Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, |
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Die alten
Glasgemälde aus dem Kreuzgang der Abtei Steinfeld Als im Juli letzten Jahres die Nachricht durch die deutschen Zeitungen ging, daß kostbare Glasgemälde des 16. Jahrhunderts aus der Abtei Steinfeld für die Summe von 550.000 Mark in London versteigert und in den Besitz des Victoria und Albert Museum übergegangen seien, wurden weiteste Kreise auf den Wert dieser Kunstschätze aus der Eifel aufmerksam. Bis zum Jahre 1908 hatte man von ihrer Existenz bei uns in Deutschland überhaupt keine Ahnung. Das einzige, was man wußte, war was Bärsch, Kloster Steinfeld, S. 19 berichtet: Abt Johann VI. ließ die Fenster zwischen zwei Pfeilern des Kreuzganges durch einen ausgezeichneten Glasmaler, Gerhard Remisch, malen; das Ende der Arbeit erlebte aber der Abt nicht. Durch einen glücklichen Zufall und ein merkwürdiges Zusammentreffen erhielt dann die Welt Kunde sowohl von der Erhaltung wie der Bedeutung der Steinfelder Glasgemälde. Eifersüchtig wurden sie von Earl Brownlaw als schönster Schmuck seiner Schloßkapelle in Ashridge Park bei London gehütet, bis der Lord infolge Verarmung 1928 sich veranlaßt sah, sie durch Sotheby and Co. zur öffentlichen Versteigerung zu bringen ein Ereignis auf dem Londoner Kunstmarkt. In der Ankündigung heißt es: Ueber den Wert der Scheiben kann keiner zu hoch urteilen; es sind Perlen in Qualität ... , eine zweite Reihe Glasgemälde von diesem Charakter, Ausmaß und Alter in Privathänden käuflich zu finden, ist praktisch unmöglich! Als Entdecker und einer der wenigen Heimatgenossen, welche diese Kunstjuwelen bislang zu Gesicht bekamen, folge ich gern der Aufforderung der Redaktion, über den glücklichen Fund den Lesern einiges zu erzählen. Im Jahre 1910 veröffentlichte H. Oidtmann im Trierer Archiv eine Steinfelder Handschrift vom Jahre 1632, die ein vollständiges Verzeichnis der in der Zeit von 1527 bis 1557 im Kreuzgange der Abtei angebrachten Glasgemälde enthält. Danach besaß Steinfeld einen außerordentlichen reichen Fensterschmuck, eine Bilderbibel in des Wortes wahrer Bedeutung. Gegenstand der Darstellung war in 75 Hauptbildern die gesamte Heilsgeschichte, beginnend mit Engelsturz und Sündenfall, durchgeführt in der Geburt und Kindheit, Leben und Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn bis zum Weltgericht, endigend mit einem Blick in das Reich Gottes im Himmel und das Reich Luzifers in der Hölle. Dazu kam fast die doppelte Anzahl von Darstellungen in den Bogen und Maßwerklichten, die in reicher Fülle Vorbilder und Prophetensprache des alten Testaments enthielten. Eine heimat- und kulturgeschichtlich wertvolle Zugabe bildeten endlich nochmals 75 Gemälde, Darstellungen der Stifter und ihrer Patrone. Eine Zusammenstellung ergibt, daß das Gesamtkunstwerk von der Abtei Steinfeld und den ihr unterstellten Stiftern und Pfarreien geschaffen wurde. Wir lesen da die Namen der Aebte von Hamborn und Sayn, der Prioren von Reichenstein, Niederehe und Ellen, der Großmeisterinnen von Dünnwald und Meer, der Pröpste von Heinsberg und St. Gerlach bei Falkenburg, letzteres bereits über die Grenzen des heutigen Deutschlands hinausgehend, sowie weiterhin in Holland die Namen der Abteien St. Nikolaus in Merna, St. Bonifaz in Dokkum, Mariagarden bei Leeuwarden, in Böhmen Tepl und Strahow bei Prag. Standen diese zum Teil hochberühmten und mächtigen Stifte zum Mutterkloster