) und ein Ausspülen der Seitenwände des Kanals zu verhindern, führten von ihnen kleine unterirdische Abflußkanäle nach außen.

In den Mittelpunkt der vielfach umstrittenen Fragen über den Römerkanal stellt man meistens die nach den Ursachen der Festigkeit des Mörtels. Die Härte wird zunächst bedingt durch die Bodenfeuchtigkeit und durch die Anlagen unter der Erdoberfläche, die alle Witterungseinflüsse unmöglich machte. Das kann man in Kreuz-Weingarten genau feststellen: Alle freiliegenden Stellen sind stark gefährdet und dem Verfall preisgegeben. An diesen Stellen kann man mit dem Finger den Mörtel abkratzen. Die Römer waren Meister in der Zusammenstellung der einzelnen Bestandteile des Mörtels. Nach meiner Feststellung haben die Erbauer hiesigen Sand und Wasserkalk, der nicht gelöscht, sondern "gedämpft" und in möglichst frisch gebranntem Zustande verarbeitet wurde, gebraucht. Jedem Fachmann ist bekannt, daß der Kalk, der dann wenn der Kalkofen frisch "gezogen" d.h. entleert worden ist, verarbeitet wird, dem Mörtel die größte Härte verleiht. Die heutige Bautechnik rechnet durchschnittlich bei Bruchsteinmauerwerk mit dem Mischungsverhältnis 1:2, d. h. 1 Teil Kalk und 2 Teile Sand. Starker Fettgehalt des Mörtels ist unbedingte Forderung, da dieser dann bei den glatten Bruchsteinen besser angreift und ein Auseinander-"schwimmen" des Mauerwerks noch während der Arbeit verhindert. Bei Abbrucharbeiten an alten Bauwerken fand ich stets bei den den Witterungseinflüssen nicht ausgesetzten Mauern dasselbe harte Bindemittel, sodaß die Bruchsteine zu Staub geschlagen werden mußten, ums sie vom Mörtel zu lösen. Das hochgehende Mauerwerk war bei weitem nicht so fest, obschon doch sicher Mörtel von derselben Zusammensetzung gebraucht worden war. Dann spielt bei Bruchsteinmauerwerk der langsame "Bindeprozeß" eine nicht geringe Rolle. Bekannt ist es z.B., daß Ziegelsteine oft vor dem Gebrauch gründlich naß gemacht werden. (Bei staatlichen Bauten wird es verlangt.) Dadurch wir ein zu plötzliches Antrocknen der Mauerspeise, das ihre Härte beeinträchtigt, verhindert. Nicht unwahrscheinlich ist es auch, daß der mit Holzkohle gebrannte Kalk gegenüber dem mit Steinkohle gebrannten erhebliche Vorzüge hatte und ein günstigeres Abbinden des Mörtels bewerkstelligen mußte.


Es ist kaum zu glauben, daß hier in Kreuz-Weingarten Sötenicher Kalk verwendet wurde, da ganz in der Nähe, auf dem sogenannten Münsterberge, sowie in Wachendorf, Iversheim und Kirchheim Kalk vorhanden war. Ich bestreite ganz entschieden, daß Traß gebraucht worden ist; in dem von mir untersuchten Stücke findet sich nirgends ein Anhaltspunkt dafür. Seine Anwendung wäre bei diesem Bauwerk auch überflüssig gewesen.


Zum Ausgleichen und Verdichten der Sohle des Kanals haben die römischen Wasserbautechniker eine Masse von Ziegelstücken, Ziegelmehl und getrocknetem, gemahlenem Ton, als gutes Verdichtungsmittel bekannt, gebraucht, die deutlich festzustellen ist und die eine ideale Mischung darstellt, um ein Reißen des Tones vor Eröffnung des Kanals zu verhindern.


Unsere Heimat war von jeher stolz auf dieses Kulturdenkmal aus der römischen Blütezeit Niedergermaniens. An alle maßgebenden Instanzen ergeht die dringende Bitte, dieses "Herzstück" unter den römischen Baudenkmälern unserer Heimat zu hüten.

Anmerkung der Redaktion: Vorliegende Ausführungen eines alten Praktikers verdienen volle Beachtung. Gerne werden auch die Archäologen von denselben Notiz nehmen. Harren ja noch so viele Rätsel, die dieses Wunderwerk alter Zeit dem sinnenden und forschenden Geiste aufgibt, ihrer Lösung; um nur einige, die sich gerade in Kreuz-Weingarten aufdrängen, zu nennen: die Frage des Doppelkanals den Hang der Pfaffenhardt hinunter zum Düffelsgraben (1453 duyffenbach genannt und erst später im Volksmunde zum "Teufelsgraben" geworden und mit dem Römerkanal verwechselt!), die am Fuße des Abhanges vermuteten Klärbassins, die Überführung über den Düffelsgraben und vor allem bei Rheder über die Erft u.m. Fragen, die nur durch sorgfältige Untersuchung mit dem Spaten gelöst werden können. Betreffs der vom Verfasser mit Recht geforderten Hut des kostbaren Denkmals, kann mitgeteilt werden, daß es vielem Bemühen gelungen ist, dafür erforderliche Mittel bereitzustellen. Nachdem bereits die Kanalrinne vom Schutt und eindringenden Wurzelwerk gereinigt, werden in allernächster Zeit unter Leitung der Provinzial-Denkmalpflege die Arbeiten zur Sicherung des Kanals durch Festigung des bröckelnden Gesteins und Rasenbedeckung freistehender Teile systematisch in Angriff genommen werden. Dem Verein für Denkmalpflege, dem Kreisausschusse, den Ortsgruppen des Eifelvereins Köln, Euskirchen, Satzvey-Wachendorf sei auch an dieser Stelle für die bewilligten Beihilfen herzlich gedankt!





Sonderdruck: Euskirchener Volksblatt A.-G., Euskirchen, 1927, 24 S.
Veröffentlicht in: Unsere Heimat, Beilage zum Euskirchener Volksblatt, 4. Jahrgang, Freitag, den 27. Mai, Nr. 8 - 1927
Kreisarchiv EUS, Dkk 1 Kre, 1953 K 2891





Ein Projekt von
woenge.de Dorfchronik u. wingarden.de Heimat-forschung Kreuzweingarten

© nikola-reinartz.de
©
nikolaus-reinartz.de
©
Kreisarchiv-Euskirchen
© Sammlung Woenge.de





© Copyright Kreisarchiv Euskirchen - Copyright nikola-reinartz.de - Copyright nikolaus-reinartz.de ©