Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Die alten Glasgemälde im Kreuzgange der Abtei Steinfeld i. d. Eifel.
Eine Entdeckungsgeschichte.
Von geistl. Rektor N. Reinartz, Aachen-Soers.

In Heft XVI des Trierischen Archivs veröffentlicht soeben Dr. Oidtmann ein in der dortigen Stadtbibliothek befindliches Verzeichnis alter Gemälde im Kreuzgange der ehemaligen Prämonstratenser-Abtei Steinfeld i. d. Eifel aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Der durch seine Geschichte der rheinischen Glasmalerei bekannte Verfasser schreibt daselbst: „Steinfeld besaß gemäß diesem Verzeichnisse einen außerordentlich inhaltsreichen Fensterschmuck, eine Bilderbibel in des Wortes wahrer Bedeutung, erläutert durch entsprechende Schriftstellen. Jedenfalls standen die Glasgemälde von Steinfeld den viel erwähnten von Hirsau nicht nach.“ Bekanntlich war es kein geringerer als Lessing, der in seinen „Wolfenbüttler Fragmenten“ den Zusammenhang der Fensterbilder der alten schwäbischen Benedikter-Abtei mit den Darstellungen der „Biblia pauperum“ eingehend erörtert hat. Auch der großartige Bilderzyklus in dem altehrwürdigen Eifelkloster ist in Anlehnung an die Armenbibel entstanden, übertrifft dieselbe jedoch noch an Reichhaltigkeit. 26 meist dreigeteilte Fenster stellen in über 60 Hauptbildern das ganze Werk der Erlösung dar, angefangen von der Erschaffung und dem Sündenfall bis zum Weltgericht und zur Vollendung, während jene deren meist nur 40, höchstens 50 bietet. Auch ist die Anordnung des Stoffes eine selbständige und viel freiere.

Die Darstellungen der Erlösungsgeschichte selber nehmen die ganze obere Breite der Fenster ein, die alttestamentlichen Vorbilder und erläuternde Schrifttexte sind in die Bögen und Maßwerklichten verwiesen, während auf den Blättern der Biblia picta bekanntlich die Typen ihr Gegenbild flankieren. Von besonderem historischen Werte sind sodann bei den Steinfelder Bildern die jedesmaligen Angaben der Stifter, welche oft mit Wappen und Jahreszahl die untere Hälfte der Fensterbahnen ausfüllen. Interessant und wiederum an Hirsau erinnernd sind noch drei weitere (Erker?) Fenster, welche wohl auf den Springbrunnen im Garten des Kreuzganges hinausgingen, die ebenfalls, wie Merian in seiner Topographia sueviae bemerkt, „Bildnisse deß Alten und Neuen Testaments, so von den Brunnen seind“, jedoch außerhalb des obenerwähnten Zyklus, enthalten. Dr. Oidtmann schließt seine Veröffentlichung mit den Worten: „Leider sind die kostbaren Denkmäler der Glasmalkunst, die einst den Kreuzgang von Steinfeld zierten, für uns auf immer verloren. Das kleine Heftchen der Trierer Stadtbibliothek hat es wenigstens ermöglicht, die Erinnerung an die einstige Pracht und Herrlichkeit urkundlich festzulegen und wachzuhalten!“

Also: „vitrea fracta“ in Steinfeld gerade so wie in Hirsau? Zerbrochene Scherben, entschwundene Herrlichkeit? Ehe jedoch der geneigte Leser, der sich für dergleichen nicht interessiert, hier seine Lektüre mit einem vorschnellen Urteile abbricht, möchte ich ihn bitten, sich noch ein wenig in Geduld zu fassen und einmal der Ordnung nach zuzuhören, wie ich fast zu gleicher Zeit, als jenes vergilbte Heftchen in Trier aufgestöbert wurde,

