Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Die Jülicher Bergbeamten im Wildbann Kall
Von N. Reinartz, Pfarrer, Kreuz-Weingarten.

An dem festlich schönen Pfingstdienstage dieses Jahres fand in Münstereifel ein Ahnengedenktag der seit Jahrhunderten am Bleiberg angestammten Familie Pünder statt 1). In diesem Namen lebt eines der Ämter fort, denen bis zur Französischen Revolution die Verwaltung des landesherrlichen Bergregals oblag, das des Erzwiegers, gewöhnlich Punder oder Punger mit zahlreichen Varianten – B statt P; ü, ö, o statt u; nden, nn, nt statt nd und ng – genannt 2). Angeregt durch das bis 1587 zurückgehende Familienarchiv, gefördert durch die in den Stammsitzen der Familie vielfach noch zu uns von den Pünder und den mit ihnen versippten Familien Hüttenjans (Huttanus), Tummeler, Dahmen, Reinartz, vom Scheid (Calenberg) sprechenden, bis 1578 erhaltenen Grabsteine, Hausinschriften, Wegekreuze und Flurnamen, ist es zwölfjähriger Forscherarbeit, die nach und nach alle bekannten privaten und öffentlichen Archive bis nach Westfalen und Belgien hin ausgeschöpft hat, gelungen, die Geschichte der Familie, die soweit nachweisbar das Amt des Punders zuerst bekleidete und davon den Namen geerbt hat, urkundlich lückenlos bis auf Tilman Punger in Hostel, geboren um 1603, mit großer geschichtlicher Wahrscheinlichkeit aber bis auf Goddert Ponder, im Amte bereits 1559, zurückzuführen. Gleichzeitig wurde dabei auf bisher kaum befahrenen Gängen anderweitiges familiengeschichtliches Quellengut angeschlagen, was im folgenden zutage gefördert werden soll.

Das Amt des Punders in Verbindung mit dem des Bergmeisters finden wir zuerst erwähnt im Bergweistum des Jülicher Wildbanns Kall 3), der die Ämter Monschau, Nideggen, Münstereifel, Tomburg, Euskirchen und „was weiters diesseits der Rur in montensibus vorfällt“ umfaßte. „Also wae eyn berch uyßbrecht umb Kalle bynnen eynre banmylen, mach der berchmeister van wegen eyns fursten van Guylch mit den geswoeren volgen ind naziehen als eyn jeger eym stuck wiltz, in wat herenlantz dat idt sy, ind dae. inne lassen slain (die Genehmigng zum Bergwerk!) ind davan dem fursten den zienden“ „Und wan man geschmellzen hat, sall man dat blei an die wag bringen; dan sall hochgemelter gnädigster herr einen berchmeister und einen pönder haben, so wan dat blei gewagt ist, so sall der berchmeister unserem gnädigsten herrn geben von zwanzig zentner bleis einen zentner und dem pönderer von jedem zentner einen penng – dat sall man zu Call also halten“. Der Bergmeister war also der Vorsitzer des Bergamtes; gemeinsam mit den Berggeschworenen hatte er die Berggerechtigkeit zu verleihen, Streitigkeiten, die auf dem Berge vorfielen und den gewöhnlichen Gerichten entzogen waren, auf dem richtigen Tag zu Kall unter der Waage zu rügen und im Kriegsfall die Bergknappen aufzubieten, mit ihrem „gezawe“ vor die feindlichen Städte und Schlösser zu ziehen. Zur Wahrung der fiskalischen Interessen war ihm hauptsächlich der Punder oder Wiegemeister zu Seite gegeben. Beide hatten als fürstliche Beamte Amtskleidung, Rock und Kogel, die alljährlich unter den Ausgabeposten des Burggrafenamtes Heimbach wiederkehren 4). So heißt es in der Rechnung 1568: „dem bergmeister, item dem pundener oder waegmeister vur sin kleidong, so ihme gefallen uff meiabend, verricht (je) 10 Mark“. Beider Gehalt war aber nicht gerade fürstlich zu nennen; dem Bergmeister wurden acht Malter, dem Wiegemeister drei Malter Frucht jährlich ausgemessen, wozu freilich die Sporteln kamen. Ende des 16. Jahrhunderts wird in den Rechnungen ein dritter bergfiskalischer Beamte genannt, der Stürtzer oder Erzmeister. Seine Aufgabe war, die Bergprodukte sowohl für die Berginteressenten und Reidmeister als auch für die landesherrlichen Abgaben mit einer geeichten Stürzkarrig zu vermessen, zu notiern und dann jedem das seine haufenweise zusammenzufahren. Gehalt bezog er keins, nur zwei Albus Stürzlohn von den Verkäufern oder Berginteressenten, wofür er auch Pferd und Karren halten mußte. Ähnlich waren auch die lokalen Bergbehörden im benachbarten Kölner Erzstift und in der Grafschaft Schleiden organisiert. In der Kölnischen Bergordnung wird der Pundener Zehender genannt, und die Poentzeler und Puntzler im Schleidener Tale, deren Namen Kelleter in seiner Geschichte der Familie Poensgen S. 15 als Eisenhändler deuten möchte, sind die Pönder oder Erzwieger des Grafen gewesen, mit denen er den Bergzehnten berechnet 5). Auch Bergmeister und Stürtzer sind für Schleiden bezeugt.

