Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, |
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Rheder |
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R h e d e r , das freundliche Dörfchen, gehört in inniger Verbundenheit zu dem einen Kilometer weiter südlich gelegenen Kreuz-Weingarten. Diese Gesamtgemeinde Kreuzweingarten-Rheder, zu welcher auch die Verbandstoff-Fabrik von Kalff und Liersmühle rechnet, erstreckt sich bis nahe an die Ortschaften B i I I i g und S t o t z h e i m heran, oftmals ein Zeichen früherer Abtrennung solcher Randgemeinden. Über die Herkunft und die Bedeutung des Namens Rheder haben sich schon manche den Kopf zerbrochen. Pohl in den Bonner Jahrbüchern (BJ) Heft 53, S. 330 leitet ihn ab vom keltischen "Rigodurum" (Königsburg), eine Deutung, der auch Cramer, Rheinische Ortsnamen, S. 69, sich anschließen möchte. Mürkens, Orts- und Bachnamen des Kreises Euskirchen, S. 7, hält dagegen mit Recht diese Erklärung "in Ermangelung älterer auf Rigodurum hindeutender Formen für ganz willkürlich". Aber auch seiner Ableitung von dem in Euskirchen gefundenen Weihestein der matronae Ratheihae, in denen der verdiente Forscher den ursprünglichen Namen Erft wohl zu Unrecht vermutet, kann ich nicht beipflichten. Wenn wir bei der Namenserklärung nach anerkannten Grundsätzen von der ältest beglaubigten Form ausgehen, so finden wir diese, wie schon Katzfey, Münstereifel II, 198 richtig gesehen hat, in einer Urkunde des Klosters Schweinheim vom Jahre 1240, abgedruckt bei Lacomblet, Urkundenbuch II, no. 252. In derselben bekennt die Äbtissin, daß sie alle Güter, welche Sifrid von Reydorre vom Stift Münstereifel inne gehabt, unter den nämlichen Bedingungen wie Sifrid und seine Vorgänger von dem genannten Stift erhalten habe. Es ist wohl anzunehmen, daß diese Güter in "Reydorre" - lies die erste Silbe betont! -selbst gelegen waren, da das Stift Münstereifel von alter Zeit her die Grundherrlichkeit zu Rheder besessen hat. Wichtig ist dann noch eine Pergamenturkunde im Düsseldorfer Staatsarchiv, Stift Münstereifel, no. 113 vom Jahre 1453. Dieselbe bezieht sich auf den Rentenkauf eines Johan van Redere, der in Reder die Juttenhoestat van Rieder besitzt. Wir haben also hier gleichzeitig drei verschiedene Namensformen, von denen die erste noch deutlich an Reydorre anklingt, die letzte öfters bis Ende 16. Jahrhundert gebraucht wird. Zum Vergleich seien noch herangezogen zwei anderweitige Vorkommen des gleichen Namens Rheder im Nethegau, Kreis Höxter, und Rieder im Kreis Ballenstedt an einem Nebenflüßchen der Bode, 1137 auch Redere genannt. Es ist nun eine doppelte Ableitung möglich, einmal von dem altdeutschen hreot oder hriot, d. i. mit Ried (Gras) bewachsene Stätte, oder wahrscheinlicher von einer keltischen Wurzel rid = Furt. Für diese letztere Erklärung haben wir zudem ganz in der Nähe eine auffallende Parallele in der Ridderfurt zwischen Urft und Nettesheim, wo eine alte Römerstraße die Urft überquert. |
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Daß aber auch bei Rheder am Rand der Eifelberge eine alte Straße über die Erft geführt hat, ist von vornherein anzunehmen; daß tatsächlich eine solche zunächst von Zülpich nach Billig ging, ist von Eick, Römische Wasserleitung, S. 92 und besonders Pohl. BJ 53, S. 324 nachgewiesen worden durch anliegende römische Siedlungen bei Enzen "an der breiten Straße", im Billiger Wald "auf der Spich " (= specula, Warte) bei Hohepunkt 212,4 und im Jagen 3 "am Dachsbüsch". Deren Verlängerung führte dann weiter über den Kaiserstein an der Schäfferei in Rheder vorbei gegenüber der Liersmühle über die Erft. In trockenen Jahren zeigte sich ihr Verlauf unter dem Ackerboden deutlich an dem dürren Stand der Saaten. Es ist wohl die nämliche Straße, von der v. Veith, BJ 78, 3, vgl. auch 79, 16, bemerkt, daß sie zu seiner Zeit östlich der Chaussee in der Nähe von Stotzheim in einer Breite von fünf Meter aufgedeckt worden sei. Ein Erftübergang bei Rheder ist aber auch schon dadurch gegeben, daß hier der Römerkanal diesen Fluß kreuzt. Ja, ich möchte diesem Umstand direkt die Ortsgründung zuschreiben. |
