Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, |
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Wundergeschichten um das
Heimbacher Gnadenbild Die Entwicklung der Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter nach Mariawald ist zweifellos stark beeinflußt worden durch die Erzählungen von wunderbaren Vorgängen, die sich an das heute in Heimbach befindliche Gnadenbild knüpfen. Wir haben über diese Wundergeschichten kaum Aufzeichnungen. Eine klare Anzahl von ihnen ist uns in einer Niederschrift erhalten geblieben, die fast 200 Jahre alt ist, und zwar in einem Sammelband, der in der Hauptsache Kirchenbücher enthält (jetzt auf dem Bürgermeisteramt Heimbach). Der Verfasser dieser kurz vor 1750 entstandenen Aufzeichnungen ist wahrscheinlich ein Pater des ehemaligen Zisterzienserklosters Mariawald, das bekanntlich im Jahre 1804 der Auflösung verfiel. Die Tatsache, daß diese Niederschrift zusammen mit den Kirchenregistern an das Bürgermeisteramt Heimbach gekommen ist, läßt vermuten, daß sich diese Aufzeichnungen bei den Akten des Heimbacher Pfarrers befanden, aus dessen Gewahrsam sie zusammen mit den Kirchenbüchern an die Zivilverwaltung übergegangen sind. Das legt den Schluß nahe, daß der Verfasser dieser Aufzeichnungen einer der mit der Verwaltung der Heimbacher Pfarrstelle, die bekanntlich dem Kloster Mariawald einverleibt war, beauftragten Mariawalder Patres gewesen ist. Die im gleichen Sammelband enthaltenen Aufzeichnungen über die Haferrenten des Heimbacher Offermanns (Küsters) verstärken diese Vermutung. Vorab ein Wort zu diesen Mirakelgeschichten: Sie spiegeln die ganze naive Frömmigkeit jener Zeiten wider und bewegen sich durchaus in dem Rahmen, den wir von solchen Wundergeschichten anderer Wallfahrtsorte aus dieser Zeit kennen. Gemessen an Zahl und Mannigfaltigkeit der geschilderten Vorgänge kommen sie der Bedeutung der Wundergeschichten anderer Orte nicht nahe. Aber sie sind auch heute nicht ohne Interesse. Nicht nur weil sie Einblicke gewähren in die Geisteshaltung und das religiöse Leben unserer Vorfahren, sondern auch weil sie manchen kulturgeschichtlichen Hinweis enthalten, aber auch die eine oder andere familiengeschichtlich interessante Angabe bringen. Dazu geben sie einige Anhaltspunkte für die räumliche Verbreitung der Wallfahrt nach Mariawald in jenen Jahrhunderten. Darum dürfte sich die Veröffentlichung dieser Mirakalgeschichten, die bisher noch nicht gedruckt worden sind, rechtfertigen. Die Heimbacher Aufzeichnungen tragen die längliche Ueberschrift: De Variis Miraculis in loco Nemoritano vulgo St. Mariaewald per Beatissimam dolorosam Virginem Mariam Matrem Dei ab anno 1638 patratiis (Ueber verschiedene Wunder, die sich durch die allerseligste Schmerzhafte Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, seit dem Jahre 1638 in Mariawald ereigneten). Die erste Wundergeschichte führt in den dreißigjährigen Krieg, als die Niederländer die Gegend unsicher machten: Als eines Tages im Jahre 1638 neun holländische Soldaten (turba Batavarum Trajectensium) an der Klosterpforte eine Stärkung verlangten, verspotteten sie das Gnadenbild. Zwei Soldaten entfernten sich unwillig ob dieser Lästerung. Die anderen sieben starben kurz danach eines grausamen Todes und ihre Leichname wurden wie Tiere auf den Misthaufen geworfen. Die beiden Ueberlebenden brachten die Kunde davon zum Kloster. Mit der zweiten Mirakelgeschichte beginnt die lange Reihe wunderbarer Heilungen: Ein gewisser Johannes aus der Dreiborner Gegend (ex pago Dreyborn) litt stark unter einer