Familiengeschichtlich ist von besonderer Bedeutung die Frage der Erblichkeit der genannten Ämter. Bei den Schultheißenämtern in den verschiedenen Herrschaften am Bleiberge ist Erbfolge in derselben Familie, wenn auch nicht immer vom Vater auf den Sohn, die Regel, wie ich im Kurkölnischen Glehn und Weyer, im Jülichschen bei Keldenich und Kalenberg Voissel, im Blankenheimschen bei Bleibuir, im Dreibornschen bei Heistert festgestellt habe - eine Regel, die natürlich auch Ausnahmen erleidet. Ähnlich liegt der Fall bei den Bergämtern, abgesehen etwa von dem Amte des Bergmeisters, das im 18. Jahrhundert manchen Familienwechsel aufweist.

Die ältesten persönlichen Nachrichten über die Jülicher Bergmeister zu Kall sind noch recht dürftig. 1502 heißt es, daß den Erben des alten Bergmeisters das verschuldete Haus belassen werde. In den Kirchenrechnungen zu Keldenich finden sich dann verzeichnet 1539 Meiß der berchmeister und 1543 Els des berchmeisters hoesfraue. 1544–1565 folgt Drys der berchmeister zo Kaell und 1565 Lens berchmeisters son, darum auch Dreis Lens genannt. Seine Gattin war die Tochter des Kalenberger Schultheißen Peter Funk. 1575 wurde Lens, der aber noch als „abgestandener Bergmeister“ mindestens bis 1597 lebte, durch Hans Bergmeister ersetzt. Dieser soll 1533 geboren sein; seine Frau Sungen (Susanna), Schwester von Nelles Schröder in Keldenich, schenkte ihm aber 1608 noch ein Söhnchen. Da der Bergmeister im Besitze von Emmerichs 6) Haus und Hof in der Welschfahrt zu Kall ist, glaube ich Hans auch dieser Familie zuschreiben zu dürfen, die im 17. Jahrhundert das Amt innehielt. So Ludwig Emmerich von 1610–1645, vermutlich der Erbauer des Berggerichtsgebäudes in Kall, da sich in einem Balken die Anfangsbuchstaben seines Namens mit der Jahreszahl 1624 befinden. Ludwig Emmerich, der zugleich Jülicher Schultheiß von Kall-Keldenich war, wurde um 1583 geboren und war mit Katharina Bour (Pawers) aus Glehn († 1660) verheiratet. Sein 1612 geborener Sohn Johann Heinrich Emmerich (auch Hans Lodwigs genannt) folgte dem Vater in seinen beiden Ämtern bis zu seinem Tode im Jahre 1691. Er war vermählt mit Elisabeth Schweizers 7). 1692 folgte im Amte des Bergmeisters Chrysant Dresen, dessen Name noch in den schematischen Positionen der Amtsrechnungen wiederkehrt bis 1724, obwohl bereits ab 1721 Johann Reiner Schmitz als Bergmeister zeichnet. Dieser starb 1736. Seine hinterbliebene Witwe Maria Catharina Lefers heiratete in zweiter Ehe den gräflich Reifferscheidschen Rentmeister Heinr. Josef Molitor, später Amtsverwalter in Bedburg 8). Sonstige Familienbeziehungen der beiden letzten Bergmeister auch zu ihrem Nachfolger David Brandt weiß ich nicht aufzuzeigen. Dieser, im Amte von 1736 bis 1758, wohnte in Gemünd, wo er als Sohn des Reidmeisters Paul Brandt und dessen Ehefrau Maria Agnes Hochgürtel 1693 geboren war 9). Von 1758 bis 1794 wird in den Burggräferei-Rechnungen ein nicht näher bezeichneter Bergmeister Bachoven 10) angeführt. Aus Bergakten im Familienarchiv Pünder ergibt sich jedoch, daß zwei dieses Namens, wahrscheinlich Vater und Sohn, in Betracht kommen, und zwar der ältere Bachoven, als Lizentiat bezeichnet, bis etwa 1770, da der jüngere (Alexander?) Bachoven 1793 erklärt, daß er beinahe 25 Jahre im Amte gewesen sei.

