Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





25 Jahre Kreuz-Weingarten.
Eine Erinnerung an den Christi-Himmelfahrtstag 1927.
Von Altpastor a. D. Reinartz.





Am 29. Mai dieses Jahres wird ein Vierteljahrhundert dahingegangen sein seit jenem denkwürdigen Christi-Himmelfahrtstage des Jahre 1927, an dem Weingarten, die Stätte jahrhundertealter Verehrung des Heiligen Kreuzes, den Treubund mit dem gebenedeiten Zeichen unseres Heiles durch die Verknüpfung seines Namens mit demselben für immer befestigt hat. Es war ein hochfestlicher Tag, der die Krönung jener segensvollen Ueberlieferung darstellt, die vielleicht bis in die christliche Frühzeit unserer Heimat zurückreicht.

Wenn man auch die Ansicht des bekannten Archäologen Professor aus'm Werth nicht teilen will, daß die zahlreichen Kreuzes-Darstellungen in dem berühmten Mosaikboden der Römervilla von Weingarten auf einen christlichen Besitzer schließen lassen, so ist wohl anzunehmen, daß in der oberen Eifel verbreiteten Volkssage, die ersten Christen in dortiger Gegend hätten sich zum Gottesdienst nach hier begeben, ein geschichtlicher Kern steckt. Ist es ja feststehende Tatsache, daß das junge Christentum auf dem Lande seine ersten Stützpunkte





Links die alte Pfarrkirche, deren Inneres im Laufe der Jahre eine Ausschmückung erfahren hat, wie man sie nur selten in der Eifel antrifft.

Rechts: Hoch auf dem Berge ragt das vor 25 Jahren errichtete Kreuz; das Symbol des Dorfes, zum Himmel.





entlang den römischen Heerstraßen

gefunden hat; Belgica, die bedeutende römische Siedlung an der Köln-Trierer Straße gehört aber noch heute zum Gemeindebezirk Weingarten. So werden wir uns auch nicht wundern, wenn im 9. Jahrhundert der Fronhof zu Wingardin unter den alten Stützpunkten der Salvatorabtei zu Prüm genannt wird. Mit diesen war gewöhnlich Gottesdienst verbunden. Wenn die Konsekration eines Salvatoraltares auf dem Kalvarienberg zu Weingarten für das Jahr 1260 urkundlich bezeugt wird, so steht doch auch fest, daß dies nicht der erste Altar daselbst gewesen ist. Dafür dient als neuer Beleg die Erkenntnis, daß die bei der Erneuerung des Altars zum Vorschein gekommene

romanische Grabplatte

bereits dem 12. Jahrhundert angehört. Als dann 1402 „eyn grois gewesser bynnen Munster in eyffel wasc dat waill 5 gueder huyser wech forte, geyngen die herren van deme Cloister und die burgere sere syneclichen bijdvart zoe Wijngarden“. Aus der Blütezeit diese Bitt- und Wallfahrt nach dem dreißigjährigen Kriege wird berichtet, daß Dechant Bosshammer die Kirche erweitern ließ, weil der Raum die Andächtigen nicht faßte, und eine Vikarie errichtete, weil der Pfarrer von der Menge der Beichtenden „erdrückt“ wurde.

Als in der Neuzeit dann am Christi-Himmelfahrtstage 1906 vom Dechant Böhmer das vom Kirchenchor unter seinem Dirigenten Lehrer Gebertz ersungene

hochragende Kreuz

auf dem Burgberge als Wahrzeichen des Weingartens des Heiligen Kreuzes eingesegnet wurde, war damit nicht nur ein Denkmal glorreicher segensvoller Vergangenheit erstanden, sondern auch ein nicht zu übersehendes Mahnmal für die Zukunft. So wurde denn am Kirchweihfeste des Jahres 1925 in einer öffentlichen Willenskundgebung, an alle Schichten der Bevölkerung sich einmütig beteiligten, der Beschluß gefaßt, den