Verwirrung seiner Sinne; er war sogar seit seiner Geburt vom Teufel besessen (a diabolo obsessus). Gattin, Söhne, Töchter und Nachbarn waren darüber sehr betrübt. Schließlich erklärte im Jahre 1638 der Unglückliche, ihm könne nur in Mariawald durch die Vermittlung der Muttergottes geholfen werden. Mit seinen Söhnen hielt er sich dann eine Zeitlang in Mariawald auf, und dort erhielt er seine Gesundheit wieder. Im selben Jahre erlangte auch eine Frau aus Wollseiffen hier ihre gesunden Sinne zurück, ebenso zwei Jahre später Elisabetha Dahmen, die Frau von Thomas Pleuß aus derselben Gegend. Als im Jahre 1640 am Feste Mariä Himmelfahrt ein vornehmer Kalvinist aus Nideggen die Kräuterweihe zu Ehren der Muttergottes in Mariawald verlachte, wurde unmittelbar darauf seine Fruchtscheune durch einen Blitzstrahl in Brand gesetzt, so daß sie mit einigen Nachbargebäuden niederbrannte. Dann folgen zwei Mirakelgeschichten, in denen die Burg Dreiborn eine Rolle spielt: Als am 23. Januar 1741 ein schweres Gewitter ausbrach und ein Blitzstrahl in die Dreiborner Burg einschlug, so daß die Einwohner ihre Vernichtung mitsamt der Burg durch den Blitz befürchteten, flehte die Burgherrin (generosa Domina istius Castelli) vertrauensvoll die Hilfe der Muttergottes an und gelobte eine Wallfahrt nach Mariawald. Darauf hörte sofort das schreckliche Unwetter auf, ohne daß jemand Schaden davon getragen hätte. Aber zwischen zwei völlig zerstörten Gebäuden löste sich infolge des Donners ein Stein und stürzte in den Burggraben, ohne jemanden zu verletzen (sed inter duo aedilicia omnino ruinosa decidit lapis iste ex tonitru causatus in stagnum, illaesis omnibus). Aus der Fassung ist nicht ersichtlich, ob diese Gebäude durch das Unwetter zerstört wurden oder schon vorher Ruinen waren. Die eingehende Baugeschichte der Burg Dreiborn in Wackenroders Kunstdenkmälern des Kreises Schleiden (S. 255 ff.) kennt diese teilweise Zerstörung der Burg nicht. Als im selben Jahre die Edelfrau von Dreiborn in schwerer Krankheit ein Gelübde nach Mariawald machte und dorthin Opfergaben zu Ehren der Muttergottes schickte, wurde ihr die Gesundheit sofort wiedergegeben. Ich kann im Augenblick nicht feststellen, um welche Freifrau von Harff auf Burg Dreiborn es sich dabei gehandelt hat. Im Jahre 1680 ist eine Anna Katharina geborene Fretin von der Horst als Herrin in Dreiborn bekannt: ein anderer Freiherr von der Horst in Boisdorf bei Lendersdorf spielt in der letzten Mirakelgeschichte wie wir sehen werden eine Rolle. Die nächste Mirakelgeschichte gibt uns Kunde von einem Erdbeben in unserer Heimat: Danach entstand am 3. Mai 1741 im Monschauer Land (in terra Mojaviensi) ein furchtbares Erdbeben, das alle Gebäude erschütterte und die Glocken auf den Türmen zum Läuten brachte, so daß die Einwohner fürchteten, mit den Gebäuden, dem Vieh und ihrem anderen Besitz auf einmal lebendig von der Erde weggenommen zu werden. Sie flehten Gott voll Demut an, daß das Erdbeben aufhören möge. Als aber das Erdbeben einige Zeit hindurch unverändert anhielt, machten sie eine Wallfahrt nach Mariawald und brachten der Gottesmutter als Opfergaben zwei riesige Kerzen (duos cereos ingentis quantitatis); mit Tränen in den Augen flehten sie die Hilfe der Muttergottes an und mit großer Zuversicht kehrten sie nach Hause zurück, wo das Erdbeben sofort aufhörte. Dann folgen wieder Heilungsgeschichten: So die eines Dürener Bürgers im Jahre 1741, der in schwerer Krankheit eine vergoldete Münze (Numisma auro vestitutam) am Tage Mariä Heimsuchung opfert und seine Gesundheit