Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Weistum Kalkar
Aus dem Lagerbuche des Amtes Münstereifel im Staatsarchiv Düsseldorf - Ungedruckt

Vorbemerkungen siehe Heimatbeilage Nr. 3, März 1951
Von Pfarrer N. Reinartz

Calcker ist vormals ein Gericht gewesen, dareingehörig Wiler. Nach Aufrichtung meines gnädigen Fürsten und Herrn Ordnung zum Gericht Münstereifel mit ihren Gerichtshandeln gezogen worden.

Und ist nunmehr, weil beide Dörfer gedachter ihrer fürstlicher Gnaden erbpachtbar und churpflichtig derselber Hofgericht, mit sieben Scheffen besetzt. Darüber vormals ein Landbot Schultheist 1) gewesen, nunmehr ein zeitlicher Vogt und Kellner zur Erhaltung ihrer Fürstlichen Gnaden Gerechtigkeit das Haupt sein worden. Haben ihr eigenes Erbbuch darinnen Kauf und Auftrachten 2) – Nachrichten halber der Pacht – geschrieben, wird hinter dem Kellner verwahrt. Was nötig beisein des Vogtes und zweier Scheffen jedes Dorfes er belangen mag, (wird) durch ihnen verzeichnet. 3)

Dies ist alsolch Weistum, so durch die Scheffen, Geschworenen und Uutestanen beider Dörfer Calcker und Wieler auf den hohen Gedingern und gewiesen wird.

Zum ersten weisen und fragen (froegen) die Scheffen zu Calcker und Wieler den durchlauchtigen, hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn Wilhelm, Herzog zu Jülich, Cleve und Berg, Graven zu der Mark und Ravensberg, Herrn zu Ravenstein unsern gnüdigen Herrn für einen Gewaltherrn, (erkennen ihm zu) Klockenklang, 4) Wassergang, auch alle gewaltsamen Sachen zu strafen, es sei in Häusern oder Gehöften (Genuichten).

In der zweiten Fragen (Vrogen) erkennt der Scheffen unserm gnädigen Herrn zu Kerspenich ungefähr (umbtrint) drei Viertel Müllenplatzen an Kirspenicher Hecken 5) zu, ob dieselbe verengt oder verdrängt würde, erkennt des Scheffen für Unrecht; auch wenn neun Schilling Zins zur Zeit nicht gegeben werden, erkennt der Scheffen für Unrecht. Auch ist die kurmutpflichtig. – Weiter (item) alle Maas und Gewichte, naß und trocken, sollen sein wie zu Münster, auch daselbst geaicht werden; wer anders täte erkennt der Scheffen für Unrecht. – Auch alle empfänglichen Güter sind kurmutpflichtig und sollen alhier vergangen und verstanden werden. Was Zins und Pacht gilt, ist meinem gnädigen Herrn kurmutpflichtig. – Weiter wer zu huldigen hat, soll huldigen mit in die dritte Acht gehen.

Zum dritten und letzten

rüget (vronget) und weist der Scheffen: Ob jemand von den Scheffen allhier nicht sein würd, zu Straf auf fünf Mark 7) und Gnad des Herrn. Und ein Nachbaur, so ohne Erlaubnis nicht gegenwärtig auf sieben und einen halben (achtenhalben) Schilling, zum zweiten auf fünf Mark, zum dritten auf Straf des Herrn und Verlust der Güter.

Umgang, Bezirk und Hoheit des Dorfes

Am Calcker Heiligenhäuschen 8) an bis auf die Steinfelderstraße. 9) Die Straß aus bis da zum Calcker Kirchenland 10) ad fünf Viertel obenzum nach dem Forst wendet. Von dannen recht bis auf die Sandkule. Die Kule bis auf den Stein, 11) der die drei Löcher innen hat, daselbst scheiden sich Wachendorp, Antweiler, Iversheim und Calcker Hoheiten. Von dem Stein bis auf den Weidenpesch 12) (Wydenpesch) alles längst die in Calcker gehörende Länderei, so unserm gnäädigen Fürsten und Herrn Erbschatz und Pacht gibt und den Herrn vom Capitel Munstereiffel den Zehnten. Weiter längst das Hospitalsland 13) und längst den Wydenpesch ab über den Broich recht über bis auf den Grünen Weg 15) so von Arloff auf den Broich geht. Von dem Grünen Weg bis an den Grönen Graben, da innen der Pütz 16) steht zwischen Uden Richarten (Engelen) u. Coenen liegen (Bartholomeus) Land. Daher dann ausgen Calcker auf die Fuhr und Graben, da des Junker von Arloff 17) sieben Morgen nach Calcker zu wenden. Von dannen bis wieder auf das Heiligenhäuschen, da man angefangen hat. – Unter diesen allen ist man auf etlichen Plätzen einweidig 18) und jeder weiß, wessen Orts er kehren und wenden soll, und bleibt gleichwohl unseres gnädigen Fürsten und Herrn Hoheit. 19)

Abgaben

... Calcker und Wyler sind schuldig alle Jahr gegen Ostern zweihundert Eier und soll der Landbot aufheben. Deren die von Wyler zwei und die von Calcker das dritte Teil zu verrichten und zu liefern schuldig. Solcher behält der Landbot fünfzig, die übrigen muß er in die Kellnerey liefern. 20)

An Roggen 22 Malter, an Hafer 10 Malter, an Fuhrgeld 3 ½ Raderalbus aus dem Maischatz.

Anmerkungen:

1) Das Haus Fischenich an der Kapelle heißt heute noch „an Scholtessen“.