Der Wohnsitz des Punders am Bleiberge hat nicht wenig gewechselt; es mag dieses mit der im Weistum vermerkten Einrichtung einer Nebenwage am Hause Rath (Marschallsrath bei Mechernich) zusammenhängen. 1499 wird genannt der Ponger zu Kall, 1539–49 der Pünner zu Scheven, 1550– 59 der Pünger zu Wallenthal. Als erste greifbare Persönlichkeit tritt uns 1559 Gorddart Vonnk entgegen, bis 1568 teils zu Scheven, teils zu Wallenthal wohnhaft, selber die Bleirechnungen als Goeddert Punder von Scheven unterzeichnend. Der Familienname Vonnk kann nicht angezweifelt werden, nicht minder auch die Verwandtschaft mit den etwas späteren Schultheißen Peter Func von Kalenberg und dessen Bruder Johann, Schultheiß zu Glehn; wahrscheinlich ist auch Familienzusammenhang mit den Fonk (Funk) im Schleidener Tale, deren Ahnherr Thönnes Fonk, Burggraf zu Dreiborn und Praetor zu Olef, und 1565 im Alter von über 80 Jahren verstarb. Die von Goeddert über (des) Ponters Peter, Schatzeinnehmer zu Kall-Heistert, 1561 bis 1582, Peter den jung Punder, ebenda 1601 bis 1623, Tilman Punder, Halfen auf dem v. Nesselrodeschen Hofe und Schöffen zu Hostel 1603 bis 1683, Sohn, Enkel und Urenkel, abstammende heute noch blühende Familie Pünder hat allerdings nicht den Namen Funk, sondern den Amtsnamen des Urahns geführt, ohne das Amt weiter zu bekleiden, wenngleich Peter Punder, Vater und Sohn, noch bei demselben tätig gewesen sein mögen. Als offizieller Amtsträger zeichnet von 1568–1596 Philipp Winhaller, Bleiwäger zu Scheven, aus der Kaller Kauf(Wein)-Händlerfamilie, der auch die Mutter Sleidans, Elisabeth Winheller, entstammte 11). Sein Nachfolger war Paul Peugen, aus der Schleidener Reidtmeisterfamilie, als Kannengießer bezeichnet 12), zugleich Schultheiß zu Kall-Keldenich bis zu seinem tragischen Ende, da er 1606 von einem Schleidener Soldaten „jämmerlich tödlich geschossen“ wurde. Ein Verwandschaftsverhältnis zwischen den genannten Amtsträgern liegt nicht zutage; wohl folgte des letztern Schwiegersohn Konrad Rahm, seines Zeichens Feldscher und Barbier, legte aber 1611 bereits das Amt nieder, da er davon nicht leben könne. Unter ihm hatte Peter Lückerath 13) drei Jahre lang die Waage bedient. Herrschaftlich Sinzenicher Praetor zu Scheven, vom Bergvogt als sehr beliebt und fromm empfohlen, hatte seine Bewerbung um das Amt gleichwohl weder 1611 noch 1627 Erfolg. Dasselbe kam wieder an die Familie Funk, und zwar an den jüngsten Sohn des alten Praetors Peter von Kalenberg, dessen Tochter der Bergmeister Lenz geheiratet hatte. Der neue Punder, der seinem Vater bereits 1592 im Schultheißenamte zu