Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Die Gründung Mariawalds
und der Sagenkranz um das Heimbacher Gnadenbild
Eine Untersuchung aus dem Grenzgebiet von Sage und Geschichte
Von Dr. Reinhold Heinen (Berg vor Nideggen)

D. 3. Radermächers Aufzeichnung überträgt die Gründungsgeschichte von Eberhardsklausen auf Mariawald

In Eberhardsklausen war 1442 ein Gnadenbild aufgestellt, 1445 eine Kapelle gebaut und 1459 ein Kloster gegründet worden, also etwa drei Jahrzehnte vor den entsprechenden Vorgängen in Mariawald, wie Radermächers sie schildert. Die Gründungsgeschichte von Erberhardklausen war 1485 von dem Pater Wilhelm von Bernkastel niedergeschrieben und in drei Sprachen auf einer Tafel in der Kirche angebracht worden. (Schorn, Bd. 1. S. 450ff). Sie war also allgemein bekannt und sie muß auch Radermächer bekannt gewesen sein. Eine Zergliederung und Gegenüberstellung der einzelnen Motive der Gründungsgeschichte von Eberhardsklausen mit der von Mariawald in der Darstellung Radermächers ergibt sich eine fast völlige Übereinstimmung, zumal dann, wenn man einige der Radermächer bezw. Wilhelm von Bernkastel fehlende Einzelheiten aus anderen Quellen einschaltet. (Die nachstehende Gegenüberstellung enthält nur den Inhalt der Erzählungen Radermächers und Wilhelm von Bernkastel; soweit Einzelheiten aus anderer Quelle eingeschoben wurden, sind diese durch Einklammerung kenntlich gemacht.)





Mariawald
Radermächer 1523

Eberhardsklausen
P. Wilhelm 1485



Ein Strohdecker

Ein guter Arbeitsmann (der sich im Winter mit Strohschneiden ernährt) 1)

aus dem Nachbardorf
stellt ein Bild der Muttergottes mit Jesu Leichnam auf dem Schoß
in einen Baum im Walde.

aus dem Nachbardorf
stellt ein Bild der Muttergottes mit Jesu Leichnam auf dem Schoß
(in einem hohlen Eichbaum.) 2)

(Dort kann er morgens und abends auf dem Wege von und zur Arbeit sein Gebet verrichten) 3)

(Morgens und abends auf dem Weg zur Arbeit betet er dort.) 4)

Er hat das Bild in Köln gekauft.

Er kauft (als Ersatz für ein früheres kleineres Bild) 5) in Trier das Bild.

Weil er das Geld zum Kauf nicht hat, leiht er sich dasselbe.

(Weil er das Geld zum Kauf nicht hat, verkauft er seine Habe dafür 6) bezw. schenkt man ihm das Bild.) 7)

Weil ihm der erste Aufstellungsplatz zu einsam dünkt,

Auf Ermahnung der Muttergottes

stellt er das Bild an eine Wegekreuzung

nimmt er den Holzstock weg

und baut hier für das Bild eine kleines Häuschen,

und baut für das neue Bild ein kleines Häuschen,

daneben für sich eine kleine Hütte, in der er bei dem Bild ständig bleibt.

(daneben für sich eine kleine Hütte, in der er bei dem Bild ständig bleibt.) 8)

Er kündigt Wunderzeichen des Bildes und den Bau einer Kirche nach seinem Tode an.

Er beginnt mit dem Bau einer Kirche.

Es zeigen sich wunderbare Erscheinungen an dem Bilde und Krankenheilungen.

Da sind also viele Zeichen und Mirakel geschehen.

Das Volk beginnt dorthin zu wallfahren.

Viele Opfer und Güter werden gespendet.

Der Teufel will den starken Zulauf verhindern, Doktoren und Prälaten wollen ihn stören.

(Der Dechant erzwingt Übertragung des Bildes in Pfarrkirche, auf Drängen des Volkes wird es wieder zurückgebracht. 9)

Doktoren und Prälaten untersuchen das Bild, weil sie einen Betrug vermuten,

(Auf Beschwerde des Dechanten, daß dort Betrügereien vorkämen, verbietet Kardinal Nikolaus Eusanus den Weiterbau der Kapelle 10) und schilt Eberhard wegen seines abergläubischen Treibens 11)

stechen sie in den Kopf des Bildes, es träufelt daraus
und sie gehen bekehrt und lobsingend fort.

