Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Die alten Flurnamen
im Umlegungsverfahren der Gemarkung Kreuzweingarten-Rheder und Arloff-Kirspenich.

Von Pfarrer a. D. N. Reinartz





Quellen und Literatur:

1. Specificatio allingen in Weingarthen und Rheder gelegenen häusern, gärthen, benden und ländereien v. J. 1761 Grosfolio, Bürgermeisteramt Satzfey.
2. Reditus et decimae pastoris in Weingarten, 1793.
3. Gerichtliches Protokoll, enthaltend die Armen- und Kirchenrenten 1794, wie das vorige im Pfarrarchiv Kreuz-Weingarten.
4. Einschlägige Weingarten betreffende Urkunden des Stiftes Münstereifel im Staatsarchiv Düsseldorf, besonders das Protokollbuch des Kapitelshofes v. J. 1601 ff.
5. Meine Veröffentlichung der Weistümer unserer Heimat, 1. Folge, Volksblatt-Verlag 1940.





I. Teil

Die Flurnamen einer Gemarkung stellen einem jedem Gemeinsmann zugängliches viele hundert Jahre altes Archiv zur Heimatgeschichte dar. Freilich Verständnis und Deutung dieser volkstümlichen Urkunden ist nicht immer leicht, zumal sie seiner Zeit durch landfremde, des hiesigen Dialektes unkundige Beamte bei der preußischen Landesaufnahme nicht minder wie von deren französischen Vorgängern aus Unverstand und Willkür vielfach entstellt niedergeschrieben wurden. Bereits früher wurde darauf hingewiesen, daß die Neuanlage der Flurbücher bei dem jetzt in hiesiger Gegend anlaufenden Flurbereinigungsverfahren eine ganz einzigartige Gelegenheit bietet, die alten sinnvollen und inhaltsreichen Flurnamen in ihrer richtigen ursprünglichen Lautform festzustellen und der Nachwelt zu überliefern. Es ist dies eine ungemein reizvolle und verdienstliche Aufgabe, die nicht von der Kartei des Flurnamenarchivs allein gelöst werden kann, an der mit den Beamten des Kulturamtes mitzuarbeiten, alle bodenständigen Heimatfreunde, zumal die aus der Großväterzeit berufen sind. So sollen denn in dieser Abhandlung zunächst einmal die wichtigeren Flurnamen der Gemarkung Kreuzweingarten-Rheder, sowohl die im Grundbuch vermerkten, wie die im Volksmund umlaufenden und in alten Schriften enthaltenen, zur öffentlichen Diskussion gestellt werden.

Vorausgeschickt seien die Ortsnamen selber. Weingarten, das alte Wingardin, durch den gut deutschen Namen – derjenige der früheren römischen Niederlassung, eines vornehmen Herrensitzes, ist nicht überliefert – im Jahre 893 als Weinbaupflanzung der karolingischen Reichsabtei Prüm bekundet, zufolge jahrhundertalter Wallfahrt und Verehrung des Heiligen Kreuzes seit dem 29. Mai 1927 offiziell Kreuz-Weingarten genannt, liegt an der Einmündung des aus dem Broich kommenden Mersbach – Name wohl mit Moor, Morast zusammenhängend – in die Erft; diese bereits 496 Arnefa, jedoch wahrscheinlich vorkeltisch. Flurname „im Wingert“ heute noch für die Terrassen über den Gärten des Oberdorfes erhalten. Rheder, 1240 Reydorre, verdankt Name und Entstehung einer Flur über die Erft in vorrömischer Zeit.

Von den Flurnamen führen uns in die älteste vorgeschichtliche Zeit „Alte Burg, Burgberg, Burgtal“. Wir haben dabei ja nicht an eine mittelalterliche Burg oder an ein römisches Kastell zu denken, sondern an eine mit vorliegendem Spitzgraben und einem aus Balkenlagen mit angefüllter Dammerde umwallten Höhenkuppe, einer keltischen Fliehburg, zu denken, die vielleicht im Eburonenkrieg von Caesar zerstört wurde. Als dann um 1100 im nahen Hardtwald – bewaldeter Berghang – die Burg und spätere kurkölnische Landesveste gleichen Namens erbaut wurde, erhielt die „alte Burg“ diesen Namen. In deren Bering besonders zu beachten an aussichtsreicher Stelle der Flurname „Köhlager“ – Lagerplatz für Weidevieh – mit einem System von Pfostenlöchern und mit steinzeitlichen Kleinfunden in 50 cm Tiefe.

