Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de









25 Jahre Erziehungsheim St. Raphael Aachen-Soers.

Nördlich von Aachen im Tale der Soers, fern vom aufregenden Großstadtgetümmel, liegt in ländlicher Einsamkeit und Naturschönheit das Erziehungsheim St. Raphael. Seit 5 Jahren ist es Zufluchts- und Heimstätte für die in die Irre gegangene Gefährdete und Jugendliche, sei es durch eigene Schuld, sei es durch widrige Umstände der Familienverhältnisse oder der weiteren Umwelt.

Im Jahre 1903 kaufte die Genossenschaft der Töchter vom hl. Kreuz das 18 Morgen große Besitztum, um es zu einem Erziehungsheim für weibliche schulentlassene Fürsorgezöglinge umzugestalten. Schnell mehrt sich die Zahl der Zöglinge, die jetzt über 200 beträgt und damit auch die Zahl der Wohn-, Wirtschafts- und der zur Ausbildung der Zöglinge erforderlichen Räume.

Wer das St. Raphaelsheim und seine Tätigkeit kennt, weiß, wieviel Segen für manches junge Menschenkind hier erblüht und wieviel Segen von diesen auf viele andere Menschen übergegangen ist.

Zufluchts- und Heimstätte! Das ist es in Wahrheit vielen Hunderten von Mädchen in den vergangenen 25 Jahren gewesen. Hier wurde diesen ein Ersatz für die verfehlte elterliche Fürsorge geboten, hier wurde aus sittlichen Ruinen neues Leben geweckt, hier erholte sich manches arme, vergiftete junge Leben und gewann Kraft und Festigkeit, um den Kampf mit dem Leben wieder aufzunehmen und den Sieg davontragen zu können.

Zunächst ist es schon die Lage des Heims, welche die jungen Menschen von den Genüssen und dem Leben in der Stadt, die oft schuld an ihrer Verwahrlosung waren, ablenkt; andererseits kann die Natur, der Umgang mit Pflanzen und Tieren körperlich und seelisch günstig auf sie einwirken.

Vor allem aber soll das Mädchen ein wahres Heim finden, denn es braucht für seine spätere innere Stellungnahme zur Familie und zur Volksgemeinschaft das Erlebnis der Familie. Darum wird der Familiensinn in besonderer Weise gepflegt durch Aufteilen der Massen in kleine Gruppen, die in mütterlicher Weise von je einer Erzieherin betreut werden, und die jede einen eigenen gemütlichen Lebensraum und einen schönen Spielplatz hat. Hier herrscht in der Erholung reges Leben. Der Geist jugendlichen Frohsinns hilft über alles, was etwa das Gemüt bedrücken könnte, hinweg und gibt neuen Mut und neue Kraft. Die traute Familiengemeinschaft bietet ein Gegengewicht gegen Veräußerlichung und falsche Freuden, ist eine Stütze für Besinnlichkeit und Innerlichkeit.

Mit dieser Pflege des Familiensinnes geht die Erziehung zur Arbeit Hand in Hand. Zu diesem Zwecke sind Einrichtungen von Berufsmöglichkeiten geschaffen worden. Das erste Jahr der Erziehung umfaßt eine gründliche hauswirtschaftliche Ausbildung. Nachdem die Mädchen einen Einführungskursus mitgemacht haben, der dazu dient, ihnen die Grundlagen für die spätere weitere Ausbildung zu bieten und durch Beobachtung und psychologische Untersuchungen die Intelligenz, die ethische Begriffsfähigkeit und die Gemütsneigung festzustellen, werden sie im Flicken, Nähen, Waschen, Bügeln, Kochen und allen Arbeiten, die unbedingt zur Führung eines Haushaltes nötig sind, angelernt. Nach diesem Jahre folgt für die fähigen Mädchen eine berufliche Ertüchtigung in einem einzelnen Fache: im Bügeln, in der Damenschneiderei, im Weißnähen oder in anderen weiblichen Nadelarbeiten nach Wunsch und Befähigung. Seit längeren Jahren machen mehrere Zöglinge jährlich die Gesellenprüfung im Schneiderhandwerk. Die berufliche Ausbildung ist von dem dazu gehörenden theoretischen Unterrichte begleitet.

Außer diesem wird den Zöglingen Unterricht erteilt in religiöser Lebens- und Berufskunde, Bürger-, Kultur- und Lebenskunde, Erziehungs- und Anstandslehre, Gesundheitslehre, Säuglings- und Krankenpflege und Gesang durch staatlich geprüfte Schwestern, den Hausgeistlichen und weltliche Lehrpersonen. Ein guter Turnunterricht sorgt für die Befestigung und Erhaltung der körperlichen Gesundheit; Turnspiele und Volkstänze bieten frohe Abwechslung für die Erholung.

Dieses Erziehungswerk würde sein Ziel verfehlen, wenn es nicht auf die Religion aufbauen würde. Tüchtige und opferwillige Priester haben es verstanden, diese feste Grundlage zu bieten.

Sind so die Mädchen für das freie, selbständige Leben vorbereitet, so werden sie in für die weitere Ausbildung günstige Verhältnisse gebracht. Viele der Mädchen sind dauernd recht dankbar und kommen noch nach 10 und 20 Jahren in das Heim zurück, wo sie das Glück für sich und ihre Familie gefunden.

So wirkt sich also die Saat, die hier im St. Raphaelsheime in junge Menschenherzen gestreut wurde, unter Gottes Segen in reichsten Früchten aus auf Generationen heraus.

Die Töchter vom hl. Kreuz dürfen daher mit Recht ein frohes Jubelfest feiern. Der 5. Juni ist der Tag, an dem vor 25 Jahren das Institut St. Raphael gegründet wurde. Den Reigen der Festveranstaltungen eröffnete in den Pfingsttagen eine Feier im engen Kreise der Heiminsassen. Die ehemaligen Schützlinge werden für den 3. Juni eingeladen. Falls sie die Verbindung mit St. Raphael verloren haben, werden sie gebeten, ihre Adresse an Schwester Oberin zu schicken, damit sie eine Einladung erhalten können. Am 2. Oktober wird dann zum Schlusse ein offizieller Festakt stattfinden.





Euskirchener Volksblatt, Nr. 128, 2.6.1928.


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