dazu kam, bezüglich unserer Steinfelder Glasgemälde in London eine nicht minder wertvolle Entdeckung zu machen. Freilich dürfte diese Methode einem Gelehrten, der alles gleich in drei Worten wissen möchte, etwas langweilig vorkommen; aber – hier darf ich mich wirklich auf Lessing berufen, der in der gleichen Abhandlung dieselbe befolgt und damit verteidigt, daß sie dem, welcher einmal auf die nämliche Fährte stoßen sollte, manche Mühe ersparen kann, wenn er sieht, welche Wege und Auswege ich dabei genommen habe, zu geschweigen, daß oft die Art, wie man hinter eine Sache gekommen ist, ebenso interessant ist wie die Sache selbst.

Ich befand mich in einem jener „Bücherställe“, wie sie sich in London unweit von Charing Cross eine ganze Straße hindurch Laden an Laden hinziehen; keine modernen Antiquariate mit geordneten Beständen und Verzeichnissen, sondern wo die Bücher stoßweise auf Haufen liegen und der Bücherfreund einfach hinzutritt, um zu sehen und zu kaufen, was ihm beliebt. Meine Absicht war eigentlich nur einen Bädeker von Großbritannien zu erstehen, um von der Hauptstadt, wo mich die Verhandlungen des XIX. internationalen eucharistischen und des I. internationalen moral-pädagogischen Kongresses mehrere Wochen festgehalten hatten, noch einen Abstecher landeinwärts nach Norwich zu unternehmen. Wollte nämlich wissen, was von jenen „vitreis fenestris pretiosissimi artificii“, wie die alten, auch geschichtlich bedeutsamen Glasfenster des ehemaligen Zisterzienserklosters Mariawald bei Heimbach in der Ordenschronik gerühmt werden (Eifilia sacra II, 122) noch erhalten sei. Im Jahre 1903 hatte bereits Rev. Dundas Harford, damals Vikar an der Stephanskirche in Norwich, einen Aufsatz veröffentlicht: St. Stephens East Window and the Volcanic (?) Eiffel. Dort heißt es in einer Beschreibung des aus ganz verschiedenartigem Glaswerk zusammengesetzten Hochfensters genannter Kirche: „Die verloren gegangenen Bilder sind durch große Figuren ersetzt worden, die von dem aufgehobenen Kloster Mariawald nach England überbracht wurden. Das Glas ist aus der Kölnischen Schule und stellte an jeder Seite zwei Edelfrauen aus der Linie Jülich-Kleve dar, von denen die zur Rechten wahrscheinlich Maria, die Mutter Annas von Kleve 1) ist. Darunter steht die (leider dem Zusammenhange entrissene) Inschrift, ‚zu Katzenellenbogen 1513’. Ferner befindet sich daselbst ein St. Christophorus mit dem Wappen von Manderscheit und Blankenheim, und ein Johannes der Täufer, der für die Seelen beim Jüngsten Gericht Fürbitte einlegt (?)“.

Gleichzeitig lag mir damals aber noch ein anderes englisch geschriebenes Buch im Sinn, welches ich vor Jahren mir einmal notiert hatte: „Geistergeschichten eines Altertumsfreundes“, in welchem sich eine Erzählung befinden sollte, „Der Schatz des Abtes Thomas von Steinfeld“. Was weiß dieser Engländer von einem Schatz des Abtes Thomas? wie kommt der überhaupt an Steinfeld, das heut so weltvergessen abseits der großen Touristenstraße und der Eisenbahn auf seiner einsamen Eifelhöhe liegt? Der Gedanke hatte mich beständig verfolgt. So frug ich denn noch, nachdem ich vergebens nach einem Bädeker gesucht hatte, ob vielleicht dieses Buch bekannt oder vorhanden sei. Der Antiquar zuckt mit den Achseln: das weiß er selbst nicht. Ich will mich also verabschieden; da, als ich die Hand von dem Bücherstoße, an dem ich gestanden, aufhebe, fällt mein Blick auf das Buch, auf dem zufällig meine Hand geruht hatte, und – in großer schwarzer Schrift starrt es mir von grobem weißen Leinenband entgegen: „Ghost stories of an Antiquary“… Der Buchhändler selbst ist baff, für ein paar Schilling überläßt er mir gern das Gewünschte. Es sollte mich weit bedeutenderen Ueberresten rheinischer Glasmalerei als die in Norwich sind, auf die Spur bringen.