Steinfeld in direktem Abhängigkeits- oder wenigstens Ehrfurchtsverhältnis, so übte dieses seinen segensvollen Einfluß indirekt in noch weit größerem Kreise aus. Der Abt von Steinfeld war als ständiger Generalvikar des Generalabtes seit dem 16. Jahrhundert mit der Aufsicht über sämtliche Prämonstratenserklöster in West- und Mitteldeutschland betraut. Von den durch Steinfeld pastorierten Pfarreien sind mit dem Bild des Kirchenpatrons, teilweise auch des Pfarrers, vertreten Krefeld St. Dionys, Erp, Schleiden, Fritzdorf, Hochkirchen, Ripsdorf, Zülpich St. Martin aus der Erzdiözese Köln, Bengen, Neuwied, Wehr aus der Diözese Trier, Obgeleen aus der Diözese Maastricht. Wir können uns denken, daß die Bilder in dem Wandelgang des Klosters (ambitus), der durch ihren Inhalt wirklich zu einem Kreuzgang, aber auch zu einer Ruhmeshalle geworden, in jahrelangem Vorübergehen und Betrachten sich den Ordensleuten, mochten sie dem geistlichen oder dem dienenden Stande angehören, so unauslöschlich einprägten, daß sie immer wieder heilsame Erwägungen anregten, aber auch ein stolzes Heimatgefühl wachhielten, auch dann, wenn sie fern dem Mutterkloster in entfernten Filialen oder auf einer einsamen Pfarrstelle standen. Leider konnte Steinfeld sich seines Schatzes nicht ungestört erfreuen. Nicht weniger als fünfmal mußten in den stürmischen Jahrhunderten nach der Glaubensspaltung bei drohender Kriegsgefahr die Gemälde, mit deren Verbleiung eine wilde Soldateska ohne weiteres ihren Kugelvorrat auffüllte, aus den Fensteröffnungen herausgenommen, in Kasten verpackt und beiseite geschafft werden. Diesem Anlaß verdanken wir gerade das Verzeichnis des Priors Latz, welches nur eine Anleitung zur richtigen Wiedereinsetzung der Scheiben sein wollte, aber auch zeigt, mit welch liebevoller Sorgfalt dies geschah, wenngleich naturgemäß mancher Schaden nicht verhütet werden konnte. Nicht weniger gefährlich wurde unseren Bildern dann der nüchterne Nationalismus der Aufklärungszeit, welcher sie, die allerdings schon vielfach beschädigt waren, endgültig entfernte, damit das Sonnenlicht durch nicht gemalte Scheiben besser einfallen könne! Mit der französischen Revolution werden sie wie das ganze Kloster unter den Hammer gekommen sein und, wie so manche rheinische Kunstschätze, den Weg über den Kanal gefunden haben. Oidtmann schließt seine Veröffentlichung im Trierer Archiv mit den Worten: Leider sind die kostbaren Denkmäler der Glasmalkunst, die einst den Kreuzgang von Steinfeld zierten ..., verloren. Das kleine Heftchen hat es wenigstens ermöglicht, die Erinnerung an die einstige Pracht und Herrlichkeit urkundlich festzulegen und wachzuhalten. Wer war denn der Verfasser, dem wir diese Erinnerung verdanken, jener Prior Latz? Das Steinfelder Konventualen Verzeichnis nennt ihn einen frommen Mann von Geist und Witz, eifrig tätig, eines längeren Lebens wert er starb im Alter von etwa 40 Jahren. Da ist es nun interessant zu sehen, wie diese Charakteristik sich in seinem Werkchen widerspiegelt. Um diesem größtmögliche Nutzbarkeit zu geben, versucht er sich immer wieder in wenig meisterhaften, für uns aber sehr wertvollen Bildskizzen, bemerkt aber gelegentlich in übermütiger Selbstverspottung: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Auch die Beigabe des am Gartenpförtchen sitzenden Mönchs wohl er selbst gehört hierher. Das Verzeichnis der Stiftsgeistlichen hat aber auch die für seine Famlienbeziehungen bedeutsame Angabe: Er war der