2 ) Hypotheken, Schuldverschreibungen.

3) Sinn: Die nötigen Belange des Kellners oder des Amtsrentmeisters müssen durch Vogt und zwei Schöffen im Erbbuch verzeichnet sein. Wo mag dieses Kalkarer Erbbuch geblieben sein?

4) Aufgebot der Gemeinde im Krieg und Frieden.

5) Diese Bestimmung über den Mühlenplatz zu Kirspenich im Kalkarer Weistum ist dunkel. Auf denselben bezieht sich der Flurname „an der Burggasse und dem Platz“, 1781 „im Overfelde am Platz“.

6) Alle in Erbpacht empfangenen Güter mußten im Erbfall die Kurmut entrichten – die mittelalterliche Erbsteuer – und neu vom Grundherrn empfangen werden; auch mußten die neuen Lehnsleute den Lehnseid ablegen, huldigen, schwören dem Lehnsherrn treu und hold zu sein.

7) Fünf Mark war 1517 zu Münstereifel der Preis für ein Malter Roggen, gegen Ende des Jahrhunderts stieg derselbe auf vierzig Mark. Die Mark hatte 12 Schillings, S. Scheins, Urkundliche Beiträge, S. 133.

8) An der Stelle dieses Kalkarer Heiligenhäuschens, dem Ausgangspunkt des Dorfsumganges, das an hervorragendem Platz unweit der Kreuzung des Münsterweges und des Steinfelder Pfädchens errichtet war, befand sich nach dem ersten Weltkrieg nur mehr eine unförmliche, nicht erkennbare Heiligenfigur, welche dann an einen Altertumssammler in Münstereifel geraten ist. Bei der Bedeutung, die dieses Heiligenhäuschen in der Verehrung der Vorfahren der heutigen Kalkarer gehabt hat, wäre es sehr wünschenswert, daß der Name des Heiligen festgestellt und wieder der bewährte Gemeinsinn und Opfergeist des heutigen Kalkar dort eine Stätte frommer Andacht und Erinnerung schaffen würde.

9 Das Steinfelderpfädchen, im Weistum noch Steinfelderstraße genannt, ist ein alter, schnurgerader Pilgerweg zum Grabe des seligen Hermann Josef, der an der Heistartburg, Harzburg vorbei über Weyer und Dalbenden in gut zwei Stunden nach Steinfeld führt.

10) Heute das Kapellenland an der Südecke gegen Nordwesten zum Forst zwischen Eschweiler und Wachendorf.

11) Der Stein, der die drei Löcher inhat und vier Hoheiten scheidet, ist leider nicht mehr aufzufinden. Heute treffen sich diese nicht an einem gemeinsamen Punkte, wohl stoßen in der Nähe der nach Antweiler führenden Straße an der Sandkuhl einerseits Antweiler, Wachendorf und Kalkar, andererseits etwas östlich Wachendorf, Kalkar mit Iversheim zusammen.

12) Weidenpesch, heute Flurname „an der Weide“, wo auch Weidengehölz steht.

13) Hospitalsland lag in der Flur „am See“ und „boven dem See“ und gehörte zu dem von Brant v. Antweiler dem Spital zu Münstereifel 1430 abgetretenen Ländereien.

14) Der Pittersacker, bereits 1651 der Gemeinde Arloff gehörend.

15) Der „grüne Weg“ heute „Tricht“, richtig (Vieh) Trift genannt.

16) Der „Pütz“ wohl der unten erwähnte Melpütz, oder Mollpützchen, vor dem feinen hervorquellenden Sandmüll so genannt.

17) Der Juncker von Arloff zu der Zeit Claes v. Mirbach.

18) Einweidig = Anteil an der Weide.

19) Im Vergleich zu dem heutigen Bezirk der Gemeinde, der viele Vorsprünge und Ausbuchtungen aufweist, scheinen die Grenzen im Weistum nur in großen Linien gegeben. Man vergleiche auch die Bemerkung: „jeder Weiß, wessen Orts er kehren und wenden soll“, was natürlich Anlaß zu solchen Grenzstreitigkeiten gab, wie sie in den Arloffer Weistum – I. Folge, S. 34 geschildert wird: „Die Nachbaren zu Arloff beklagen sich, sie haben einen gemeinen Bruch bei Kalkar anstößig und gelegen, darin sie durch die von Kalker mit ihrem Weidgang und Vieh übertrieben werden, also daß sie zu einigenmalen gepfändet, und die zu Kalker die Pfände bei denen von Arloeff einlösen müssen. Aber des unangesehen wird der Bruch nichtsdaweniger durch die von Kalker betrieben, und der Irrtum sich also unerörtert erhält. Unstimmigkeiten ergeben sich auch aus der angefügten Grenzbestimmung: „Und soll oben dem Petersacker ein Stein stehen an dem Melpütz bei dem Eichenbaum und der andere soll stehen an der Antweiler Broichgasse.“ Heute liegt der Melpütz mitten im Kalkarer Broich. Vielleicht hat hier eine Grenzberichtigung stattgefunden.

20) In früheren Zeiten, wo noch das Eiertippen oder -kippen zu den harmlosen Volksfreuden und Unterhaltungen der Osterfeier gehörte, waren die Eier von Kalkar besonders angesehen wegen ihrer Durchschlagskraft. Wenn nach dem Hochamt in Weingarten ein allgemeines Wettkippen anhub, blieben die Kalkarer meist die Gewinner. Deren Eier „seien auf dem Kalk gezogen“.





Euskirchener Volksblatt, Nr. 274, 24.11.1951.


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