An die Denkmäler der Römerzeit erinnern vor allem die Flurnamen „am Kaiserstein“ und „auf dem Wiehlder“. Hier liegt unter dem Ackerboden begraben die alte Römerstadt Belgica vicus, eine Straßensiedlung, die sich in einer Ausdehnung von fast einem Kilometer über den Stotzheim – Billiger Weg hinaus aufwärts zur Antweiler Heide erstreckte. „Wiehlder“ = Weiler, vom lateinischen villare kommend, ist ein gebräuchlicher Orts- und Flurname, der auf eine alte römische Siedlung schließen läßt. Dagegen ist „auf dem Kaiserstein“ ganz vereinzelt, wohl von aufgefundenen Kaisermünzen und den Mauerresten im Grunde hergeleitet; daselbst auch 1793 die spezielle Angabe „auf den großen Stein“ (!?). Die Römerstadt wurde begrenzt von der sich deutlich abhebenden Senke der „Köppenbenden“ – von Kuppe, Kopf –. Hierher möchte auch wohl gehören der Flurname „am Hermesbusch“, wenngleich derselbe nicht einheitlich ist: auch „Hermannsbusch“, „Herbertsbusch“, einmal (1651) „am obersten Hengensbusch“. Wegen der Lage an der „alten Heerstraße“ mit römischen Funden und dem öfteren Vorkommen des Namens an der Römerstraße Köln – Trier, so in der Nähe bei Harzheim, Weyer, Dalbenden, dürfte derselbe auf den antiken Götterboten Hermes, den Schutzgott der Wege und Diebe, zu beziehen sein, pflegte man ja auch an den Wegen Hermessäulen aufzustellen.

Auf den Römerkanal, dieses Meisterwerk antiker Technik, der in noch nicht hinreichend geklärter Weise unterhalb Rheder die Erft überquert, gehen die sehr beachtenswerten Flurnamen „auf der Kallen“ und „am Kallenwehr“ – vom lateinischen canalis. Die Beziehung derselben auf den Römerkanal scheint gesichert, obgleich der Name auch auf die zahlreichen Wassergräben der Erftwiesen gehen kann. Diesen gilt der wiederholte Flurname „Spring“, „auf dem Spring“, der sich stets an einem solchen befindet und im Volke vom Überspringen erklärt wird, wohl aber auch als entspringende Quelle gedeutet werden kann. Nichts hat mit dem Römerkanal zu tun, die seit 1701 nachweisbare, im Volke üblich gewordene, an die Sage anklingende Bezeichnung „Teufelsgraben“, „Düvelsoder“. Die älteste Bezeichnung dieses Flutgrabens vom Jahre 1453 heißt „up der duyffenbach“ – vgl. in Köln „am Duffesbach“ – vom Althochdeutschen tiof = tief. Wohl ist anzunehmen, daß der auf der Höhe des Pastoratswäldchens am Römerkanal ausgegrabene, dem Genius loci geweihte „Heidentempel“, eine Dreikonchen-Anlage mit Pultdach und vorgelagerter Freitreppe Beziehung zu demselben hat. In der „Kühmkuhl“ im Buchenwald, wo nächtens noch das Stöhnen der Steinbrecher und Lastträger gehört wird, wurden die Steine gewonnen; auf dem Münsterberge Spuren eines römischen Kalkofens.

