Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Weistum zu Kalkar





Vorbemerkung

Kalkar, im Weistum mit der alten richtigen Namensform Calcker 1) genannt, die kleinste selbständige Gemeinde im Kreise Euskirchen, ist sicher eine der interessantesten Ortschaften rings herum. Abseits der großen Verkehrswege um sein ehrwürdiges Heiligtum, St. Ludgeri-Kapelle 2) geschart, liegt es in idyllischer Ruhe am Rande seines durch eine seltene Flora berühmten, unter Naturschutz gestellten Moores. An demselben, einst uraltem Seeboden, woran noch heute die Flurnamen „am See“, „an den Poelen“ erinnern, hausten und bargen ihre Toten in den Aschenurnen die Hallstattleute in vorgeschichtlicher Zeit Jahrhunderte vor Christus. Um die Wende der Zeiten kamen dann die Römer und schmückten das Seegestade mit einem Kranze von Villen und hinterließen zur Erinnerung einem glücklichen Finder unter andern die ausnehmend schöne Münze der Diva Faustina, Gattin des Kaisers Antoninus Pius 138–161. Auf den Fundamenten der Römerzeit begründeten dann nach der Völkerwanderung die seßhaft gewordenen Franken unser Calcker, das im Mittelalter sich der besonderen Gunst der Jülicher Grafen und Herzöge erfreute. Sie erhoben es zum Gerichtssitz, dem auch die beiden andern, wiewohl größeren Römerorte, Eschweiler und Weiler auf dem Berge unterstellt waren 3).


Die Kirche zum hl. Ludgerus

Auch kirchlicherseits wird Calcker um 1300 als selbständige Pfarrei aufgeführt. Dann kam aber wohl um 1400 herum die verheerende Seuche, die Pest, von der heute nach einem halben Jahrtausend nicht nur die mündliche Überlieferung erzählt, sondern auch die Pestglocke von 1420 mit der Inschrift: „O bone Ludgere populum a peste tuere!“ kündet, und raffte den Großteil der Bevölkerung hinweg. Noch 1560 zählte Calcker nur 5 Häuser und 11 Kommunikanten 4). Von dieser Katastrophe hat es sich nie wieder ganz erholt. 1489 wurde es dem Stifte Münstereifel einverleibt und ,mortificiert', d. h. seiner kirchlichen Selbständigkeit beraubt 5). Seelsorglich gehörte es in der Folge bis 1804 zur Pfarre Kirspenich, dann bis 1807 zu Antweiler, bis 1817 zu Lessenich, von da an bis heute zur Pfarre Kreuz-Weingarten. Weltlicherseits blieb Calkcer wie das Weistum zeigt, wohl noch ein Hofesgericht unter Münstereifel, dem aber keine Justizbefugnisse in kriminellen Sachen, lediglich verwaltungstechnische Aufgaben zukamen. Eines ist aber Kalkar stets geblieben, seine Selbständigkeit als Gemeinde, die es tapfer verteidigt und bewahrt hat bis auf den heutigen Tag, eine kleine Republik, die stolz ist auf ihre Selbstverwaltung.


Beschriftung der in Kalkar gefundenen Münze:
Kopfseite: DIVA FAUSTINA (Göttliche Faustina)
Rückseite; AETERNITAS (Symbol der Ewigkeit)
SC (Senatus Consultum)
linker Arm: Palmzweig
rechter hochgestreckter Lorbeerkranz


Das durch seine bemerkenswerte Flora einzigartige Kalkarer Moor, im Hintergrund der Broicherhof.
Foto: Hönekopp

Anmerkungen

1) Der Name ist nicht, wie irrtümlich meist geschieht, von einem lateinischen calcaria, also von Kalk, sondern von Kolk, Moor- oder See, abzuleiten. Ausführlicher schrieb ich über Kalkar, die Gemeinde, das Moor und die St. Ludgeri-Kapelle 1939 in der Heimatbeilage zum Volksblatt.

2) Von altersher die einzige Stätte der Verehrung des großen Apostels der Friesen und Sachsen in der ganzen Erzdiözese Köln, abgesehen von seiner Grabeskirche in Werden.

