Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
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Daniel von Wichterich, ein rheinischer Prälat aus der Zeit des Avignoneser Exils.


Bericht (Auszug)



... An zweiter Stelle behandelte Pfarrer Nikolaus Reinartz (Kreuz-Weingarten, Kreis Euskirchen) das Thema: Daniel von Wichterich, ein rheinischer Prälat aus der Zeit des Avignoneser Exils. Vortrag von N. Reinartz auf der Versammlung des Histor. Vereins für den Niederrhein am 17. Mai 1926 in Euskirchen.

Im Pfarrarchiv zu Frauenberg bei Euskirchen befinden sich eine Reihe Urkunden aus den Jahren 1374–1384, die fortlaufend Memorienstiftungen für „Bischof Daniels Seele van Virden“ enthalten. Wer war dieser Bischof von Verden? Von Heister in seinem Werk „De suffraganeis Coloniensibus“ und Hartzheim in seiner „Bibliothea Coloniensis“ unter die verdientesten und gelehrtesten Männer seiner Zeit gerechnet, ist er von der Verdener Geschichtsschreibung masslos geschmäht worden; erst durch Sauerlands Vatikanische Regesten hat sein Lebensbild festere Linien und deutliche Gestalt gewonnen.

Daniel, von seinem Geburtsörtchen Ober-Wichterich, in der Pfarrei Frauenberg gelegen, gewöhnlich zubenannt, scheint daselbst um das Jahr 1290 einer nichtadligen Familie entsprossen zu sein; nach einer Notiz in einem alten Kirchenbuche hätte sein Familienname Schwan geheissen; als Daniel Schwan de Wichterich wird er auch unter den Landdechanten des Zülpicher Dekanates genannt, wenngleich diese Angabe noch nicht genügend geklärt ist. Seine Ausbildung erhielt der mit ganz seltener Begabung ausgestattete Dorfjunge bei den Karmelitern in Köln, dem Orden, der im 13.–15. Jahrhundert vor allen andern Orden im Kölnischen die grösste Anzahl gelehrter Theologen hervorgebracht hat, wie er auch die meisten der Kölner Weihbischöfe jener Zeit gestellt hat. In rascher Folge und in noch jugendlichem Alter zum Lehrer der Theologie, zum Definitor und Provinzial der gesamten deutschen Ordensprovinz aufgestiegen, legte er diese Würde jedoch bald nieder, um an der Pariser Universität als erster deutscher Karmelit den Doktorhut zu erwerben.

Im Jahre 1320 finden wir Daniel v. Wichterich unter dem Titel eines Bischofs von Mentone (im damals venezianischen Achaja gelegen) als Weihbischof des einflussreichsten der deutschen Landesfürsten, Balduins v. Luxemburg, in Trier. Die wichtigsten Dienste leistete er diesem in den Jahren 1342/43, wo er als Gesandter des Trierer Erzbischofs am päpstlichen Hofe in Avignon dessen Aussöhnung mit dem Apostolischen Stuhle bewirkte und dadurch die Wahl des Markgrafen Karl von Mähren, des Grossneffen Balduins, der zugleich aber auch zum Papste Klemens VI., seinem Erzieher, in engen Beziehungen stand, zum deutschen Kaiser an Stelle Ludwigs von Bayern anbahnte. Daniel war es, der im August 1343 dem Trierer Kurfürsten den offiziellen Auftrag „de idonea persona in imperatorem eligenda“ mit sich zu Rate zu gehen, gleichzeitig aber auch geheime Mitteilungen über die Absichten des Papstes überbrachte, die drei Jahre später in der Absetzung Ludwigs und der Wahl Karl IV. sich verwirklichten.

