Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Ein Brief aus Kreuzweingarten
[Leserzuschrift von Reinartz]

Des Guten etwas zuviel ist, was der Besucher Kreuzweingartens dieser Tage in der KR über unser liebes Heimatdörfchen gebracht hat. Daß es „ein köstlich Fleckchen Heimaterde“ ist, wird jeder, der es kennt, gern bestätigen. Daß aber Goethe, Lord Byron usw. darum gewußt und es so „köstlich und wunderlieb“ gefunden hätten, ist Erdichtung. Wohl kennt auch die Volkssage den durch seine geschichtlichen Denkmäler bedeutenden Ort als den ältesten Stützpunkt des Christentums in unserer Gegend, aber die „goldschürfenden Zwerge vom Fels am Flüßchen“ und die „Riesen von Kalkar“ sind wieder eine Erfindung neuerer Zeit: die Riesen sind von der Kakushöhle nicht über den Herkelstein hinausgekommen und die Zwerge hausten bekanntlich in der Zwergkuhl zwischen Kirspenich und Kirchheim. Aber die römischen Legionäre sind echt. Ja darüber wäre sehr viel zu sagen gewesen, angefangen vom alten (vermutlich von Cäsar zerstörten) Keltenwall auf dem Burgberg, dem Römerkanal, der „Düfelsoder“, der „Kühmkuhl“, wo die Steine dazu gebrochen wurden, vom römischen Tempel auf der Höhe der Pfaffenhard, über die Prunkvilla unten am Mühlenbach mit ihrem Marmor- und Mosaikschmuck, Wasserkünsten und Badekomfort oder den vicus belgica unter der Ackerflur des Kaisersteins – von all dem leider keine Erwähnung, statt dessen aber wird den Römern der deutsche Name Weingarten (rheinfränkisch „Wingardin“) zugeschrieben. Was sodann über Pestzeiten und Kriegsläufte ausgeführt wird, geht wieder nicht über Gemeinplätze ohne positiven Inhalt hinaus, es sei denn, daß bei der „das Land überfallenen grausamen Pest“ eine Verwechslung mit Kalkar vorliegt, wo diese durch die Pestglocke von 1420 bezeugt wird.

Weiter wäre zu bemerken: Es ist wohl anzunehmen, daß die Kölner Kurfürsten im Hardtwald von der alten Landesfeste der Hardtburg aus dem edlen Waldwerk obgelegen haben (Denkmal des Hubertuskreuzes!), daß aber auch die Herren von Mainz und gar von Hessen dabei gewesen, ist wieder eine Uebertreibung, wie auch dem Schreiber dieser Zeilen, der in dergleichen Sachen sich gut umgesehen hat, nichts von den vielen Urkunden und Dokumenten entfernter Städte und Bistümer, in denen der Name des Dörfleins auftaucht, bekannt geworden ist. Die „vielsagende“ Fuldaer Niederschrift muß als eine Fälschung bezeichnet werden. Abschließend ist zu sagen, daß auch die beste Absicht, welche gern zugegeben wird, eine solch verfehlte Lobeshymne nicht rechtfertigen kann, gegen die gerade ein aufrichtiger Freund und Bewunderer der Heimat Stellung nehmen muß, da sie die wirklichen Vorzüge des Weingarten des Hl. Kreuzes in der Phantasie verschwimmen oder gar im Nebel geschichtlicher Vortäuschungen versinken läßt.

Rtz.





Kölnische Rundschau, [Nr. ?, 11.1.1951].


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