Kalenberg gefolgt war, nannte sich dann auch Herman Callenbergh 14). Bei seinem Tode 1627 vererbte er beide Ämter an seinen Schwiegersohn Peter (vom) Scheid, dem 1659 dessen Sohn Ludwig (vom) Scheid folgte. Da dieser, erst vierzigjährig, 1673 stirbt, erscheint vorübergehend bis 1685 Peter Lang, ein Mitglied der alten Stürzerfamilie, die wir noch kennen lernen werden, im Amte des Punders. Bei dessen Absterben folgt mit dem „ehrenwerten Churfürstlichen Wagenmeister“ Thilman Hüttenjans, der bereits 1679 die Jahresrechnung unterschrieben hatte, eine neue genealogische Reihe von Amtsträgern. Der Ahnherr dieses erfolgreichen Geschlechtes von Hüttenmeistern 15) – der Name Reidmeister ist am Bleiberge weniger gebräuchlich gewesen – hatte sich schon als junger Mann 1563 einen Namen gemacht: „Huet Jengen van Glehn mit seiner Gesellschaft“ und in seinem Alter noch 1612 mit Empfehlung der Herrschaft Kommern eine neue Hütte bei Roggendorf erbaut, „damit die Arburgsche underthon dem Gülischen nit nhalauffen durffen“. Von Thilmann, der ebenfalls hochbetagt um 1710 in Scheven starb, kam das Amt an seinen Sohn, den Dreiborner Schultheißen Ludwig Hüttenjans zu Kall-Heistert. Dieser war schon 1686 dem Bergmeister „adjungiert“, verdarb sich aber diese Karriere, da er das jülichsche Berggericht in Heistert auf Dreiborner Hoheit gehalten hatte. Kurfürstlicher Wagenmeister blieb er als rüstiger 86er noch bis zu seinem Tode 1740, so keiner seiner Söhne, wohl aber sein Patenneffe, der jüngere Ludwig Hüttenjans, sein Amtsnachfolger wurde, dem wiederum 1748, da dieser nur einen geistlichen Sohn hinterließ, sein Eidam Johann Harzheim folgte. In dessen langer Amtszeit, bis 1779, die zugleich eine Blütezeit des heimischen Bergbaues war, muß derselbe zu einem bedeutenden Wohlstand gelangt sein, von dem das 1786 durch seinen Sohn Wilhelm zu Kall-Heistert errichtete, heute als Winterschule des Kreises Schleiden dienende Wohnhaus, sicher eines der stattlichsten Patriziergebäude des Kreises, beredtes Zeugnis ablegt. Die steigende Bedeutung des Amtes war denn auch wohl der Grund, weshalb weiterhin bestimmt wurde, der Zehender dürfe kein Bergwerksbesitzer mehr sein. So wurde der Notar Johan Esser in Zülpich der neue Amtsinhaber; sein Stellvertreter aber, der wirkliche Funktionär, der Gerichtsschöffe Andreas Pünder zu Lückerath aus dem alten Stamm der Punder, die sich seit Tilmann der Landwirtschaft und Gemeindeverwaltung zugewandt hatten, nun aber noch einmal zum Schlusse, ehe das alte Bergamt, dem sie den Namen verdankten, auch im Strudel der Revolution versank, denselben betätigen sollten.