Auch hat man die beiden aus der Erft abzweigenden Mühlengräben auf römische Anlagen zurückgeführt. Der obere Graben grenzt nämlich in weiter Ausbuchtung das Gelände der römischen Villa ab gegen das in alter Zeit wohl versumpfte Erfttal. Für den zwischen Weingarten und Rheder, Flurname „am Wehr“, – Gegensatz zum „Kallenwehr“ – und am „Teigsteeg“ (!) – richtig „Deichsteeg“, von Mühlendeich – abzweigenden bedeutenderen Erftmühlenbach ist aber römischer Ursprung unwahrscheinlich. Die an demselben sich anreihenden „Heim“-Orte Stotzheim, Kuchenheim, die beiden Büllesheim, Wüschheim sind sämtlich fränkischer Entstehung und weisen keine nennenswerten römischen Spuren auf. So werden wir denn auch die Anlage des verbindenden Kanals in die Zeit der fränkischen Ansiedlung ansetzen müssen. Auf die zahlreichen Mühlen an demselben beziehen sich in hiesiger Gemarkung zwei Flurnamen: „an der Spinnerei“, 1794 „an der Schleifmühlen“, 1564 „an der Schleiffen“ und „Liersmühle“.

In die folgende Kulturepoche der fränkischen Landnahme der Völkerwanderungszeit führen uns weiter die Flurnamen „auf dem Hondert“ und „Hundswinkelgraben“ – 1453 „up d' hoenner“ und „up d' hoenner graven“. Mit Hund und Hühner haben beide nichts zu tun, sondern kommen von den fränkischen Hundertschaften, in die die Niederlassungen sich gliederten.

Das mittelalterliche Orts- und Landschaftsbild prägt sich aus in dem Flurnamen „Hostert“ – Haus- und Hofstätte. In Rheder werden genannt 1761 die „Brücke Hostert neben dem Weg“ und 1453 „Jutten (Judith oder Gudula) Hoestat van Rieder“. Die Hostert inmitten des Dorfes gehörte einstens dem Gahmannshof, dem sog. „Rhederer Höfchen“, obwohl dieses mit 90 Morgen bei weitem das größte Bauerngut war. „Pfaffenhardt“ – Gegensatz die kurfürstliche Hardt – und „Pfaffensteine“ – Gegensatz der Kaiserstein –, welche auf den grundherrlichen Besitz der Münstereifeler Stiftsherrn in dem zugehörenden Kapitelshof am östlichen Hang des Weingartner Kirch- oder „Kalvarienberges“ hinweisen. Neben diesem Weingartner „Kapitelshof“ verdient besondere Beachtung die auch heute noch so genannte „Schäfferei“ in Rheder, ein altes Rittergut. 1500 im Besitze des Claes von Mirbach, später Blankartzhof genannt, dann in bürgerliche Hände übergegangen und parzelliert. Der Besitz der Herrnhöfe war ja bereits vielfach das, was heute allgemein im Umlageverfahren angestrebt wird, nämlich abgerundet daher auch noch die Flurnamen „an den 12, 6, 7 Morgen“, welche heute gegenstandslos geworden sind. So gehörte auch die „Bitze“, d.h. eingezäuntes Land, rund 20 Morgen, zur Schäfferei. Den Namen hatte der Hof, weil er nach dem kurkölnischen Weistum von Arloff beliebig viele Schafe halten durfte, während die gemeinen Nachbarn deren nur fünfzig. Der Volksmund weiß zu erzählen, daß hier „am Pütz an der Schieffereie“ oder „uff Schappiels“, wie der Hof im Stotzheimer und Kuchenheimer Weistum genannt wird, eine mittelalterliche Freistätte gewesen sei. Gelang es einem Missetäter dorthin zu flüchten, durfte er drei Tage lang nicht angetastet werden: das gleiche wiederholte sich, wenn er nach den drei Tagen die nächste Zufluchtsstätte, den „Kniel“ im Hardtwald erreichte oder umgekehrt. An eine mittelalterliche Zufluchtsstätte anderer Art, die Siechhäuser oder Aussätzigenheime, erinnert der der Pfarrkirche gehörige 1794 genannte „Seuchgarten“, zwischen Erft und dem (alten Rhederer) Kirchweg (im Maisloch) gelegen. An den Ausgang der kurfürstlichen Zeit, wo Weingarten-Rheder unter der Verwaltung des Kölnischen Amtes Hardt stand, gehört der Flurname „An Amtsverwalters Benden“, der 1761 den Erben des Amtsverwalters und Kellners zur Hardt Johann Tilmann Tils von Kuchenheim zugeschrieben wird, einer Familie, der auch die beiden Schultheißen von Arloff, Johann Georg und Markus Engelbert angehörten.


