Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Neues zur Romantik und Geschichte des Feytales

Der Name des Feytales mit den zugehörigen Ortsnamen von Urfey und Eiserfey flußabwärts über Burgfey und Katzfey bis Satzfey und Veynau ist eines der reizvollsten Probleme unserer Heimatgeschichte. Mit gutem Einfühlungsvermögen hat Noll nach dem Vorgang älterer Forscher wie Freudenberg und Eick denselben in Verbindung gebracht mit den Feensagen des Tales. Er kommt der Wahrheit am nächsten, wo er an den Matronenkult erinnert. Den positiven Beleg hierfür haben Gissinger und Mürkens erbracht durch den Hinweis auf die Matronensteine, die auf der Höhe von Zingsheim im Quellgebiet und bei Euskirchen an der Kommerner Straße, also bei der Mündung des Feybaches, gefunden wurden. Der letztere ist ein Gedenkstein eines M. Annius Placidus und einer Bassiania Quieta an die matronae Fahineihae, die beiden von Zingsheim sind von einem Crispinius und einem Flavius Communis ebenfalls den matronis Fachineihis (Fachinehis) geweiht 1). Nach Prof. Mürkens ist in diesem Matronennamen die ursprüngliche vorkeltische-ligurische Bezeichnung der Vey = Fachina oder Bacina = die „Eilende“ enthalten 2). Ohne hierauf weiter einzugehen, möchte ich jedoch die interessante Tatsache hervorheben, daß der Matronenkult umserer Heimat, wie er in der Verehrung der Dreizahl Fides, Spes und Caritas auf dem Swister-Berg verchristlicht wurde, so auch in der Sagenwelt des Feytales fortlebt.

Ob auch der andere der antiken Sagenwelt vom Kampfe des Herkules mit dem Riesen Kakus entlehnte Name der durch die neueren Forschungen für die Vorgeschichte unserer Heimat so aufschlußreich gewordenen Kalksteinhöhle im oberen Feytale ursprünglich oder spätere Erfindung ist, bedarf einer näheren Untersuchung. Das dem Anzeiger für die Kreise Rheinbach und Euskirchen vom Jahre 1833 entnommene Gedicht in Nr. 166 des Volksblattes wurde von dem Adenauer Kaplan Heydinger 1853 in seine bekannte Sammlung von Eifelsagen und Gedichte unter dem Titel „Der Kartstein“ mit der Bemerkung aufgenommen: „Kartstein ist der ursprüngliche Name der dem Geognosten äußerst interessanten Höhle; obwohl seit einigen Jahren sie von mehreren, wahrscheinlich, weil man sich durch sie an die Höhle des Kakus im Vergil erinnert, Kakushöhle benamset“. Nun wird der Name des Höhlenfelsen von den Anwohnern aber nicht „Kartstein“ ausgesprochen, sondern gedehnt „Koatsteen“, was freilich im Moselfränkischen heute noch die gleiche Bedeutung hat, also möglicherweise auf ein hohes Alter des Namens schließen lassen könnte. Auch war die berühmte Leidenschaft des Kartenspiels zu meiner Zeit in den umliegenden Ortschaften so wenig ausgestorben, daß die „Feyer Koenmänn“ – Bergleute müssen ja immer wieder ihren Kornschnaps haben – beispielsweise „op Steffensdag“ die ganze Nacht durchhielten. Andererseits stimmt die Angabe von Heydinger, daß der Name Kakushöhle erst seit einigen Jahren datiere, auch nicht. Im Totenbuch der Kallmuther Kirche ist der Name „Kaekstein“ 1796 als allgemein gebräuchlich vermerkt: „ut vulgo dicitur“. Hier ist aber der Name des Kakus bereits deutlich ersichtlich, wenn man nicht etwa an Käks = Pranger denken will, wofür aber bei der öden Felsenklippe gar kein Anhaltspunkt gegeben ist.

