Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Gedanken und Erinnerungen am Cyriakustage
8. August

Karl Gissinger überschreibt den ersten Abschnitt seiner „Geschichte der Stadt Euskirchen“: „Billig, der Mittelpunkt der Geschichte und Kultur unserer Heimat“ und sagt einleitend: „Verläßt man die Stadt Euskirchen in südlicher Richtung, so erblickt man schon kurz vor derselben in der Ferne auf der Höhe der hier beginnenden Eifelberge das Dörfchen Billig, dessen neues, schmuckes Kirchlein weithin die ganze Gegend überragt“. In der Tat, dieses Kirchlein ist das charakteristische Merkmal der näheren Umgebung unserer Vaterstadt. Man könnte sich, namentlich vom Schillerpark aus gesehen, das Landschaftsbild ohne seinen schlanken Turm gar nicht denken. Dort oben ist, um wieder mit Gissinger zu reden, „klassischer Boden“. Er hat bei den Forschern der Heimatkunde das stärkste Interesse gefunden; noch im vergangenen Jahre hat der unermüdliche Pfarrer Nikolaus Reinartz im „Volksblatt“ die Geschichte von Billig um einen wertvollen Beitrag bereichert.

Die Billiger Pfarrkirche, im Jahre 1895 als Ersatz einer uralten Kapelle nach den Plänen von Architekt Theodor Kremer in Köln erbaut, feiert morgen ihr Kirchweihfest. Sie ist dem hl. Chyriakus geweiht, einem der vierzehn Nothelfer, der in der diokletianischen Verfolgung die zur Zwangsarbeit an den kaiserlichen Bauten verurteilten Christen betreute. Wie Billig an dieses Patronat gekommen ist, das übrigens auch in Langendorf bei Zülpich und in Weyer hoch oben nahe der Quelle des Feybaches besteht, haben die Chronisten noch nicht festgestellt. In früherer Zeit wurde die Kirchweih in Billig als Auftakt zur Herbstkirmes festlich begangen, und die Euskirchener waren noch bis zur letzten Jahrhundertwende eifrige Besucher des Cyriakusfestes in Billig, mit dem uns enge Beziehungen verbanden, hatte der Ort doch bis zum Jahre auch politisch zum Stadtbezirk Euskirchen gehört und war fast ständig durch einen Schöffen im Gemeinderat vertreten gewesen. Das Cyriakusfest stand damals wegen seiner leiblichen Genüsse bei den alteingesessenen Euskirchenern in hohem Ansehen. So ist es zu begreifen, daß sogar einmal als besondere Anerkennung die Bürgerschaft einer belgischen Stadt zum Cyriakusfest in Billig eingeladen wurde. Auch in ernsten Kriegszeiten soll man den Humor nicht verlieren, deshalb soll diese Schnurre, die dem Schreiber dieses Rückblickes vor vielen Jahren alle Mitglieder des Euskirchener Männer-Gesangvereins, die dabei gewesen waren, erzählt haben, den Schluß der Erinnerung zum Cyriakustag bilden.

Es war im ersten Vierteljahrhundert des Bestehens des genannten Vereins, als er wiederholt zum Kampf der Gesänge außer Landes zog und den Namen unserer Vaterstadt jenseits der Grenzen Ehre machte. Dreimal brachte er hohe Preise aus Belgien mit heim. Bei den beiden ersten Siegen waren die schlichten Sänger aus Euskirchen von den temperamentvollen Belgiern stürmisch gefeiert worden, und man hatte es jedesmal als Mangel empfunden, daß niemand in der Lage war, den Gastgebern in ihrer Muttersprache den Dank auszusprechen. Als man zum dritten Male auszog, hatte man vorgesorgt. Ein inaktives Mitglied, ein ehrsamer Schlossermeister, dessen Nachfahre heute noch zu den Veteranen des Handwerks in unserer Vaterstadt gehört, hatte sich vom Pariser Esser, einem Schneidermeister, der lange in Paris tätig gewesen war, eine kurze, kernige Rede in französischer Sprache ausarbeiten lassen, die er so gründlich auswendig lernte, daß er sie im Schlafe hätte hersagen können. Aber mit des Geschickes Mächten usw.: als der Meister im gegebenen Moment, vom hohen Siege seiner Sangesbrüder wild begeistert, loslegte, riß ihm nach dem ersten Satze der Faden, und er fand ihn nicht mehr wieder. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn aber er gab sich nicht verloren. Mit dröhnender Stimme schmetterte er heraus: „Merci, merci, messieurs! On dat kott Ihr am Sonndag allemol noh Belleg op et Cyriakusfäß!“ Jubelnder Beifall folgte dieser zündenden Dankrede. Ob einer der Belgier der freundlichen Einladung gefolgt ist, hat niemand festgestellt.

Wenn auch das Cyriakusfest seinen alten Glanz eingebüßt hat und die Kirchweih im vierten Kriegsjahre recht schlicht verlaufen wird, lohnt sich doch morgen ein Gang nach dem „Mittelpunkte der Geschichte und Kultur unserer Heimat“, denn ein Blick von der Höhe über unsere Vaterstadt, „in westlicher Richtung bis nach Zülpich und darüber hinaus zur Rurgegend nach Norden über das ausgedehnte Tal der Erft und nach Osten zur Swist, dem Vorgebirge und sogar bis zum Siebengebirge jenseits des Rheines“ - siehe Gissinger, S 2 - zählt zu den schönsten der Rundblicke, die unsere Heimat bietet.





Euskirchener Volksblatt Nr. 183 vom 7.-8. August 1943


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