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Zwar ist der Verlauf des Kanals bei Rheder noch nicht überall genau festgestellt: nach den Akten des Provinzial-Museums soll er am südwestlichen Ende des Dorfes vor Jahrzehnten bei der Ausgrabung der Fundamente einer Scheune gefunden worden sein und nach Eick, S. 76, dann durch die Gärten der links der Hauptstraße gelegenen Häuserreihe streichen. Am unteren Ausgang des Dorfes stehen zwei Annahmen gegenüber; nach der einen soll er durch die Scheune von Haus Nr. 66 und weiter durch den leider in den letzten Jahren zugeworfenen alten Rhederer Pütz an der Schäfferei, nach der anderen oberhalb durch den Garten des Hauses Nr. 72 gegangen sein. Persönlich konnte ich bei der Erweiterung der Euskirchener Wasserleitung unterhalb Rheder 5 Meter über den Kilometerstein 36,4 hinaus am Straßenrand in einer Tiefe von 1 ½ Meter eine Betonschicht von 4 Meter Länge feststellen, die der Sohle des Kanals entsprechen würde. Die Übergangsstelle selber ist gesichert in der eingeknickten Gewanngrenze zwischen den Parzellen 183 -185 und 196, der Liersmühle gegenüber. Hier finden sich allenthalben verstreute Sinterstücke, Mörtelsteine und besonders beachtenswert antike Dach-(Hohl)ziegel, welche eine römische Station an dieser Stelle bekunden. Ältere Leute wollen auch noch den Kanal selber hier im Uferrand der Erft gesehen haben. Übereinstimmt auch eine Aktennotiz im Provinzial-Museum, wonach bei einer Erftüberschwemmung 400 Meter unterhalb Rheder, ca. 100 Meter vom linken Ufer der Erft, Zievels (!) Mühle gegenüber, dem Fundament des Römerkanals ähnliches Gemäuer aufgedeckt wurde. Dasselbe bestand aus einer unteren, einen Fuß starken Lage loser Steine, worauf ½ Fuß starke Reste einer Kalkmauer lagen. Die Breite desselben mochte 4-5 Fuß, die Länge 7 - 8 Fuß betragen, konnte aber durch Wegräumen der Dammerde noch weiter verfolgt werden. Wurde der Kanal nun an der Erft auch wie an der Swist und bei Vussem überirdisch auf Bogenstellung oder unterirdisch ans jenseitige Ufer geführt? Eick, S. 77, vertritt mit gutem Grunde die Meinung, daß eine Unterführung, und zwar oberhalb des Kaller Wehres stattgefunden habe, da durch die Anlage eines Staudammes der Wasserlauf ruhiger und tiefer geworden und dadurch eine Beschädigung der unter dem Flußbett befindlichen Wölbung des Kanals eher verhindert worden sei und bezieht die Flurnamen "Kaller Wehr" und "auf der Kall" ohne weiteres auf den Römerkanal. |
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Es muß jedoch bemerkt werden, daß die vielerorts gebräuchliche Flurbezeichnung "Kall" allgemein für jeden Wassergraben gilt und auch hier nur unter der allerdings zutreffenden Voraussetzung auf den Römerkanal bezogen werden kann, daß das ursprüngliche Wehr von den Römern nicht an der jetzigen Stelle, sondern an der Unterführung gegenüber der Liersmühle angelegt war, dann aber durch die Gewalt der Strömung unterhöhlt und zerstört, immer weiter flußaufwärts verlegt wurde. Von der römischen Wasserleitung aus der Eifel nach Köln schrieb schon vor etwa 300 Jahren ein gelehrter Heimatforscher: "Wenn wir sie recht betrachten, zählt diese Anlage unter die Weltwunder, ja gilt als eine Art Mirakel!" Kommt einmal der Tag, wo eine systematische Bodenuntersuchung derselben wie