Daß die Römer hier oben gewesen sind, ist durch die Zuleitung des Römerkanals am Fuße des Felsen, vielleicht auch durch den Ringwall auf demselben, jedenfalls durch die zahlreichen Münzen, die beim Würfelspiel in der halbdunkeln Höhle verloren gingen, von denen einige Konstantine, ein paar Quintilli und ein Gallien, wie frisch von der Präge kommend erhalten, in meinen Besitz gelangten, klar erwiesen. Wie dieselben nun aber im Brohltal dem Hercules Saxanus einen Weihestein gesetzt haben, so könnten sie sich auch hier bei der Bearbeitung des harten Travertin zum Bau der Wasserleitung des Felsenzertrümmerers erinnert haben, wie ja auch der Herkelstein in der Nähe römischer Kalköfen bei Holzheim an den gewaltigen Halbgott erinnert. Die zahlreichen Knochenfunde vom Höhlenbären dürften dann weiter zur Ausspinnung der Sage von der Rinderherde geholfen haben. Vor allem aber entsprach die Oertlichkeit vollkommen der Schilderung der Höhle des Riesen Kakus im Vergils Aeneis VIII, 190 ff.:

„Erst nun schaue den Fels der schroff mit Gesteinen daherhängt,
Wie auseinander die Blöcke gesprengt, wie verödet des Berges
Wohnung steht, und Geklipp in unendlichem Schutte gehäuft liegt:
Dort war einst die Höhle mit tief eingehender Windung,
Welche der Halbmensch Kakus bewohnt, ein entsetzliches Scheusal –“.

Endlich sind noch zu erwähnen die beiden auffallenden Naturbilder des triumphierenden und toten Riesen, deren Profil aus dem Felsgestein in einer solch täuschenden Aehnlichkeit und Schärfe herausgemeißelt erscheint, daß ich ihnen unter den vielnamigen Steinbildern der Alpen noch nichts zur Seite stellen könnte. Wenn man drunten von dem Fußpfad an der alten Oelmühle unfern der römischen Wasserleitung gegen die Felswand hinaufschaut, so erblickt man das eine in Gestalt einer riesigen Totenmaske sich gegen den Horizont abheben, deren einzelne Gesichtsteile, Hals und Brust klar und bestimmt erkennbar sind. Geht man dann einige Schritte den Pfad abwärts, sieht man den Kopf eines zweiten Riesen zwischen den Tannen erscheinen, majestätisch aufgerichtet, ein Bild voll Stolz und Kraft. Das alles zusammengenommen gibt eine vollgültige Erklärung, wie Fels und Höhle zu dem antiken Namen gekommen sind, mag es nun der Römer selber gewesen sein, der die Sage des alten Latiums in die Eifel getragen hat, oder was näher liegt, in späterer Zeit ein Vergilbegeisterter Lehrer vom Jesuiten=Gymnasium im nahen Musenstädtchen hier zuerst in glücklicher Anpassungsgabe seinen Schülern eine anschauliche Einführung in die Sagen des klassischen Altertums geboten haben. In der Gegenwart hat der Name Kakushöhle sich ziemlich eingebürgert und wäre auch der „Kaekstein“ dem Kartstein vorzuziehen, läßt sich ja auch ein innerer tieferer Sinn diesen Namen nicht absprechen. Die Sage von Herkules, dem Göttersohn, der den Unhold Kakus besiegt und unschädlich macht, versinnbildet ja treffend jene gewaltigen Katastrophen der Urzeit, von denen uns die hoch über dem Feytal vom Wasser ausgewaschenen Höhlen, die gewaltigen auseinandergesprengten und zur Tiefe geschleuderten Blöcke, die von der Talsenke durchbrochenen Gebirgsschichten künden, lauter Zeugen eines tausend- und abertausendjährigen Ringens der Naturkräfte, ehe das Feytal die freundliche Wohnung der Menschen wurde.