II. Teil

Nach diesen geschichtlich bedeutsamen Flurnamen gehen wir über zu einer Gruppe, die von der Bodengestaltung, ihren Höhen und Tiefen bestimmt werden. Hierher gehören außer den bereits genannten „Burgberg und -tal“, „Pfaffenhardt“, „Kalvarienberg“ die folgenden: „Münsterberg“, über den früher der Fuhrweg nach Münstereifel ging. Der „Schellberg“ 1564, Eichenschälwald, der östliche Hang des Münsterberges. Der „Ginsterberg“ 1793, jenseits des Meersbaches nach dem Broicher Wald zu; hier auch wohl der „Rinderberg“ 1564 und die „Rindertrift“ 1794 zum „Ochsendriesch“ und zur „Kuhdrenk“. Der „Vogelsberg“ 1761 bildet den nördlichen Hang der Pfaffenhardt gegenüber der Flur „auf der Schnepp“; beide Namen erklären sich vom Vogelfang und Schnepfenstrich. Der „Bölsberg“ (1531 „upp der Boulss“), südlicher Ausläufer des Hardtwaldes, Flurname „in der Böls“ vom Wortstamme Bol, Bult = Rundung, vgl. Polster, verwandt der „Billig“ zwischen Erft und Vey. Auch Flurnamen der „Heißbüchel im Overfeld“ 1564, wo gelegen? – Häufig wiederkehrende Flurnamen sind die verschiedenartigsten Zusammensetzungen mit „Kuhl“, so die „Steinkuhl“ und die „Sandkaul“ zur Gewinnung von Baumaterialien – vgl. auch die bereits erwähnte „Kühmkuhl“. Die 1596 genannte „obriste Steinkaullen, schießend auf den Burgtall“ dürfte aber nach Schlackenresten zu urteilen, der Eisenstein-Gewinnung gedient haben. Die „Mirgelskuhl“ wurde zum Mergeln d. i. zur Ackerdüngung benutzt. Die „Schindskuhl“ bei Rheder und „Fuhlingskuhl“ im Broicher Wald – aus ihr hat man im Kataster eine freilich besser duftende „Frühlingskaul“ (!) gemacht – waren die Ablagerungsstätten für Kadaver. Endlich die „Wolfskuhl“ 1564 „in der Wolfkuylen“ war eine Fanggrube für Wölfe. In diese Gruppe von Flurnamen gehören auch „im Schlund“ am Hardtwald (schon 1331 „in deme Slunde“), sowie „im Loch“ und „Meisloch“, letzteres an der Erft gelegen, wahrscheinlich eine Zusammensetzung mit dem Vogelnamen Meise.

Die Flurnamen „in der Laach“ – im Kataster „in der Lage“! – „auf der Laach“ .. „am Laachergraben“, stammverwandt mit Lache = Pfütze, kleiner Teil, leiten über zu den Gewässern oder Wassergräben. Es finden sich da die Namen „Eichelpütz“ (1346 eygilburnen), „Taubenpützchen“ (1629 „Daufenpütz im untersten Hundswinkel“), „Kradepohl“ (Krötenpfuhl) am Kreuzdriesch. „Ehlenmaar“ (Erlenmaar). Von den häufig genannten Wassergräben kamen bereits in Betracht die beiden Mühlengräben, der „Springgraben längs dem Stotzheimer Digh“ 1621. Auch gehört wohl hierher der Name von 1621 „an der Paffendulf“ oder „der Capitelsbenden, die Paffendauf genannt“ an den Pfaffensteinen. Flutgräben sind der erwähnte Duffesgraben und der Hundswinkelgraben, der in seinem untersten Verlaufe bereits 1564 „up dem Ladengraven“ genannt wird. Name vielleicht entstanden aus Landgraben, weil er die Grenze zwischen den Gemeinden bildet oder von einer Brettereinfassung? Auch der Laachergraben heißt in seinem unteren Verlaufe „Rauschergraben“ wohl von dem Rauschen des Wassers an der abschüssigen Stelle, ähnlich der von dem Euskirchener Wasserwerk gefaßte, angeblich bereits zu Römerzeiten benutzte „Klingelpütz“ (1346 „clingilburnen“). Weitere Ableitungsgräben sind die „Fließ“ auf dem Wiehlder und der vom Kaiserstein kommende „Saugraben“.