wiedererlangt. Am selben Tage wird eine Heimbacher Frau, die eine zweipfündige Kerze gelobt, von langem Fieber geheilt. Dann folgt wieder eine hundert Jahre ältere Heilungsgeschichte, die eines Heimbacher Mädchens, der Tochter von Werner Herff aus dem Jahre 1643. Als ihre Eltern sie in Mariawald dem Muttergottesbild vorstellten, wurde das Kind wieder gesund. Dann wieder ein Vorfall aus dem Dreißigjährigen Kriege: Im Jahre 1644 fielen zwei Einwohner aus Weyer unweit des Klosters in die Hände der Feinde, nämlich der Hessen. Auf die Anrufung der Muttergottes hin konnten sie wunderbarerweise entfliehen. Von der feierlichen Verkündigung einer wunderbaren Heilung berichtet die nächste Geschichte: Der Frater Nikolaus aus Glehn (glehenensis), Laienbruder im Zülpicher Kapuzinerkloster, der im Jahre 1739 lange an einem bösartigen Fieber litt, machte ein Gelübde nach Mariawald. Unmittelbar danach erhielt er, was er durch die Hilfe der Aerzte nicht erreichen konnte, seine Gesundheit wieder; mit Erlaubnis seiner Oberen hielt er jedes Jahr in Mariawald vor dem Gnadenbild seine Danksagung. Diese wunderbare Heilung wurde im gleichen Jahre durch den Prämonstratenser Milo Cremer aus Steinfeld, der als Pfarrer an St. Martin in Zülpich wirkte, in der Mariä Heimsuchungsoktav in Gegenwart einer sehr großen Pilgerschar öffentlich in Mariawald verkündet. Die nächste Wundergeschichte führt ins Nonnenkloster in Bürvenich: Die Edelfrau N. von Agris aus Weiden bei Aachen hat ihre Tochter Barbara, Novizin in Bürvenich, mit Erlaubnis des Abtes Ferdinand Hartman von Heisterbach nach Mariawald gebracht, die vor dem Gnadenbild Heilung von einer fieberhaften Erkrankung fand. Das geschah unter dem Prior Alberich Zander, der (nach Goerke) aus Düren stammte und von 1722 bis 1725 Prior war. Die wieder genesene Novizin legte in seine Hände im Kapitelgebäude in Mariawald (in domo Capitulari) in Gegenwart des gesamten Mariawalder Konvents ihr feierliches Ordensgelübde ab. So wurde das Mönchskloster Mariawald zum Schauplatz der Profeß einer Klosterschwester. Auch die letzte Wundergeschichte betrifft eine adelige Familie unserer Gegend: Diesmal den Freiherrn Karl von der Horst auf Haus Boisdorf bei Lendersdorf, den Vater des letzten Abtes von Kornelimünster, Karl Kaspar von der Horst. Der Freiherr Karl von der Horst erklärte am 2. Februar 1728 unter Eid, daß er auf die Vermittlung der Muttergottes hin durch das Gelöbnis einer Wallfahrt nach Mariawald von einem hartnäckigen Fieber befreit wurde. Zum Beweis dessen hinterlegte er eine durch Aktuar Johannes Heinrich Bongardt in Heimbach beglaubigte und doppelt gesiegelte Urkunde. Damit bricht die Reihe der in dem Heimbacher Sammelband aufgezeichneten Mirakelgeschichten ab. Ein Teil der darin genannten Persönlichkeiten ist geschichtlich nachweisbar. Das gibt ihnen eine gewisse Bestätigung ihrer Wahrheit. Aber noch mehr spricht dafür die schlichte, von jeder Ausschmückung einer erfinderischen Phantasie sich völlig freihaltende Art der Erzählung und der Verzicht auf die Schilderung besonders auffälliger und sensationeller Vorgänge, denen man in den Mirakelgeschichten anderer Wallfahrtsorte begegnet. Man mag sich im einzelnen zu diesen Erzählungen stellen wie man will: Man wird in ihnen immer wieder die ehrfurchtsvolle Verehrung der Muttergottes in Mariawald durch unsere Vorfahren bestätigt finden. |
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Heimatblätter, Beilage zur Dürener Zeitung, Nr. 6, S. 43-45, 21.3.1935. |
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