Die Verdienste Daniels wurden durch seine Erhebung zum Bischof von Verden a. d. Aller am 27. November 1342 gewürdigt. Damit begann die eigentliche Tragik seines Lebens. Daniels Verdener Episkopat ist eines der bezeichnendsten Beispiele dafür, mit welchem Misstrauen und Misslieben manche Massnahmen der Avignoneser Päpste, insbesondere die Besetzung der bischöflichen Stühle unter Uebergehung des herkömmlichen Wahlrechtes der Domkapitel in Deutschland, aufgenommen wurden. Bereits der gleichfalls im Wege päpstlicher Provision zum Bischof von Verden ernannte Vorgänger Daniels, Johann v. Göttingen, hatte es vorgezogen, die Verwaltung seines Bistums dem tüchtigen und beliebten Gottfried v. Werpe zu übertragen und zur schönen Rhonestadt – er war Leibarzt Johannes XXII. gewesen – zurückzukehren. Daniel sah sich genötigt, den Widerstand des zu Gottfried stehenden Domkapitels gegen seine Ernennung mit Waffengewalt niederzuwerfen; als dabei das Süderende eingeäschert wurde, kannte der Hass gegen ihn keine Grenzen mehr. Um sein Leben zu retten, ging er freiwillig 1356 nach Köln in die Verbannung, bis übers Grab hinaus von seinen Gegnern in Wort und Bild geschmäht; bezeichnend ist das ihm gewidmete schaurige Distichon: „Daniel undipes, non curat clerus, ubi stes – Sis ubicumque velis, modo non sis in coelis“.

Die Verteidigungsschriften Daniels scheinen leider verloren gegangen. Tatsache ist aber, dass er sowohl in Köln ehrenvolle Aufnahme gefunden hat, wo er wiederholt den Erzbischof Wilhelm v. Lennep vertrat, als auch vom Päpstlichen Stuhle noch kurz vor seinem Tode 1363 mit einem wichtigen Auftrage betraut wurde. Seine Ruhestätte hat der vielgeprüfte Mann, den sein Geschick soweit umhergeworfen hatte, in der rheinischen Heimat, im Dome zu Altenberg, in der Reihe der dort ruhenden Kölner Weihbischöfe gefunden. Der Heimat hat er ja auch zeitlebens ein treues Andenken bewahrt. Möge es denn der Heimatforschung gelingen, das Dunkel, das noch vielfach über den Geschicken Daniels von Verden liegt, zu enthüllen, um dadurch noch klarer herauszustellen, dass sein glänzender Aufstieg seiner persönlichen Tüchtigkeit, sein tragischer Fall wohl zumeist den unglücklichen Zeitumständen zuzuschreiben ist.

Im Anschluss an diese ebenso wie die von Steinbach durch den lauten Beifall der Versammlung belohnten Ausführungen hob der Vorsitzende hervor, dass sie in eine Epoche hineingeleuchtet hätten, die bisher nicht gerade ein Schosskind der rheinischen Geschichtsforschung gewesen sei, und dass sie eine hochinteressante Persönlichkeit aus dem Rheinland einmal vorläufig umrissen hätten, über die bisher nur ganz vage Angaben vorlagen. Um so wärmer sei der Dank an den Herrn Redner, der sich einem solchen Gegenstand, obwohl fern von den Arbeitsstätten gelehrter Forschungen lebend, widme.

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Bei dem gemeinsamen Mittagsmahl des Kerns der Teilnehmer im Hotel Joisten, das sich ihr anschloss, wurde über den guten Gaben aus Küche und Keller des genius Loci und der ideellen Ziele unseres Vereines nicht vergessen. Der Unterzeichnete begründete sein Hoch auf die Stadt Euskirchen mit dem trotz ihrer langen Geschichte und der industriellen Umstellungen und Rückschläge der letzen zwölf Jahre auch heute in ihrer herrschenden Reg- und Strebsamkeit. Dechant Ganser toastete nach warmem Gedenken an die Euskirchener Heimatforscher Gissinger und Simons auf unseren in umfassendem Sinne Heimatforschung treibenden Verein und seine Leitung. Prof. Dr. Ness (Bonn) würdigte in geschickter Anknüpfung an einen eben hinter ihm liegenden Aufenthalt in Avignon warm die Ausführungen von Pfarrer Reinartz und den Dreiklang der diesmaligen Vorträge überhaupt und liess die Redner und den noch seiner Aufgabe harrenden Führungsleiter hochleben.

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Bonn

A. Schnütgen





Zum Vortrag von N. Reinartz auf der Versammlung des Histor. Vereins für den Niederrhein am 17. Mai 1926 in Euskirchen. Urschrift im Familienarchiv, Besprechung in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 109, 1926, S. 162–166.


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