Wir kommen zu den Flurnamen, die von der Art der Bodennutzung sprechen. „Das beste Land, in den beiden (Weingartner und Rheder) Aueln“ – Aue-Land am Wasser – heißt es 1793. Auch der Weingartner „Acker“ liegt im Erfttal. Dagegen ist der Name „Driesch“ die Bezeichnung für vielfach unbebautes Land. Wir haben da den Flurnamen „Bonnedriesch“, eine rauhe Hochfläche am Broicher Wald, dessen Namen ich jedoch nicht einwandfrei zu klären vermag. Ferner das an der Steinkaul gelegene „Kreuzdriesch“, so 1761 von einem dort stehenden Kreuz benannt, im Volksmund „op der Krusch“, 1531 „upp de Kruiß“, im Kataster „auf dem Rausch“! Das Wort „Wiese“ kommt nicht vor, dafür die ältere Bezeichnung „Benden“, so an „Köppenbenden“, „an Amtsverwalters Benden“,in den sauren Benden“, einmal an der Erft „in den Weiden“, oder spezielle Bezeichnungen wie „Bleiche“, „Bongert“ = Baumgarten. Zu seiner Zeit hat sich Pfarrer Peter Burger, in Weingarten von 1862–1887, um die Anpflanzung von Obstbäumen in den Erftwiesen verdient gemacht, daher im Volke der „Bendenpitter“ genannt. Wie die alten Leute erzählen, muß damals das Erfttal zur Zeit der Baumblüte einen wundervollen Anblick geboten haben. Zwei Flurnamen „an der Heide“, die heute beide tief in der angebauten Ackerflur liegen, erinnern an wiederholte Waldrodungen, die im Laufe der Jahrhunderte dieselbe erweitert haben. So wird uns 1491 berichtet, daß die „untersassen zu Wingarden eine ziet her zu czieraith und behoeff des hilligen Crutz allda etzliche platzen mit namen „Wingarder heyde und weyde“, gerodet hätten. Eine weitere Nachricht verdanken wir Pfarrer J. J. Müller, daß 1800, als das Schulhaus gebaut werden sollte, und man nicht füglich die nötigen Gelder dazu wegen der Kriegslasten beibringen konnte, die Gemeinde sich entschlossen habe, auf jeden Hausplatz ein Viertel Heidegrund auszugeben, welches Viertel nach seiner Güte mit 30–60 Stüber bezahlt werden sollte, und aus diesen Geldern sodann das Schulhaus gebaut worden. Auf solche Erweiterungen der Anbaufläche beziehen sich nicht nur die Flurnamen „in der langen Rodder“, „in der kurzen Rodder“, sondern m. E. auch „im langen Feld“ links der Mersbach – bereits 1564 – und „das Kämpchen“ – vom lat. campus = Feld – rechts derselben; endlich das „Buschfeld“ am Hardtwald. Hier werden im Besitze eines Johann genannt Royde (!) 1331 aufgezählt 3 ½ Morgen Ackerland „by deme Buysche“, 5 Morgen „in deme Slunde“ und 10 ½ Morgen, die „Stuphausen“ genannt werden (1564 „zu Stumphausen, da man über die Kalle geht“). Der Name dürfte ebenso, wie der Ortsname Stotzheim – siehe Weistümer S. 18 – ein Rodungsname und von Baumstümpfen abzuleiten sein. An Hecken, Hagen, erinnern die Flurnamen „Hansenheck“, „Katzenheck“, welcher jedoch nichts mit unseren Katzen zu tun hat, sondern die Hecke ist der Ort, wo früher die Böller, mundartlich „Katzenköpp“ abgefeuert wurden. Auch gehört dazu der Flurname „am Krähahn“, der sich auch wieder nicht auf einem krähenden Hahn bezieht, in dem vielmehr ein „Krähenhagen oder -hecke“ steckt, mundartlich „Krohstock“.