bei der Limesforschung einsetzen wird, darf die Wissenschaft sich gerade hier bei Weingarten-Rheder über die Bautechnik der Römer weitere großartige Aufschlüsse versprechen. Es sei nur hingewiesen auf die Frage der Doppelkanäle den steilen Hang der Pfaffenhardt hinab, wo wohl auf dem ganzen Laufe das größte Gefälle ist, und die am Fuße des Abhanges "Am Düffelsgraben" vermuteten Klärbassins, die Wasserversorgung des nahen Belgica, die Überwindung des größten entgegenstehenden Wasserlaufes der Erft, und des für die Siedlungsgeschichte der anliegenden vier "Heim"-Orte so wichtigen, vielleicht schon zur Römerzeit abgezweigten Mühlenbaches. |
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Mit dem Erftübergang und dem Römerkanal in Zusammenhang steht die Einrichtung eines römischen Gendarmeriepostens in Rheder oder doch in nächster Umgebung. Dieser ist uns bezeugt durch zwei Weihesteine, die von römischen Beneficiariern, Soldaten im Gefreitenrang, die zum Polizeidienst abkommandiert waren, dem Genius loci, dem göttlichen Beschützer des Ortes errichtet wurden. Der eine von Flavius ...cius ist erst jüngst in der Mauer der Pfarrkirche von Kreuz-Weingarten entdeckt worden; der andere vom M. Jul. Matemus 1838 durch den Kirchenrendanten Joh. Straßer zu Rheder in der Flur "auf dem Hondert", als Einfassungsstein eines wohl späteren fränkischen Grabes gefunden. Ebendort sind dann in den Jahren 1842 und 1851 von dem nämlichen eifrigen Forscher und glücklichen Finder eine ganze Reihe, nach den Beigaben zu urteilen, römische Begräbnisstätten aufgeschlossen worden, wobei sich außer zahlreichen Kleinfunden noch ein Weihestein von Paterna, der Tochter eines Justinus, ergab, der darum besonders interessant ist, weil er dem persischen Lichtgott Mithras gewidmet war, ein Beleg für die Vielgestaltigkeit des römischen Heidentums. Der an gleicher Stelle zutage geförderte Grabstein mit der Inschrift: Der Julia Paterna, meiner teuersten Gattin! ist wahrscheinlich von der nämlichen, frühest bekannten Einwohnerin von Rheder, wie auch das wegen seiner symbolischen Bedeutung zu einem Grabmal gehörende Steinrelief der an einen Felsen geschmiedeten Hesione. |
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Den ältesten Teil von Rheder werden wir naturgemäß in der Nähe der erwähnten Römerstraße zu suchen haben. Als mit dem Abzug der Römer die Wasserleitung zerfiel, siedelten die fränkischen Eroberer abseits des Überschwemmungsgebiete der Erft allerdings sich mehr landeinwärts bei der heutigen Schäfferei an. Sie ist der Kern und bedeutsamste Teil des mittelalterlichen Rheder geblieben. Im Nachbarbuche von Weingarten und Rheder aus dem Jahre 1761 wird dieselbe noch als Rittergut geführt; im Weistum des churkölnischen Gerichtes Arloff, dem Rheder unterstand, vom Jahre 1598 nebst anderen adligen Höfen unter die freien Schäffereien gezählt. Von diesen heißt es daselbst: "moegen soe viel schaeff halden, als sey kunnen und wollen und darumb ...sall unsr gnedigstr Churfürst und herr oder ihrer gnaden ambttman zur Hardt uß denselben scheffereien die meyhemmel kiesen und haven, nernlichen uff yeglichern Hoiff eynen meyhammel und nit under der gemeinen schaffen. Und fort ein jeder gemein nachpar sal nit mehr halden dan funfzich schaef und einen widder, und wannhe jemants der mehr hielt, sal er dat thuin mit erluiffnis der nachparn uf straef unseres gnedigsten herren." |