Das fiskalische Amt des Stürtzers oder Erzmeisters im Wildbann Kall wird zuerst erwähnt in der Bergrechnung 1598, wo Berner, Vinken 16) Franzen (von Broich bei Schleiden) Sohn, zu Scheven als Stürzer auf dem Keldenicher Berg genannt wird 17). Seine Gattin Maria Hewer heiratete in zweiter Ehe Dietrich Lang, an den auch das Amt überging. Dessen Vater war Johann der Lang oder der lang Johann von Harzheim zu Weyer, der es in einem nicht minder langen Leben von 1516 bis 1599 zum Schultheißen in Harzheim, zum Statthalter des Schultheißen in Weyer und zum Schöffen in Mechernich gebracht hatte. Als Kuriosum zur Bildung der Familiennamen sei angeführt, daß Johann der Lang aus erster Ehe einen Sohn hatte, Johann der Kurth genannt, dessen Nachkommen dann auch den Namen Kurth geführt haben, während die Söhne zweiter Ehe sich nach dem Vater Lang genannt haben 18). Nach dem Tode Diedrichs 1630 wurde, ohne daß Familienbeziehungen ersichtlich sind, zunächst Dham Zilles 19), gewesener Halfen zu Dottel, der als ein „uffrichtiger, frommer beständiger, fleißiger“ Mann charakterisiert wird, Stürzer. Bereits früher hatte er des alten Bünders Haus und Hof zu Kall-Heistert, Keldenicher Hoheit, erworben, das dann zweihundert Jahre mit dem Amte des Stürzers in der Familie weiter vererbt wurde und heute noch die öffentliche Bezeichnung Stürzerhof trägt. Dhams Nachfolger wurde rund 50 Jahre lang sein Sohn, Hubert Dahmen oder Zilles genannt, der gleichzeitig Jülicher Schultheiß zu Kall-Keldenich war. Dessen Tochter Maria heiratete den Enkel Dietrich Langs, Joest Lang, so daß das Erbverhältnis auch hier wieder hergestellt wurde. Merkwürdig, daß dieser Beamte, der zugleich Berggeschworener und Gerichtsschöffe war, sich als schreibensunerfahren bekennt. Freilich um das Kerbholz des Stürzers zu führen, brauchte er dessen auch nicht, und das hat er seit dem Tode seines Schwiegervaters (1691) an vierzig Jahre getan. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Johann Lang, der wiederum wie sein Vater und Großvater länger als ein Menschenalter hindurch das Amt versah. 1744 wurde ihm wie seinem Amtskollegen, dem Wiegemeister Ludwig Hüttenjans, das Zeugnis ausgestellt, daß sie sich „in ihrem Handel und Wandel jederzeit treu und embsig aufgeführt und verhalten“. Als Johann Lang in seinen alten Tagen – er starb 1768 – um Amtsübertragung an seinem Schwiegersohn Dietrich Thelen bat, wurde ihm dies mit Rücksicht auf seine 50 Jahre lang geleisteten guten Dienste bewilligt. Ebenso geschah es – auch eine Art Ruhestandsversorgung – bei diesem seinem Nachfolger. Dietrich starb 1796, hatte aber bereits 1788 seinen Sohn Johann Thelen zum Nachfolger erhalten. Es kam die Zeit der französischen Verwaltung. 1796 wurde der Berggeschworene Paul Klöcker zum Stürzer ernannt, der seinen Wohnsitz in Sötenich hatte. Und nochmals lese ich auf einem Totenzettel 1838 von einem gewesenen Stürzer, dem Schwiegersohne Klöckers, Paul Lütgen aus Sötenich, es dürfte der letzte gewesen sein, der diesen Titel geführt hat.