Wir kehren zurück zu den mütterlichen Fahineihae, die dem Tale dann seinen anmutigen Namen gaben. Derselbe ist uns zuerst im Jahre 867 überliefert, wo König Lothar II. einen edlen Otfried in villa Feya im Eifelgau Hofesgüter antauscht, die dann 893 in Veye bei Nöthen im Besitz der Abtei Prüm sich finden 3). Aus dem Zusammenhang wie aus der Besitzfolge des Eifelmünsters, der Tochtergründung von Prüm, geht klar hervor, daß es sich hier nicht um Satzvey, wie Mürkens meint, sondern um Eiserfey handelt. Wohl wird Satzvey im Weistum von 1395 4) auch Veie genannt, niemals hat aber die dortige Kirche dem Stift Münstereifel gehört. Noll hat hier Satzvey mit Kirchsahr (Sarne) verwechselt, dessen Kirche allerdings Münstereifel von Prüm geschenkt wurde, während Satzvey noch 1550 zur Pfarrei Antweiler gehörte 5). Hier wie dort war ja auch das Stift Dietkirchen bei Bonn Grundherrin. Nicht aber in Eiserfey, wie Noll schreibt. Hier hatte wie gesagt, Münstereifel alten Prümschen Besitz in Händen, territorial gehörte der Ort zu Kurköln und zwar zum Amt Hardtburg, war auch Sitz des kurkölnischen Berggerichts – das ehemalige Essersche Anwesen unterhalb der Kapelle. Von der hier blühenden Eisenindustrie führt denn auch der Ort bereits 1344 die Namen Irsenveye 6), während Satzvey das unterscheidende Bestimmungswort erst im Weistum 1506 trägt 7). Dasselbe bezeichnet den Ort am Feybach, wo die auseinandertretenden Waldhänge das Setzen von Obst und Gemüsekulturen ermöglichen, oder auch das adelige Geschlecht der Ritter von Vey seinen Sitz hatte. Diese werden noch um 1500 genannt, während die von Noll erwähnten Ritter von Weyer bereits eine Generation früher erloschen sind.

Noch ein Wort zu Veynau und Katzvey. Im Weistum von Ober=Gartzem vom Jahre 1573 8) wird eine zu Blankenheim gehörende Herrlichkeit Kleinen Vey genannt, welches vermutlich eine im Dreißigjährigen Kriege verwüstete Siedlung in der Nähe von Veynau gewesen ist. Die Burg Veynau selber gehörte zum Herzogtum Jülich, während Blankenheim Burgvey besaß. Deren Widerpart war die Burg Katzvey in den Wiesen gegenüber den Katzensteinen, welche dem Arenberger in Kommern gehörte und noch Ende des 18. Jahrhunderts stand 9). Ein Ritter Clais von Katzfey wird 1524 mit Burgfey von Blankenheim belehnt 10). Der sonderbare Namen dürfte in Wirklichkeit mit Belagerungswerkzeugen, auch Katzen genannt, des Mittelalters zusammenhängen; man vergleiche auch die Bezeichnung Katzenköpfe für Böller. Dagegen gehört der von Noll erwähnte, bei Katzfey gefundene „Mammutskiefer“ in der an solchen Funden reichen Sammlung des Herrn Malers Schmitz in Mechernich bestimmt der Sage an. Als ich denselben vor vielen Jahren zu Gesicht bekam, stellte er sich als ein simpler Pferdekiefer dar – vermutlich von dem untergegangenen Roß des letzten Ritters von Katzfey!

Rtz.

  1. Riese, Das rheinische Germanien in antiken Schriften, Nr. 3134–3136.

  2. Mürkens, Orts- und Bachnamen des Kreises Euskirchen, S. 13 ff.

  3. Beyer, Mittelrheinisches Urkundenbuch I, S. 113 und 177.

  4. Grimm, Weistümer, II, S. 688

  5. Fabricius, Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz, V. S. 231.

  6. Tille=Krudewig, Archiv-Uebersicht, I. S. 194

  7. Grimm, Weistümer, II, S. 690.

  8. Ebenda, S. 688

  9. Roggendorf, Mechernich, S. 23.

  10. Strange, Beiträge zur Genealogie, 9, S. 29.





Euskirchener Volksblatt, Nr. 178, 1.8.1942.



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