Eusanus hebt auf Vorstellungen seiner Schwester das Verbot wieder auf, als er krank ist und wird daraufhin rasch gesund.) 12)

Nach Fluitters Tod baut Pfarrer eine Kapelle, (Der Pfarrer muß deshalb viel aushalten von falschen Brüdern) 13)

Eberhard baut eine Kapelle.
(Der Pfarrer bestärkt ihn in seinem Tun.) 14)

und beruft Ordensleute zur Klostergründung.

Nach seinem Tode kommen Ordensleute zur Klostergründung.

Diese bauen ein Kloster und eine große Kirche.

Diese bauen ein Kloster und eine große Kirche.





1) Schorn, Bd. 1. S. 450. 2) Schorn, Bd. 1, S. 451. 3) Goerke, 3. Aufl., S. 6. 4) Schiffels, Vom frischen Quell, Bd. 2, S. 31, 5) Schorn, BD. 2, S. 541. 6) Schorn, das. 7) Zaunert, Rheinland-Sagen, Bd. 2, S. 63. 8) Schorn das. 9) Schiffels das. 10) Nach Schiffels verbietet Cusanus den Weiterbau, weil er sich darüber ärgerte, daß Eberhard ihm eine Mahlzeit in der Kapelle vorsetzte. 11) Zaunert das. 12) Schorn. Schiffels und Zaunert a.a.O. 13) Goerke, 1. Aufl., S. 82 nach einer älteren Erzählung Bonns. 14) Schiffels das.





Da die Gründung des Klosters Mariawald (1480) einige Jahrzehnte nach der von Eberhardsklausen (1459) erfolgte, da ferner Radermächers Niederschrift bestimmt später als die von P. Wilhelm von Bernkastel (1485) hergestellt worden ist, und da diese Erzählung P. Wilhelms in der Kirche von Eberhardsklausen öffentlich aushing, scheint es bei der denkbar weitgehenden Übereinstimmung der beiden Aufzeichnungen als erwiesen, daß Radermächer die Erberhardklausener Niederschrift benutzt hat. Damit gewinnt die Vermutung noch mehr an Wahrscheinlichkeit, daß es sich bei der Niederschrift Radermächers um eine spätere fromme Fälschung handelt, um dem inzwischen – und zwar nach der Gründung des Klosters – nach Mariawald gelangten Bild der Schmerzhaften Muttergottes und den Motiven zur Gründung des Klosters den fromm-romantischen Hintergrund zu geben, nach dem die Phantasie des Volkes verlangte. Diese nachträgliche Herstellung der angeblichen Aufzeichnungen Radermächers, die wie schon erwähnt – nach 1664, dem Jahr der Niederschrift der Axerschen Chronik, vermutlich vorgenommen wurde, konnte umso leichter erfolgen, als bereits im Jahre 1640/41 in Trier (bei Hubert Reulandt) ein umfangreiches Werk (ca. 350 Seiten) über Eberhardsklausen erschienen war: „New Mirackel- vnndt Gnaden-Büchlein der ... Mutter JESV zu Eberhards-Clausen“. Derartige „fromme“ Fälschungen sind in jenen Zeiten nicht selten vorgekommen. So hat ein Mönch aus Maria Laach im 14. Jahrhundert zur Verherrlichung der zu seinem Kloster gehörenden Wallfahrtskapelle Fraukirchen die berühmte Legende von der Heiligen Genoveva erfunden und aufgezeichnet. (Zender, Die Eifel in Sage und Dichtung, 1900, S. 78).