Eine bis etwa 1550–1650, die Zeit, wo die meisten ländlichen Familiennamen sich erst gebildet haben, vordringende Familienforschung wird sich nur in seltenen Fällen auf die Pfarrmatrikeln stützen können. Hier müssen bekanntlich die gerichtlichen Erbungsbücher sowie die Zensitenlisten der erblichen Kurmutgüter – Pachtgüter (Halfengüter) haben den Anpächter vielfach gewechselt – aushelfen 20). Ich glaube gezeigt zu haben, daß auch die Aufstellung von Amtslisten, für die ja besonderes reiches Quellenmaterial vorhanden ist, wesentliche Förderung bieten kann.





Anmerkungen




1-145 - 1)

Ein ausführlicher Bericht erfolgte in der Kölnischen Volkszeitung Nr. 150 vom 3. Juni 1939.

2-145 - 2)

Die Ableitung von Pfund bzw. „pong“ und die Bedeutung des Namens sind klar ersichtlich. In Urkunden des 15. Jahrhunderts findet sich derselbe wiederholt als Amts- ode Gewerbebezeichnung mehr im allgemeinen Sinne. So im kurkölnischen Amte Hardt: „Teill Punder der hat zo Kirspenich uyß dem hove van Wyngarden also viele, dat he scheffenkonich is“ ; Statutenbuch des Stiftes Münstereifel v. J. 1430. - Henning Scharpenberg, Erzbischof von Riga, trägt 1444 einen Johan Punder ein Stück Land vor der Stadt Kokenhusen „in eynem vryen manleenrechte“ auf; von Bruiningk & Busch, Livländische Güterurkunden I nr. 315.

1 - 147 - 3)

Das Kaller Bergweistum ist in der Fassung von 1494 abgedruckt in Lacomblets Archiv III, S. 217. Ein jüngerer vielfach abweichender Text - um das Jahr 1600 - im Familienarchiv Pünder.

2 - 147 - 4)

Die Rechnungen desselben und die Akten des Oberbergamts Bonn im Düsseldorfer Staatsarchiv bilden die Hauptquelle für das Folgende.

1 - 148 - 5)

Man vergleiche die Abrechnung des Bergzehnten durch den Burggrafen zu Heimbach mit der des Rentmeisters zu Schleiden: „der blyezyende hait dit jaire gedan overmitz eyne kerff, de bergmeister ind pontter samen gehadt hant, 258 tzynder bleyss; dat kerf wir uyßeynander gesneden; de berchmeister ind pontter eyne deille ind ich dat andre behalden.“ Burggräferei-Rechnung Heimbach 1503/4. Die Schleidener Rechnungen von 1479 und 1480 nach Kelleter, a. a. O. S. 64 und 57: „Item hain ich gerechnet den berchzinden van deme Steyneberge mit Mathee und Heinrich (Pontzelers) overmitz den berchmeister ind dat kerff“. Für eine einzelne Familie erscheint aber auch ein Bergzehnt in der angegebenen Höhe sehr unwahrscheinlich, zumal in der damaligen Zeit.

2 - 148 - 6)

Emmerich (Embrich) von Kall * um 1525, † 1605. Unter seinen Erben und zur Bergmeister-Familie gehörend, wohl Bruder von Ludwig, wird auch genannt Heinrich von Call, der 1610 in Zülpich den Bürgereid ablegt. Staatsarchiv Düsseldorf, KK. Gerichte Zülpich, nr. 180 und Stadtarchiv Zülpich Ratsprotokoll B. Dessen Sohn, Laurentius Call, Bürgermeister von Zülpich und Schultheiß von Merzenich und Langendorf, ertrank in der Erft, als er dieselbe zu Pferd passieren wollte. Seine mit Elisabeth Hambloch erzielten Söhne bekleideten in der Folge hohe jülicher Staatsämter. Dieser Zülpicher Familie Call entstammte mütterlicherseits auch der um die rheinische Geschichte hochverdiente Vikar Bartholomaeus Alfter, welcher in seinem Genealogischen Lexikon, Bd. A - G, S. 159 eingehend über die Nachkommenschaft von Laurentius Call berichtet, während die Angaben über dessen Vorfahren ungenau und lückenhaft sind.

1 - 149 - 7)

Ein weiterer Sohn Ludwig Emmerichs sei noch genannt, welcher 1610 auf den Namen Emmerich (=Heinrich) getauft wurde und 1669 als Schultheiß der Abtei Steinfeld daselbst starb. Er erscheint in den Urkunden unter drei Namen: Emmerich Emmerichs, Lodvici Emmerich, und Emmerich Call.

2 - 149 - 8)

Pfarrmatrikel Reiferscheidt, Bürgermeisteramt Hellenthal.