Sohn unseres Klosterhalfen. Dessen Name ist mir nun nicht unbekannt; es ist Peter Latz, der Bruder der Girdgen Latz, der Ehefrau des Besitzers des Stürtzerhofes in Heistert, Dahm, meiner Ahnen. Diese persönliche Verknüpfung ist doch zu seltsam, als daß ich sie hier hätte übergehen sollen. War es der Geist des guten Priors, der zu gleicher Zeit, als sein Büchlein aus dem Staub der Bibliotheken wieder erstand und das Bild alter Steinfelder Herrlichkeit erweckte, seinen Nachfahren den Ueberresten derselben auf die Spur brachte. Im Jahre 1906 war bereits in dritter Auflage bei Edward Arnold in London ein Buch erschienen Ghost stories of an antiquary, das den Rektor am Kings College in Cambridge, Dr. James, zum Verfasser hatte. Unter diesen Geistergeschichten eines Altertumfreundes befand sich auch eine Der Schatz des Abtes Thomas von Steinfeld. Das Buch, welches im Eifelvereinsblatt ohne weitere Inhaltsangabe angezeigt wurde, hatte meine Aufmerksamkeit erregt. 1908 kam ich zum Eucharistischen Kongreß nach London und dachte die Gelegenheit zu benutzen, um nach den vor wenigen Jahren in Norwich wieder aufgefundenen mit unsern Steinfeldern gleichzeitigen kunstvollen Fenstern von Mariawald zu sehen. Als ich zu diesem Zwecke mir einen Reiseführer zu kaufen, mich in einem jener Bücherställe befinde, wie sie sich an Charing Cross eine ganze Straße hinab, Laden an Laden, hinziehen, sehe ich auf einmal, wie ich gerade jenes Buch unter der Hand habe, das mich weit größere Werke rheinischer Kunst finden lassen sollte, als die in St. Stephan in Norwich. Unter dem Schatze des Abtes Thomas waren nun zwar keineswegs unsere Steinfelder Glasgemälde verstanden, wie man meinen könnte; im Gegenteil, die ganze Geistergeschichte des (erdichteten!) Abtes war, wie mir der Verfasser auf meine Anfrage freundlich und offenherzig mitteilte: ich schäme mich fast es zu gestehen eigene Erfindung. Tatsächlich hatte aber Dr. James, als er im Juli 1904 die Bilderfenster der Schloßkapelle des Earl Brownlaw zu Ashridge Park inventarisierte, diesen unschwer aus verschiedentlicher Namensnennung als Steinfelder Herkunft erkannt. Selber nie in Steinfeld gewesen, in bezug auf die Geschichte der Abtei lediglich auf die dürftigen Angaben in der Gallia christiana angewiesen, war er gleichwohl unter seiner Arbeit so in den Zauberkreis der Bilder geraten, daß er aus demselben heraus jene Steinfelder Geschichte dichtete. Alsbald wandte ich mich an die Schloßverwaltung mit der Bitte um Erlaubnis zur Besichtigung der Kapelle; der Brief blieb unbeantwortet. Erst eine Empfehlung meines Gewährsmannes öffnete mir die Pforte des Ehrentempels rheinischer Kunst auf englischem Boden. Die Ueberraschung war vollkommen. Wochenlang hatte mich das Getriebe der Weltstadt mit vielgestaltigen fremden Eindrücken umbrandet, der Weg nach Ashridge Park über einsame von der warmen Herbstsonne vergoldete Heideflächen geführt, da tut sich mir inmitten eines Hochwaldes mit Rudeln von Wild nach weitem Plan das in neugotischem Stil erbaute Schloß des englischen Grafen auf, und wie mit einem Zauberschlage fühle ich mich in Ashridge Chapell in die rheinische Heimat versetzt! Als wenn ich im hohen Dome zu Köln in den Anblick der leuchtenden Pracht mittelalterlicher Kunst in den Fenstern des Nordschiffes versunken stände nur ist der Eindruck jetzt geschlossener, übersichtlicher. Sämtliche elf große Doppelfenster der Kapelle sind mit Erzeugnissen rheinischer Glasmalkunst des