Auch wenn man das Vorliegen einer solchen nachträglichen Fälschung eines späteren Verfassers und einer Rückdatierung nicht annehmen, sondern an Radermächer als Verfasser und an 1523 als dem Jahr der Niederschrift festhalten will, so bleibt doch die fast völlige Übereinstimmung der Schilderung Radermächers mit den rund 40 Jahre älteren Aufzeichnungen des P. Wilhelm über die Entstehung des Klosters Eberhardsklausen bestehen, die ihm als Vorlage gedient hat, oder aber – im günstigsten Fall – im Volksmund auf Mariawald übertragen und aus dem Volksmunde gutgläubig von Radermächer niedergeschrieben wurde. Gegen diese letztere Annahme einer gutgläubigen Übernahme eines Sagenstoffes aus dem Volksmund als geschichtliche Tatsache durch Radermächer im Jahre 1523 spricht aber die Form seiner Aufzeichnungen, sowie die Überlegung, daß er – die Richtigkeit seiner Zeitangaben vorausgesetzt – diese Vorgänge noch miterlebt haben, also die geschichtliche Unmöglichkeit dieses Sagenstoffes kennen mußte.

Welche von diesen verschiedenen Möglichkeiten nun zutreffen mag, wird sich wohl niemals völlig aufklären lassen. Aber die Ergebnisse dieser Untersuchung reichen voll aus, um den Charakter der Aufzeichnungen Radermächers als geschichtliche Urkunde zu verneinen und ihnen als Geschichtsquelle nur den beschränkten Wert zuzuerkennen, den eine Sage hat.

Wenn damit die Schilderung Radermächers, deren Glaubwürdigkeit schon durch die Darlegung in den Abschnitten B und C stark erschüttert worden ist, auch der letzte Boden entzogen wird, so ist man für die Gründungsgeschichte von Mariawald völlig auf die Urkunden angewiesen. Wenn nun diese Urkunden und die ganzen Vorgänge um die Gründung und Erbauung von Kloster und Kirche – wie oben dargelegt – nichts von dem Vorhandensein eines Gnadenbildes erkennen lassen, insbesondere alle Angaben auf eine ursprüngliche Widmung an die glorreiche Jungfrau Maria und nicht an die Schmerzhafte Mutter hindeuten – so ergibt sich daraus, daß das heutige Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter erst nach der Gründung des Klosters nach Mariawald gelangt, also wohl von den Zisterziensern beschafft worden ist. Damit erklärt sich auch die Erscheinung, daß die entsprechend dem Titel der Kapelle Duimgens zuerst der Glorreichen Jungfrau Maria gewidmete Klostergründung später sich unter den Schutz eines Gnadenbildes der Schmerzhaften Mutter stellte.

Auch das Mutterkloster Bottenbroich bei Kerpen besaß ein Gnadenbild der Schmerzhaften Muttergottes, das noch heute dort verehrt wird. Es lag nahe, daß das Tochterkloster aus der Anhänglichkeit an das heimatliche Gnadenbild ebenfalls ein Bild der Schmerzhaften Mutter beschaffte, das dann ebenso zu einem Gnadenbilde wurde.

Wann nun das Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter nach Mariawald gekommen ist, bleibt noch aufzuklären: ob diese Frage bei den verhältnismäßig dürftigen archivalischen Quellen jemals eindeutig beantwortet werden kann, muß man abwarten. Vielleicht geben einige Angaben der Rechnungen des Heimbacher Burggrafenamtes dafür Anhaltspunkte. Danach hat im Sommer 1505 die herzogliche Familie bei Besuchen in Mariawald „zo unser lieven Frawen zu Berscheit“ kleine Geldspenden geopfert: von einem dieser Versuche wird in den Rechnungen bemerkt: „Als U. Vr. Gnaden ind Juffer zo uns lieven Vrawen geynken.“ (Nikolaus Reinartz in den Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 121, 1932, S. 135f.) Diese Formulierungen erwähnen zwar das Gnadenbild nicht unzweideutig; sie lassen sich aber ohne jede Schwierigkeit darauf beziehen. So dürften diese Aufzeichnungen als die ersten bisher bekannten urkundlichen Belege für das Vorhandensein des Gnadenbildes zu gelten haben, dessen Verehrung durch mehr als vier Jahrhunderte nach wie vor feststeht.





D. 3. Andere Sagenmotive um Klostergründung und Gnadenbild von Mariawald






Heimatblätter, Beilage zur Dürener Zeitung, Nr. 19, S. 145-149, 20.9.1934; Nr. 20, S. 153-156, 4.10.1934; Nr. 21, S. 162-165, 18.10.1934; Nr. 22, S. 170-172, 31.10.1934; Nr. 23, S. 181-183, 15.11.1934.


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