3 - 149 - 9)

Pfarrmatrikel Olef, Pfarramt daselbst. - Beides alte Bleiberger Familien. Der Großvater David Brandt war Blankenheimer Schultheiß, Rentmeister und Steiger zu Mechernich, wie auch schon der Urgroßvater Valentin Brandt; daselbst noch der von letzterem gemäß Hausinschrift 1669 erbaute Brandtshof. - Unter den Schöffen zu Weyer wird bereits 1574 ein Drees Hochgürtel genannt, dessen Sohn Simon (wahrscheinlich der Vater der drei aus Weyer stammenden Brüder Peter Hochgürtel, Pfarrer in Mechernich ab 1642, Johann Hochgürtel, Pfarrer in Olef und Matthias Hochgürtel, Dreiborner Schultheiß) 1666 in Gemünd Magdalena Schöller nach deren Konversion zur katholischen Kirche heiratete, - die Großeltern des Bergmeisters. v. Harffsches Archiv, Gemünd I, nr. 69 F. Vgl. auch Beiträge zur Geschichte der Familie Schöller, S. 117 f.

4 - 149 - 10)

Die Familie stammt aus Baakhoven zwischen Roermond und Sittard. Über die Bachofen zu Echt gab Kaspar Keller ein Urkundenbuch heraus. Bonn bei Hanstein, 1907. Über deren Bergwerksbesitz im Erzgebirge schrieb derselbe in der Festschrift zur 400jährigen Jubelfeier der Stadt Annaberg 1896.

1 - 150 - 11)

Auch nach volkstümlicher Formung „Weinhandtler“; „Fleips zo Kaell, - Urgroßvater des Bleiwägers - hat de kyrchenmeister van dem jair (15)38 4 quart wyns, de quart 28 heller aeff zo rechnen“. Pfarrarchiv Keldenich, Ältestes Kirchenbuch, S. 14.

2 - 150 - 12)

Verbindung zur Stolberger Messingindustrie ! Im 17. Jhd. ist die Familie: Wilhelm, Matthias und Abraham Peuchen, auch am Jülicher und Kommerner Bleiberg beteiligt.

3 - 150 - 13)

Peter Lückeraths Tochter Sibilla heiratete Wilhelm Becker zu Düren und wurde durch die Heirat ihrer Tochter Margaretha mit Tilman Kesselkaul die Großmutter des jülichschen Hofrates Dr. jur. utr. Franz Martin Kesselkaul, dessen Sohn Joh. Tilman Pet. Jos., verheiratet mit einer Klara Elisabeth von Schaumburg, das Amt eines Jülicher Wehrmeisters bekleidete. Der Bruder Peters, der Berggeschworene und Dreiborner Schultheiß zu Kall-Heistert Johan Lückerath, ist der Vater des Steinfelder Abtes gleichen Namens; von Johan Lückerath stammt auch die Euskirchener Tuchfabrikantenfamilie dieses Namens.

1 - 151 - 14)

Die durch ihre reichen Stiftungen bekannten Brüder Chrysant und Johan Josef Calenberg, jener Stiftskellner, dieser Stiftsdechant zu Münstereifel, Söhne des Kaiserl. Notars, Stadtschreibers und Bürgermeisters daselbst († 1682), sind Enkel Peters vom Scheidt. Der Vater hat in Münstereifel nicht den Namen des Vaters Scheid, sondern der Mutter Maria Calenberg geführt, vermutlich weil dieser durch frühere Familienverbindungen mit den dortigen Patrizierfamilien Schnaphan (Honsberg von Lennep) und Hörstgen bekannter war.

2 - 151 - 15)

Die zu Rang und Reichtum gekommene Familie nahm um die Mitte des 18. Jahrhunderts den Namen Huttanus an. Während der Bleiberger Zweig im Mannesstamm erloschen ist, blüht der von dem Reiferscheider Schultheiß und Gräflichen Rentmeister Joh. Stefan Huttanus begründete Zweig noch fort.