sechzehnten Jahrhunderts angefüllt. Ueberall stehen Namen der Heimat auf den Stifterbildern, sehen Prämonstratenser in weißem Habit, Aebte, Ordensheilige, voran St. Norbert, auf den rheinischen Landsmann nieder. Es ist Edelgut der Heimat, in der die seit römischer Zeit gepflegte Buntglastechnik gegen Ausgang des Mittelalters eine neue Blüteperiode erlebte, an der auch die Eifel im hervorragendem Maße beteiligt war; es sei außer an Mariawald noch an die Fenster in Schleiden, Kyllburg, Düren, Drove usw. erinnert, wie ja auch die den Eifler Geschlechtern von Daun und Virneburg entstammenden Kölner Erzbischöfe unter den Stiftern der Kölner Domfenster erscheinen. Aber alle diese Kunstschöpfungen, die Dombilder nicht ausgenommen, werden, was Großartigkeit und Einheitlichkeit des Entwurfes, Reichtum und Fülle der Darstellung angeht, übertroffen von der im Kreuzgange zu Steinfeld. Um so mehr berechtigt war das Gefühl der Wehmut, das sich damals in Ashridge Chapell in meine stolze Freude mischte bei dem Gedanken an das Unverständnis und das Unrecht, das diese Schätze zurzeit der Aufklärung und der französischen Revolution verloren gehen ließ; Wehmut insbesondere über den Frevel an der Kunst, den man beging, als man in absoluter Verständnislosigkeit den großartigen Bilderzyklus auseinanderriß und die Fenster für den neuen Standort blind durcheinander würfelte und zurechtstutzte: So ist von der gewaltigen Kunstschöpfung nur mehr eine glänzende Ruine geblieben. Was erhalten, im einzelnen festzustellen, ist hier nicht der Ort; nachdem die Bilder nunmehr an ein öffentliches Museum gelangt sind, wird das hoffentlich bald geschehen. An der Schwierigkeit, mit der dies bislang verbunden war, muß es gelegen haben, daß Oidtmann in seinem soeben beendigten großen Werke über die rheinische Glasmalerei die Steinfelder Bilder nicht behandelt. Die Autorschaft des oben genannten, als ein gottbegnadeter Künstler durch sein Werk erwiesenen Gerhard Remisch ist durch sein Monogramm gesichert. So hat von der alten Steinfelder Herrlichkeit London seine Glasgemälde, wie Paris den Schrein des hl. Potentius hat; Archiv und Bibliothek, einst weit berühmt, sind in alle Winde zerstreut. Verschwunden sind auch aus den weiten Hallen die weißen Mönche selber, die alles menschlich schöne Wissen und Können gepflegt haben. Aber das Beste von ihnen ist noch im Andenken des Volkes lebendig. Ihre Gutherzigkeit und Mildtätigkeit in dem Sprichwort: die heiraten auf die Steinfelder Portz, wenn in jenen Tagen zwei sich gerne hatten und in die Ehe traten im Vertrauen, daß auch in schlimmen Zeiten es an der Klosterpforte noch einen Imbiß gebe. Ihre religiöse Unterweisung, die sie, meist vortreffliche Seelsorger, dem Volke gaben, in der Handpostille des Paters Goffine, den man neben Thomas v. Kempen und Martin v. Kochem stellen darf. Ihr vorbildliches Leben und Streben nach christlicher Tugend und Vollkommenheit nur wenige haben seit den Tagen der Glaubensspaltung dem Orden und der Kirche Unehre bereitet in dem Lieblingsheiligen des Eifler Volkes, dem seligen Hermann Joseph, dessen Gebeine als kostbarster Schatz Steinfelds noch droben im Sarkophag aus Eifler Marmor ruhen, Grande decus patrae ein Wort, das gleichermaßen für Hermann Joseph wie für Steinfeld selber gelten möchte: Der Eifel erhabene Zier. |
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Kölnische Volkszeitung, Nr. 307, 2.5.1929. |
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