Namen Kreuz-Weingarten

der bereits früher für die Pfarrgemeinde üblich war, auch im bürgerlichen Leben zur Geltung zu bringen, worauf der Gemeinderat einen entsprechenden Antrag bei den oberen Verwaltungsbehörden einbrachte. Freilich ist die Umbenennung einer Ortschaft keine so einfache Sache, sie untersteht der Landespolizei, und der Regierungspräsident muß die Zustimmung des Ministeriums des Inneren einholen. Auch Post und Eisenbahnverwaltung müssen ihr Gutachten abgeben. So war es nicht zu verwundern, daß die Bürokratie sich dem Volkswillen gegenüber zunächst ablehnend verhielt. Aber über den heiligen Bürokratius sollte schließlich doch das Heilige Kreuz den Sieg davontragen. Den einflußreichen Bemühungen des Landrats, Geheimrat Dr. Kaufmann, vor allem aber einer persönlichen Intervention unseres Abgeordneten, des Reichstagsvizepräsidenten Thomas Esser beim Innenminister Severin gelang es, alle Widerstände und Hemmungen zu beseitigen. Es konnte ja auch nicht verkannt werden, daß durch ein volles Dutzend verschiedener Ortebenennungen „Weingarten“ im deutschen Sprachgebiete sich ständige Verwechslungen ergaben und es im öffentlichen Verkehrsinteresse lag, eindeutig klare Ortsnamen zu schaffen. So wurde denn durch Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom 9. Dezember 1926 die Genehmigung zur Abänderung des Namens Weingarten in Kreuz-Weingarten erteilt.

Die Nachricht des nach anderthalb Jahren unablässiger Bemühungen glücklich erreichten Erfolges wurde in Kreuz-Weingarten mit dankbarer Freude entgegengenommen. Alsbald begann man mit den Vorbereitungen zur würdigen Feier des bedeutsamen Ereignisses. Es wurde beschlossen, sie mit der Konsekration des neuen Hochaltars, dem Abschluß der in den schweren Jahren der Inflation vollbrachten Erweiterung der altehrwürdigen Pfarrkirche zum Hl. Kreuz zu verbinden. So brach denn der Festmorgen des Christi-Himmelfahrtstages 1927 an, ein strahlend schöner Maientag, wie selten einer. Breiter Sonnenschein lag auf den blühenden Fluren und auf den im frischen Grün prangenden, die Szene umrahmenden waldigen Hängen, als die Prozession auszog, um den von Münster kommenden hohen Gast und

Konsekrator Weihbischof Dr. Sträter

am Eingang des Ortes in Empfang zu nehmen. Ein sanfter Wind wehte vom blauen Himmel, mit Blütenduft die Lüfte erfüllend und die Fahnen zum freundlichen Willkomm schwellend, als der Hochwürdigste Herr unter den Gebeten und Gesängen der Gläubigen durch die Straßen, deren ganz einzigartiger Festschmuck, vornehm und sinnig zugleich mit der Pracht des Frühlings wetteiferte, zur Kirche des Hl. Kreuzes geleitet wurde, begrüßt von dem harmonischen Geläute der Glocken, die schon Jahrhunderte hindurch die Scharen frommer Pilger empfangen hatten. Hier begannen dann gleich, den Morgen füllend, die erhabenen gottesdienstlichen Feiern, verschönt von den mehrstimmigen Gesängen des trefflich geschulten Kirchenchores.

Am Nachmittag war die festliche Segensandacht mit anschließender Reliquienprozession. Die Ansprache hielt der verehrte frühere Pfarrer und Dechant Böhmer, der auch vor dem Feste durch ein Triduum seine alten Pfarrkinder durch dasselbe eingestimmt hatte. Als guter Prediger von früher bekannt, wirkte der ehrwürdige Priestergreis, nunmehr P. Augustinus O.S.B. noch besonders durch seine Persönlichkeit. Hatte er doch bereits in hohem Alter stehend, seine ehrenvolle Stelle als Bonner Münsterpfarrer aufgegeben, um in das Noviziat des Benediktinerordens in Maria Laach einzutreten. Nun war es das erste Mal, daß er mit Erlaubnis seines Abtes wieder öffentlich auftrat. Bei der nachfolgenden Reliquienprozession um Kirche und Friedhof wurde viermal nach den vier Himmelsrichtungen der Segen mit der Kreuzpartikel der ganzen Pfarrgemeinde erteilt.

Abends war dann im Pfarrheim der Festakt. Im Nu war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, größer war noch die Zahl der draußen Harrenden. Unter den zahlreichen Ehrengästen, geistlichen wie weltlichen Standes, waren besonders hervorzuheben Seine Exzellenz, der Herr Weihbischof, der Landrat, Geheimrat Dr. Kaufmann, Reichstagsvizepräsident Abgeordneter Thomas Esser. Im Mittelpunkt der Darbietungen, die einen tief empfundenen Weihespruch, Männerchöre, darunter einen eigens komponierten Festchor „An Kreuz-Weingarten“, gemeinsam gesungene alte und neue Heimatlieder umfaßten, stand das Festspiel von Max v. Mallinkrodt, „eine köstliche Perle edelster Dichtkunst“, das durch Spieler der Pfarrgemeinde meisterhaft zur Aufführung gebracht wurde.