1 - 152 - 16)

Die Vyncken (Finken) sind eines der ältesten Geschlechter im Steinfeld-Schleidener Gebiet. Ob ein Zusammenhang mit den Münstereifeler Vogt Vincken Gerlach Zylich Erleborn 1425 besteht, ist fraglich. Sicher sind dieselben 1481 ansässig in Sistig, wo Vyncken Wilhelm 1504 als Gerichtsschöffe und Hofbesitzer erscheint. Er ist der Stammvater der Broicher Linie, zu der auch der Schleidener Schultheiß zu Kall, Peter Vink Sofia Schweitzer, 1699, gehört. Die im Steinfelder Urbar des Staatsarchivs Koblenz bereits 1481 erwähnten Vinken in Walen, Heistert bei Steinfeld, Weghe (?), Hellenthal (“Peter Vynken Sohn von Pronsfeld“), alles Lehnsträger des Klosters, halte ich für Mitglieder des nämlichen Geschlechtes.

2 - 152 - 17)

Etwas später 1622 erscheint das Amt auch auf dem Schleidener Berg. Kelleter, a. a. O. S. 69.

3 - 152 - 18)

Noch ein ähnliches Kuriosum von Mechernich aus der gleichen Zeit. Hier war Reinhard Holtzem, auch Langen Reinhard oder kurzweg der Lang genannt, Blankenheimer Schultheiß. Von ihm wird berichtet: „seine Vorfahren haben vorzeit die Dicken geheißen, jetzt heißen sie die Langen“. Sein Vater war Heinrich Brewer oder Heinrich der Wirt, gewöhnlich aber der Lang wie später auch sein Sohn genannt. Und der Vater Heinrichs war Arndt der Dick gewesen. Zur Bildung des entsprechenden Familiennamens ist es in diesem Falle nicht gekommen.

4 - 152 - 19)

Dham Zilles ist mit Sicherheit als Enkel von Zilles Daem dem Ältern, † 1575 zu Kall Heistert, anzusprechen, welcher der Urahn einer weitläufigen Nachkommenschaft am Bleiberge geworden ist. In manchen Zweigen ist die nach ihm sich benennende Familie Dahmen dort einflußreich geworden und hat die Schultheissensitze von Voissel-Kalenberg, Kall-Keldenich, Scheven und Lorbach innegehabt. Durch die Namensgleichheit mit einer zweiten, von Daem Wallendall, geboren daselbst 1560, sich herschreibenden Familie Dahmen und Heirat der beiden Familien untereinander, so daß auch die Vornamen vielfach die nämlichen wurden, ist allerdings der Name Dahmen ein Kreuz für die Familienforschung geworden. So gab es in unmittelbarer Nachbarschaft im Jahre 1700 eine Familie Heinrich Dahmen in Scheven und eine in Voissel, eine Familie Hilger Dahmen in Glehn und in der nämlichen Pfarre in Hostel eine Johann Hilger Dahmen, außerdem noch Familien des gleichen Namens in Heistert, Bleibuir und Wallenthal. Um in solchen gerade aus ländlichen Bezirken nicht seltenen Zweifelsfällen die Zugehörigkeit zu dem einen oder andern Familienkreise zu ermitteln, ist es unerläßlich, durch Zusammenstellung sämtlicher Kinder eines Elternpaares mit deren Paten sich ein vollständiges Familienbild zu verschaffen. Wie viele Irrtümer mögen durch Unterlassung dieser Bedingung bei arischen Nachweisen sich einschleichen!

1- 154 - 20)

Erbschaft darf jedoch nicht ohne weiteres mit Kindschaft gleichgesetzt werden. Wiederverheiratung, oft schon in den ersten Monaten nach dem Tode des Ehegatten, bildete in den unruhigen Zeiten des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts bei vorzeitigem Tode des Vaters oder der Mutter in meinem Forschungsbezirke die Regel. Alsdann wurde vielfach Einkindschaft festgesetzt, so daß die Kinder erster und zweiter Ehe gleichberechtigt erbten. Vergleiche Gülich- und Bergische Landesordnung, Düsseldorf 1696, Titel 74 ff. Dabei ist ferner zu beachten, daß auch Kinder der gleichen Mutter, aber verschiedener Väter denselben Familiennamen annahmen. -­



*) Die Numerierung der Fußnoten geschieht bei nikola-reinartz.de fortlaufend, im Gegensatz zum Original, welches spalten- und seitenweise numeriert. Zur Kenntlichmachung wurden beide Numerierungen nebeneinandergesetzt.








Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e.V., Köln, Band IX, 1936–1937, S. 145–154.


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