Kgl. Erziehungs-Anstalt Steinfeld (Hauptgebäude 1738).

Seltsam genug begann die Geschichte vom Schatze des Abtes Thomas mit einem langen lateinischen Zitate, welches einer Anmerkung zufolge einem heutzutage ziemlich selten gewordenen außerordentlich weitschweifigem Buche „Sertum Steinfeldense Norbertinum“ – gedruckt zu Köln bei Christian Albert Erhardt 1712 – entnommen war. In deutscher Uebersetzung lautete es wie folgt: „Bis auf den heutigen Tag ist unter den Konventualen viel die Rede von einem verborgenen Schatze jenes Abtes, welchen die Steinfelder oft jedoch bisheran vergeblich gesucht haben. Man sagt nämlich, Abt Thomas habe selber, als er noch in den besten Jahren war, eine ungeheuer große Menge Goldes irgendwo im Kloster vergraben; oft gefragt, wo es läge, habe er lächelnd geantwortet: ‚Job, Johannes und Zacharias werden es euch oder euren Nachkommen schon verraten’; bisweilen auch hinzugefügt, er werde dem, welcher es finden würde, keineswegs grollen. Unter anderem ist von diesem Abte bemerkenswert, daß er ein großes Fenster im östlichen Teil des Südschiffes seiner Kirche mit ausgezeichneten Glasgemälden angefüllt hat, was auch daselbst sein Bild und Wappen bezeugen. Auch stellte er die Wohnung des Abtes fast ganz wieder her, und legte einen Brunnen im Hofe derselben an, den er mit schönen Marmorreliefs schmückte. Er starb eines ziemliches plötzlichen Todes in seinem 72. Lebensjahre.“