3) 1767 zählte Eschweiler 113, Weiler 73, Calcker 65 Einwohner: Fabricius, Erläuterungen zum Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, II, S. 275. Im Weistum wird Eschweiler Calcker nicht zugewiesen, wohl aber im Lagerbuch, so auch Fabricius, a. a. O. und Katzfey, Münstereifel 89. (Nettersheim gehörte zum Gerichte Kall-Keldenich.)

4) Redlich, Jül. Berg. Kirchenpolitik II, 1 S. 546.

5) Die Urkunde bei Katzfey, S. 110, lautet in verständlicher Wiedergabe: „Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden, Herzog zu Jülich und zu dem Berge, Graf zu Ravensberg, Herr zu Heinsberg etc., tun kund und bekennen öffentlich mit diesem Briefe für uns, unsere Erben und Nachkömmlinge, daß mir von besonderer Gunst, Neigung und Gnade, die wir allzeit gehabt haben und noch haben zu den ehrbaren, unsern lieben, andächtigen Dechant und Kapitel unserer würdigen Kollegiat-Kirche binnen unserer Stadt Münstereifel und zu Ehren und zum Lobe des Allmächtigen Gottes, Mariae seiner gebenedeiten Mutter und der heiligen Patroener derselben in Vermehrung des Gottesdienstes unserer Kollegiat-Kirche bewilligt und gegönnt haben, bewilligen und gönnen den vorgenannten Dechant und Kapitel, daß sie die Kirche St. Ludger Kapelle genannt Calcker in unserem Land gelegen, die von uns als Landfürsten und weltlichen (werentlichen?) Patron zu verleihen gebürt, mit allen Nutzungen, Renten, Aufkommen und Gefällen, wie ein Rektor derselben Kapelle die jährlichs davon erfallend gehabt hat, klein und groß mit allem, nichte davon ausgeschieden, vorgenannter unserer Kollegiat-Kirchen zu Münstereifel erblich und zu ewigen Tagen einverleiben und vereinigen mögen lassen, und solches bitten, werben und erlangen von allen geistlichen Obern, die es zu tun Macht haben, wie mit ihnen es erlauben, bewilligen und gönnen und soviel als in unserer Macht ist, einverleiben (restlichen?) in Kraft dieses Briefs für uns unsere Erben und Nachkömmlinge, also daß die Kanoniker unserer vorgenannten Kollegiat-Kirche alle Renten davon haben, zu sich nehmen, jedem seinen Anteil geben und tun als mit andern ihrer Kirchen Gulden und Renten ohne Benachteiligung (sunder indracht)“.

„Dechant und Kapitel und ihre Nachkommen sollen doch bestellen einen ehrbaren Priester, den sie setzen und entsetzen mögen zu ihrem Gutdünken, daß der Gottesdienst in der Kapelle wie sich gehört, allewege ehrlich ohne Säumnis getan und auch die Kapelle wohl gehalten werde nach aller Notdurft. Weiter sollen Dechant und Kapitel alle Jahr zu drei Zeiten (im Januar, Mai und August) in unserer genannten Kollegiat-Kirche erblich und zu ewigen Zeiten das Gedächtnis unserer Vorfahren, unserer selbst, unserer lieben Hausfrauen und Gemahlin, unserer Kinder und Nachkömmlingen mit Messen, Vigilien, Gebet und Geleucht ehrlich halten, innig (inentlich) für unser aller Seelen mit besonderer Andacht bitten ... Gegeben zu Hambach in dem Jahr unseres Herrn 1489 auf Montag nach dem Sonntag Judica in der Fasten.“ – Der Besitz der Kapelle wird 1580 im Lagerbuch mit vierzehn Morgen Land, ½ Morgen und ½ Viertel Benden angegeben; die Renten 1560 entsprechend gering: ein Malter Spelz, 3/5 Malter Roggen und ein Pfund Wachs, dazu an Pacht ungefähr 1 ¾ Malter Roggen. So Redlich a. a. O.





Unsere Heimat Nr. 3, Beilage zum Euskirchener Volksblatt März 1951.


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