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Auch in den Schöffenweistümern zu Stotzheim 1622 und ähnlich zu Cuchenheim wird die Schäfferei zu Rheder genannt: "Wan ein misthediger gegriffen wurd vom Hartthurm ahn recht uff Schappiels oder am putz an der schieffereie - Weistum Cuchenheim: dem putz zu Rhieder an Schapeels hof, Schapeels putz genant - wurde er darunder gegriffen, so sal man in zum Hartthurn liebern, da sullen die scheffen von Cuchenheim uber urteilen nach seiner missethaedt. Wenn aber einer daroffen gegriffen wurd, so sall er gleichfalls zum Hardtthurne geliebert werden, daruber sollen die scheffen von Arloff urthelen nach seiner missethaedt, da sal sich kein scheffe noch nachpar von Stotzheim mit zu bekummeren haben. Die Freiheit haben sie under sich." Hierzu weiß der Volksmund noch zu berichten, der Hof selber sei eine Freistätte gewesen; gelang es dem Missetäter in denselben zu flüchten, durfte er drei Tage lang nicht angetastet werden; das gleiche wiederholte sich, wenn er nach den drei Tagen die nächste Zufluchtsstätte, den "Kniee!" im Hardtwalde erreichte. - Von einem gleichnamigen Rittergeschlechte verlautet nichts; möglich, daß ein solches mit Sifrid von Reydorre ausstarb. 1500 war Claes von Mirbach irn Besitz des Hofes zu "Reder beneden Wijngarden". Durch die Heirat seiner Tochter Katharina ging er an die ebenfalls ritterbürtigen Blankart von Ahrweiler über, darum im Arloffer Weistum Blankarts Hof genannt. Um 1600 kam er durch Kauf von Junker Ludwig Blankart an Nikolaus Münster von Lommersdorf und damit in bürgerliche Hand. Auffallend ist, daß 1651 der Abt von Cornelimünster, Franz Heinrich von Fremersdorf-Pützfeld, der zugleich Herr von Niederkastenholz war, das doch vom Stifte Münstereifel lehnrürige Gut als verfallenes Lehn in Beschlag nimmt. Aus der darüber vorliegenden Urkunde sehen wir, daß der Hof 64 Morgen Ackerland und 2 Morgen Benden umfaßte, die im Gegensatz zu der meist üblichen Zersplissung des Grundbesitzes durchweg in großen Plänen bestanden. So lagen gleich hinter der Schäfferei 12 zusammenhängende Morgen, dann gehörte dazu die ganze Flur "auf der Bitz", das heißt eingefriedigtes Gelände in Größe von 20 Morgen, die noch heute sogenannten ,,6 Morgen " an der Antweilerstraße usw. - Ein bedeutendes Bauerngut in der Mitte des Dorfes war dann früher, 1761, noch der Gahmannshof, das "Rhederer Höffchen " genannt, obwohl sein Areal mit 82 Morgen Acker und 8 Morgen Wiesen das der Schäfferei übertraf. Hierher gehörten die als Flurbezeichnung noch genannten ,,12 Morgen" in der Weingarten-Rhederer Gemarkung. Das älteste erhaltene Wohnhaus zu Rheder, schon äußerlich erkennbar, trägt die Jahreszahl 1665. Über der Haustür liest man die Inschrift, die nun schon eine mehr als 250jährige Bewährungsfrist aufweist: "So Gott nicht giebt diesem Haus sinn Gunst, ist unser aller Müh umbsunst!" Beachtenswert ist das Haus Nr. 57 an der Kapelle, wohl das schönste Fachwerkgebäude im Dorfe, mit massivem Torbau; dem Schlußstein in demselben und der Schrift über der früheren Haustür zufolge 1723 am 22. April von Philippus Föller und Margrita Schiffmanns erbaut. Ein anderes 1899 niedergelegtes Fachwerkhaus hatte in einer Inschriftkartusche über der Haustür die Angabe: "Anno 1750, den 13 Augusdo had Johan Giles Schorn und Anna Marea Melders Eleuth hapen dis Haus auffgeriht." Es ist erfreulich, daß diese alte heimische Sitte der Haussprüche auch an zwei neueren Bauten wieder aufgenommen wurde. An Haus Nr. 77 steht ein aus manchen Ereignissen der Kriegs- und Inflationszeit verständlicher Stoßseufzer : "Herrgots woet wäe net esu schwäe, wenn de ejenozz net wäe!" Der Spruch am Hause Nr. 55, "auf der Hüll", ist ein inniges Gebet: "Beschütz dies Haus mit Vaterhand, beschütz es, Herr, vor Sturm und Brand und uns vor Sünd und Schand!" |
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Entnommen: Kreuzweingarten - Rheder - Kalkar, 1969, Zeitbiografischer Verlag, Kreuzweingarten |
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