Die Reihe der Gratulanten zum Ehren- und Freudenfest der Pfarrgemeinde, eröffnete der Hochwürdigste Weihbischof, der seiner hohen Anerkennung und Mitfreude beredten Ausdruck gab und sagte, der Tag werde ihm unvergeßlich sein. Landrat Dr. Kaufmann sprach sodann in launiger Weise über den neuen Namen der Gemeinde. Lobte das einmütige Zusammenwirken aller Beteiligten, das einen so herrlichen Abend zustande gebracht habe und wies eigens auf die Festschrift hin, die wertvolle Beiträge zur Orts- und Heimatgeschichte enthalte. Noch manches gute, erbauende und ermunternde Wort wurde gesprochen, ehe der Schluß des Festaktes kam, den ein glücklicher Gedanke ins Freie verlegt hatte. Dort strahlte vom Burgberge herab das Wahrzeichen Kreuz-Weingarten, das acht Meter hohe Kreuz, im Glanze der neu angelegten elektrischen Beleuchtung von achtzig Glühbirnen in die Maiennacht. Als nun im Angesichte des leuchtenden Zeichens, mit dem der Herr dereinst zum Gerichte erscheinen wird, gesungen von den Sängern und Sängerinnen der Pfarre, Beethovens „Hymne an die Nacht“ erklang, war das

von überwältigender Wirkung

Andächtig und ergriffen lauschte die Menge den herrlichen Akkorden: „Glüht nur ihr goldenen Sterne, Blinkend aus blauer Ferne, Möchte so gerne - Fliehn himmelwärts.“

Fünfundzwanzig Jahre sind seit jenem „unvergeßlichen Tage“ dahingerauscht:

„Zeiten kamen, Zeiten schwanden,
Vieles glänzt und vieles trüget.“





Den schmucken Friedhof zieren Grabsteine aus längst vergangenen Jahrhunderten. Die ältesten stammen aus dem Jahre 1598, die Grabplatte aus dem 12. bis 13. Jahrhundert. - Die barocken Grabsteine erinnern an die Vorfahren der heutigen Generation.





Gar bald kamen die großtuenden Jahre der Hitlerzeit, die Kreuzweingarten wieder einen neuen Namen anhängen wollten, „Kreuz-Neingarten“, weil es zu dem trügerischen Glanze „Nein“ sagte, noch ehe er im grausigen Weltkrieg zusammenbrach. Aber:

„Auf des Burgbergs hoher Warte
Steht das Kreuz noch festgefügt.
Frommer Heimatliebe Tat,
Leuchtet weithin in die Lande,
Kündet Glauben, kündet Treue,
Die des Himmels Segen hat.“

Und wieder zieht alljährlich am Christi-Himmelfahrtstage die Pfarrprozession hinauf zum Hochkreuz auf dem Burgberg wie ehedem, und wieder kommen Wallfahrer aus der Umgegend, so am Karfreitag von Antweiler und Kirchheim und neuerdings die große Männerprozession von Euskirchen in der Passionsnacht zur Verehrung des hl. Kreuzes wie in früheren Jahrhunderten.

Aber die einst das zum Himmel ragende Kreuz als Wahrzeichen ihrer Pfarre errichteten und dann vor 25 Jahren den Treubund der Gemeinde mit dem Kreuze des Erlösers geschlossen, haben zum großen Teil bereits den Kreuzweg des irdischen Lebens vollendet und den eigenen Himmelfahrtstag zur ewigen Herrlichkeit erlebt. Eine neue Generation ist herangewachsen, ihr der Jugend Kreuz-Weingartens ist vor allem diese Erinnerung gewidmet. Sie ist dazu berufen, das Gelöbnis der Väter als eine heilige Verpflichtung zu übernehmen, im sieghaften Zeichen des Kreuzes, in der Liebe unseres Heilands und in brüderlicher Eintracht sich mutig und opferstark zu weihen einem heiligen Kampfe gegen den so vielfach glaubens-, sitten- und herzlosen Geist dieser Welt und dieser Zeit. So wird sie sich des Namens Kreuz-Weingartens würdig erweisen und der Segenswunsch an ihre schöne Heimat in Erfüllung gehen:

„O möchtest stets du schauen
Ein fromm und stark Geschlecht
Voll Fleiß und Gottvertrauen
In Einigkeit und Recht!“
„Es lebe Kreuz-Weingarten
Bis in die fernste Zeit,
Da alle wir erwarten
Des Kreuzes Herrlichkeit.“




Reinartz





Eingebettet im Erfttal und umgeben von bewaldeten Bergen, war Kreuz-Weingarten schon zur Römerzeit eine beliebte Siedlung, an die wertvolle Funde noch heute erinnern. Das schmucke Dorf ist heute ein gern aufgesuchter Ausflugsort, vor allem der Euskirchener.





Kölnische Rundschau, Nr. 118, 21.5.1952.


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