Fassen wir an dieser Stelle einmal die bunte Musterkarte von Flurnamen aus dem Tierreich zusammen, sei es nun, daß sie wirklich daher stammen oder vom Volke, wenn auch irrig, darauf bezogen werden, so haben wir eine ganze Menagerie: Hund und Hühner, Hähne und Krähen, Tauben, Schnepfen, Meisen, Wölfe, Schafe, Katzen, Ochsen, Rinder und Kröten. Es bleiben aber noch zu besprechen die Flurnamen „Gänsgen“, „auf der Sau“, „auf der Kuh“. „Gänsgen“, auch 1761 „Gansgemeinde“ an der Erft bei Stotzheim gelegen, ist wohl gleich „Gansweide“ mit besonderer Beziehung auf die St. Martinsgemeinde Stotzheim. Heißt es doch im Stotzheimer Weistum, daß der Feldhohn den Nachbarn daselbst zehn Gänse „vorlegen“ sollte, die mit dem Herbstschatz dem Amtmann zur Hardt geliefert werden mußten. „Auf der Kuh“ (1651 „auf der Kohe“) – vgl. bereits früher „Köhlager“ und „Kuhdrenk“ – ist auch als Weideplatz für Kühe zu verstehen. Auffallend allerdings dort der bereits erwähnte „Saugraben“ und der Flurname „auf der Sau neben dem Graben“ 1761, heute nicht mehr bekannt, wohl nicht anders zu deuten, als daß die Kühe sich damals dort „saumäßig“ betragen hätten.

Wichtig sind besonders bei den Flurnamen die alten Wegebezeichnungen. Der vorgeschichtliche Name des Erftüberganges Rheder wurde eingangs erwähnt. Bei den Ausgrabungen auf dem Kaiserstein in den Jahren 1874–1879 wurden drei römische Straßenzüge festgestellt, unter diesen die Hauptstraße Trier–Köln, welche in Richtung Roitzheim nach Wesseling am Rhein führte. Ihr Verlauf südlich im Gelände ist unklar, es scheinen hier eine oder zwei Parallelstraßen aufwärts zu führen, was bei der vielbefahrenen Route von vornherein anzunehmen ist, vergleiche das oben über „Hermesbusch“ gesagte und die Flurnamen „an der alten Straße“ und „an der Heerstraße“ in der Billiger Gemarkung. Vom Standpunkt der Denkmalpflege wäre es gewiß wünschenswert, auch aus praktischen Gründen zu empfehlen, wenn diese teilweise im Boden noch erhaltenen Straßen in das Wegenetz aufgenommen werden könnten. Keine der drei anderen, in gleicher Richtung laufenden Wege: „Antweiler Straße“, der von Rheder mitten in die Gewannen führende „Mittelweg“ und der hinter der Pfaffenhardt sich gabelnde „Heideweg“ scheinen römischen Ursprungs zu sein. Auch der Billiger Flurname „am breiten Weg“ ist neueren Datums. Er bezieht sich auf den von Billig nach Weingarten führenden Fuhrweg der oberhalb des Wasserbassins den Römerkanal trennt, also später angelegt wurde, „Breite Straße“ genannt im Gegensatz zu dem von der „Schäfferei“ in Rheder nach Billig führenden schmalen „Kaisersteinsweg“, besonders aber zu dem Flurnamen „Billiger Pfädchen“, dem alten Billiger Kirchweg, der am Flurnamen „Billiger Kreuzchen“ vorbei über den heutigen Sportplatz zur Weingartner Pfarrkirche führte. Auch der frühere Rhederer „Kirchweg“ aus der „Hüll“ – Flurname = Hohlweg – über das Reeg in den „Breiten Weg“ von Billig einmündend, liegt seit der Erbauung der Landstraße nach Euskirchen 1839, welche in Weingarten „Münsterstraße“ heißt, blind da. Seitdem ist auch die vom Billiger Weg abzweigende über den Hondert führende frühere „Euskirchener Straße“ zur „alten Euskirchener Straße“ geworden. Das Dreieck, welches diese mit dem Billiger Weg und der Antweiler Straße bildet, hat den Namen „am Zollstock“ (1761 auch „am Zollbusch“), jedenfalls – eine Herrschaftsgrenze liegt nicht vor – eine Station um Wegegelder zur Bestreitung der Anlagekosten zu erheben.