Mein erster Gedanke bei der Lektüre dieser mir bis dahin unbekannten Geschichtsquelle war der, sollte ich vielleicht den Ueberresten der alten Steinfelder Bibliothek, von deren Bedeutung noch heute der Bibliotheksaal Zeugnis ablegt, auf die Spur gekommen sein. Wie diese einst zerstreut und verschleudert worden war, wusste ich ja aus Boos’ Eufalia. Mit gespanntestem Interesse las ich in der Geschichte vom Schatze des Abtes Thomas weiter: „Der Gegenstand, mit welchem Mr. Somerton, unser Altertumsfreund, sich beschäftigte, als er auf die Stelle im „Sertum“ stieß, waren Nachforschungen über den Verbleib der Glasgemälde der Abteikirche von Steinfeld gewesen. Kurz nach der Französischen Revolution waren nämlich eine sehr große Menge gemalter Scheiben von den aufgehobenen Abteien Deutschlands und Belgiens nach England gekommen, wo sie viele Pfarrkirchen, Kathedralen und Privatkapellen schmücken. Die Abtei Steinfeld gehörte nun zu den bedeutendsten dieser unfreiwilligen Beisteuerer zu unsern Kunstschätzen, und der größte Teil seiner Fenster kann noch ohne viele Schwierigkeiten identifiziert werden, sei es mit Hilfe der zahlreichen Inschriften, die sich auf den Platz beziehen, sei es der Darstellungen, welche mehrere in sich abgeschlossene Zyklen umfassen. Das angeführte Zitat hatte nun unsern Altertumsforscher auf eine neue Fährte gebracht. In einer Privatkapelle – gleichviel wo – hatte er drei große Figuren, welche eine jede eine ganze Fensterbahn einnahmen und augenscheinlich das Werk eines Künstlers waren, gesehen. Der Stil ergab klar, daß es ein deutscher Meister aus dem 16. Jahrhundert war; aber bisheran war die nähere Bestimmung ein Rätsel gewesen. Sie stellten dar – man wird erstaunt sein, das zu hören – den Patriarchen Job, den Evangelisten Johannes und den Propheten Zacharias; ein jeder von ihnen hielt ein Buch, alle mit einer Stelle aus seinen Schriften. Natürlich hatte Mr. Somerton sich dieselben notiert; die Stelle bei Job lautete: ’Das Gold hat seine Stelle, wo es verborgen ist’; in der Rolle des hl. Johannes stand: ‚Sie haben auf ihren Kleidern eine Schrift, welche niemand kennt’ und Zacharias endlich hatte: ’Auf einem Stein sind sieben Augen.’ Unser Forscher hatte es sich nie erklären können, warum diese drei Personen in einem Fenster zusammengestellt worden waren. Bestand ja keinerlei Zusammenhang zwischen ihnen, sei es nun in geschichtlicher, symbolischer oder dogmatischer Beziehung, und er konnte nur vermuten, daß sie zu einer großen Serie von Propheten und Aposteln gehörten, welche etwa die Chorfenster einer geräumigen Kirche füllten. Aber die Stelle aus dem „Sertum“ hatte die Situation ganz verändert, indem sie zeigte, daß die Namen der genannten, in den Fenstern der Kapelle von Lord D. dargestellten Personen beständig auf den Lippen Abt Thomas von Eschenhausen in Steinfeld gewesen waren, und daß derselbe ein Glasgemälde in dem Südflügel seiner Abteikirche wahrscheinlich ums Jahr 1520 hatte ausstellen lassen. Die Vermutung lag nicht allzu ferne, daß die drei Figuren zu demselben gehört hatten – eine Vermutung, die vollauf bestätigt werden sollte. Nicht nur stimmten Stil und Technik der Scheiben vollkommen zu Zeit und Ort, sondern Mr. Somerton fand bei genauerem Zusehen noch in einem anderen Fenster der Kapelle Gemälde mit dem Wappen des Abtes Thomas von Eschenhausen.“

Soviel über die positive Grundlage, auf der die Erzählung vom Steinfelder Schatze aufgebaut erschien. Die ganze weitere amüsante Geschichte wie unser Engländer nach der alten Eifelabtei kommt, um dort seine Nachforschungen fortzusetzen und was ihm dabei zustieß, mag man beim Verfasser nachlesen; sie ist hübsch erzählt und hoffe ich weitern Kreisen von Eifelfreunden sie in Uebersetzung demnächst einmal zugänglich zu machen – abgesehen von ihrem romantisch-poetischen Wert gebührt ihr das Verdienst, mit zur Ausfindung zwar nicht der Steinfelder Bibliothek, wohl aber der Glasgemälde verholfen zu haben. Zunächst jedoch stand ich vor einer neuen Ueberraschung. Da ich den Verfasser Dr. M. R. James an der Universität Cambridge persönlich nicht antraf, wandte ich mich schriftlich an ihn mit der Bitte um Mitteilung des Materials, auf dem seine Erzählung beruhte. Ich erhielt die Antwort: „Die Geschichte vom Abte Thomas einschließlich des Sertum Steinfeldense, bezüglich dessen Sie anfragen, ist, wie ich leider gestehen muß, ganz und gar meine eigne Erfindung. … Tatsächlich befinden sich jedoch manche Glasgemälde von Steinfeld in der Schlosskapelle des Grafen Brownlaw in Ashridge Park bei Berkhamstead, wenn sie auch keineswegs mit den von mir geschilderten übereinstimmen. Ich muß weiter gestehen, daß ich niemals in Steinfeld war, somit auch nicht weiß, was sich von der Herrlichkeit der alten Abtei St. Potentians dort befindet.“

