Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Ein Truppenlager südlich Zülpichs?
von H. van der Broeck

In der Samstag-Ausgabe des Volksblattes Nr. 269 veröffentlichte P. H. Pesch einen Artikel mit obiger Überschrift. Er beruft sich darin auf die Untersuchungen über die römische Heerstraße Köln–Zülpich–Reims, die Prof. Dr. Reiner Müller in der Festschrift für Geheimrat Dr. Peter Meyer, dem ehemaligen Direktor des Gymnasiums in Münstereifel, 1933 veröffentlicht hat.

Zunächst möchte ich vorausschicken, daß die Schreibweise Sopenorum oder Supenorum kein Kopfzerbrechen verursachen kann. Es wäre deshalb nicht notwendig gewesen, dieses noch besonders hervorzuheben, wie es in obigem Artikel der Fall ist; denn im Frühlatein und noch bis in die klassische Zeit hinein wurde o statt u verwandt (z. B. voltis für vultis, pocolom für poculum, poplice für publice, popolus für populus). Anders steht es allerdings um die Bedeutung von Sopenorum, worauf der Verfasser mit keinem Wort eingeht. Hier liegt eben die Schwierigkeit. Ist das sopenorum oder supenorum geklärt, dann werden wir auch das rätselhafte „vicus sopenorum“ lösen können. Ich möchte nun wissen, wie mir der Verfasser des Artikels „vicus sopenorum“ erklären will. Was kann er mir über Sopener oder Supener berichten? Nirgendwo hat man je den Namen in Zülpich oder seiner Umgebung gehört. Wenn es Sopener gegeben hätte, so würde doch noch irgendwo der Name aufzufinden sein. Der Verfasser des Itinerars muß doch mit der Bemerkung vicus supernorum etwas bezweckt haben. Mit sopenorum kommen wir also nicht zum Ziel.

Um das Rätsel lösen zu können, müssen wir einen anderen Weg beschreiten. Die einzelnen alten Handschriften des Itinerarium Antonini, das im 3. Jahrh. n. Chr. Geburt entstanden ist und ein Reisehandbuch darstellt, gibt uns hier wertvolle Anhaltspunkte. In dem Itinerar sind Bitburg, Oos, Jünkerath und Marmagen als Stationsorte der Strecke Trier–Köln ohne jeden Zusatz verzeichnet, während bei Tolbiacum das scheinbar rätselhafte vicus sopenorum beigefügt ist. In den einzelnen Handschriften ist dieser Zusatz verschieden: vicus sopenorum, v. supenorum, v. supernorum. Auffallenderweise hat die beste Ausgabe des Itinerars die Lesart sopenorum, das in einer Handschrift des 10. Jahrhunderts (Parisiensis codex D) aufgezeichnet ist. Hätte der Herausgeber Zülpich und seine Umgebung näher gekannt, so würde er vielleicht einer anderen Lesart den Vorzug gegeben haben; denn die Lesart sopenorum ist, wie oben gezeigt wurde, völlig unklar. Ziehen wir aber stattdessen die Lesart supernorum, die ebenfalls eine Handschrift (Parisiensis regius codex A) aus dem 10. Jahrh. und zwei Handschriften (cod. F und G) aus dem 16. Jahrh. aufweisen, vor, so ist mit einem Schlage das Dunkel, das über „vicus sopenorum“ lag, aufgehellt. Vicus supernorum bedeutet Oberdorf im Gegensatz zum Unterdorf, das von den Kelten schon vor der Ankunft der Römer im Neffelbachtal gegründet worden war. Daraus, daß das Itinerarium bei Tolbiacum den Zusatz [Vicus supernorum bedeutet Oberdorf im Ge-; .. {aufweist}], erkennen wir, daß das keltische Zülpich im Tal im 3. Jahrh. noch bestanden haben muß, da sonst vicus supernorum sich erübrigt hätte. Die Köln–Trierer Straße berührte nur das hochgelegene Zülpich (Oberzülpich), während die Straße von Zülpich nach Neuß an Unterzülpich vorbeiführte. Eine solche Unterscheidung macht man heute ganz genau so. Wir sagen beispielsweise von der Straße Zülpich–Heimbach, daß sie durch Vlatten führt, weil sie das Ober- und Unterdorf berührt. Im Gegensatz dazu sagt man von der Straße Euskirchen–Rheinbach, daß sie durch Oberdrees geht und nicht einfach durch Drees, weil Niederdrees abseits dieser Straße liegt.

Nun noch ein Wort zu der Entfernung des vicus supernorum von Köln. Reiner Müller legt den vicus supernorum südlich von Zülpich bis nach Floren mit Rücksicht auf die XVI Leugen, die für die Strecke Köln–Zülpich im Itenerar angegeben sind (Leuge, ein gallisches Wegemaß = 2220 m). Sehen wir uns jedoch das Itinerar näher an, so werden wir feststellen, daß darin immer nur ganze Leugen vorkommen. Man hat eben nach oben oder unten abgerundet, wie man es auch heute zu tun pflegt. Nehmen wir Oberzülpich als vicus supernorum an, so beträgt die Entfernung von Köln bis Zülpich ca. 15,65 Leugen. Da man mit Bruchzahlen nicht operierte, so kamen hier eben nur 16 Leugen in Fragen.

Obschon es „auffallend ist, daß auch heute noch Hoven trotz seiner Nähe nicht zur Stadt Zülpich gehört, sondern mit dem 1 ½ km entfernten Floren eine Gemeinde bildet“ (Müller) – übrigens ist Hoven seit 1922 nach Zülpich eingemeindet –, so läßt sich darauf bezüglich der Lage des vicus supernorum keineswegs ein Schluß ziehen. Als Rastorte waren begreiflicherweise „wiesenumsäumte Wasserläufe“ beliebt. Aber das kann natürlich nichts an der Tatsache ändern, daß im Itinerarium Antonini und in der Peutingerschen Tafel der in Verbindung mit Tolbiacum erwähnte vicus nicht einen räumlich vom Kastell getrennten Ort, sondern das hochgelegene römische Zülpich im Gegensatz zu dem im Tal gelegenen keltischen Zülpich bezeichnen soll. Die Lesart vicus Sopenorum ist demnach vollkommen unklar, während vicus supernorum volle Klarheit schafft.

Bei dem vicus handelt sich es also um Zülpich selbst, nicht aber um ein Truppenlager südlich von Zülpich, wie P. H. Pesch auf Grund der von Reiner Müller gegebenen Deutung des sogenannten vicus Sopenorum annimmt. Die Ausführungen des Artikelschreibers beruhen also auf irrigen Voraussetzungen. Die Lesart vicus supernorum gibt uns die richtige Deutung, und damit erübrigt sich zweifellos jede Diskussion über dieses Thema.

H. van der Broeck





Euskirchener Volksblatt, Nr. 281, 2.12.1950.


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