Eine solche in früheren Zeiten übliche Maßnahme war nicht erforderlich bei der nach dem ersten Weltkriege in einer Zeit allgemeiner Arbeitslosigkeit erfolgten Anlage des „Neuen Weges“ am Ginsterberg, die aus Mitteln der Erwerbslosenfürsorge gedeckt wurde. Diese in Serpentinen aufwärts führende Fahrstraße war für die Landwirtschaft von großem Vorteil, weil sie den Umweg von Weingarten um den Vogelsberg über den Heideweg zu der Flur „Hinter der Pfaffenhardt“ ersparte. Der „Neue Weg“ ermöglichte zunächst eine direkte Zufahrt zu dem am Rande des Broicher Waldes am „Bonnedriesch“ und „an den Stahlen“ – Name für junge Eichestämmlinge – zur „Fuhlingskuhl“ führenden Wege, ersetzte die unpassierbare „Rindertrift“ zum „Ochsendriesch“, wo der Weg sich gabelte, links 1761 als „Grüner Weg“ zur „Kuhdrenke“, rechts 1793 als „Billiger Pfädchen“.

Manche Flurnamen sind der Form des oder der betreffenden Grundstücke entlehnt. So hatten wir bereits das Langenfeld, die lange und die kurze Rodder. Ferner gehören dahin die Flurnamen „up der Krummen“ 1793, „auf der Häp“ (1628 „uff der heppen = Haumesser), der nicht weniger bildhafte „Kirchturm“, auch der „Sättler“, Namen, die bei den neuen Plänen gegenstandslos werden, wie auch etwa der Flurname „an der Eiche“ schon längst seine Berechtigung verlor.

Nicht unbedingt gilt dieses jedoch von den Flurnamen, die den früheren Besitzer nennen. Sicher interessiert der Hans, der einst die „Hansenheck“ benamst hat, nicht weiter. Anders verhält es sich aber mit Namen wie „Pfaffenhardt“ oder auch „an Amtsverwalters Benden“, bei denen ein geschichtliches Interesse geweckt wird. Hier wird auch eine Weiterentwicklung ihr Recht behaupten. So heißt die frühere Spinnerei oder Schleifmühle heute allgemein „Weika“ (Weisweiler-Kalff). Auch die „Liersmühle“, zuletzt Porzellanfabrik, scheint den Namen eines früheren Besitzers zu tragen. Von besonderem Interesse sind die Namen der mittelalterlichen Freistätten, der „Schäfferei“ und des „Knieel“. In den ersten Namen eines früheren Rittergutes, auch Schapeels Hof genannt, scheint auch der Name eines früheren Besitzers hineinzuspielen. „Schapeels Erbe“ wird nämlich 1455 ein Burghaus in Münstereifel genannt – Weistümer S. 14 –. Ob auch „der Schabbert (Schabbers) unter der Hardt, oben der Schleifmühle, der 1605 in den Cronenburgerhof, 1793 in den Blankartzhof gehören soll, und mit dem Flurnamen „auf dem Schappes“ 1761 identisch ist, in Beziehung zum Schapeelshof gestanden hat, ist unklar. Das Besitzverhältnis scheint öfters gewechselt zu haben, da 1651 der Abt von Kornelimünster, der Niederkastenholz besaß, den Schäfereihof als ein verfallenes Lehn in Possess nahm. Sollte in dem rätselhaften „Knieel“ (1529 „an der Hart intgehen dem Kornele“, 1453 „bovern Cornelis“) vielleicht ein „Cornelis“ stecken und in der Zugehörigkeit zu der alten Reichsabtei die Erklärung der beiden Freistätten zu finden sein?

*) Die den Flurnamen beigefügten Zahlen bezeichnen das Jahr, in dem derselbe in den Quellen zuerst genannt wird.





Euskirchener Volksblatt, Nr. 216, 15.9.1951.





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