Ich wußte genug. Ein Blick auf die Karte belehrte mich, daß Berkhamstead nur 28 km von London entfernt und Ashridge Park drei Meilen nördlich zu erreichen sei. Zwar wurde mir meine Bitte um Besichtigung der Privatkapelle des Grafen von der Schloßverwaltung, die in Abwesenheit desselben ihren Schatz eifersüchtig hütete, zuerst rundweg abgeschlagen. Ich ließ mich jedoch nicht entmutigen, sondern begab mich mit einer frdl. Empfehlung von Dr. James versehen an einem schönen sonnigen Herbsttage auf den Weg nach Ashridge Park. Einsame, vom ganzen Zauber des Allerheiligensommers umwobene Heideflächen, sodann stundenweit im Umkreis eingefriedigter Hochwald mit zahlreichen Rudeln von Hirschen und anderem Wild, inmitten desselben das im Jahre 1808 in edlem Stile erbaute Schloß des Earl Brownlaw. Ohne weitere Schwierigkeiten wurden mir auf meinen Ausweis hin die Pforten geöffnet; andere erlesene Kunstwerke kaum beachtend, ließ ich mich gleich zur Kapelle hinführen.


Kgl. Erziehungs-Anstalt Steinfeld.
Partie aus dem Kreuzgange - Totenkapelle (15. Jahrhundert).
Das Gitter wurde vor 2 Jahren in der Anstalt gemacht.

Und nun stand ich klopfenden Herzens in einem Ehrentempel rheinischer mittelalterlicher Kunst: sämtliche 11 große Doppelfenster mit bunten Scheiben gefüllt, nicht weniger wie 140 Darstellungen, ausgezeichnete Arbeit in schönen milden Farben. An der Hand eines von Dr. James in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellten Verzeichnisses fiel es mir nicht schwer, mich rasch zu orientieren. Namen der Heimat grüßen von den Stifterbildnissen, so der Herren von Lantzkron, eines Fr. Egidius a Monsgau usw. Allenthalben sehen Prämonstratenser in weißem Habite, Aebte, Ordensheilige, voran St. Norbertus, auf den rheinischen Landsmann nieder. Zweimal lese ich den Namen Steynfeld: „Nicolaus Nienerd pastor in Kaldekirchen (fidelis servitor) prelatorum in Steyfeld me dedit“ und die andere kunsthistorisch bedeutsame Inschrift: Dominus Johannes de Duren Abbas Steynfeldensis inceptor huius lateris circa a. d. millesimum quadringentesimum non… hec at (autem) anno 1501. Eine besondere Freude war es mir, auch jenes Fenster zu entdecken, von dem in der Eiflia Sacra S. 567 berichtet ist: Laut einer alten Notiz in den Koblenzer Akten soll ehemals auf einem Glasfenster des Kreuzganges gestanden haben: „Theodorus de Hochstaden, comes de Ahre, restaurator huius monasterii.“ Im Hintergrunde desselben erblickt man die Abteikirche.

Freilich war meine Freude keineswegs eine ungetrübte. Mehr und mehr mischte sich in dieselbe das Gefühl der Wehmut, Wehmut nicht nur über das Unrecht, das diese herrlichen Schätze der Heimat entführte, sondern vor allem über den Frevel an der Kunst überhaupt, den man beging, da sie in absoluter Verständnislosigkeit als Lückenbüßer für ihren gegenwärtigen Platz zurechtgestutzt und zusammengewürfelt wurden. Wenigstens muß ich heute so sprechen, nachdem ich aus den Aufzeichnungen des alten Steinfelder Prior ein Bild der ganzen ehemaligen Herrlichkeit gewonnen habe. Von der gewaltigen Kunstschöpfung, dem großartigen Bilderzyklus im Kreuzgange zu Steinfeld ist in Ashridge Park nur eine glänzende Ruine übriggeblieben. Von fast allen Fenstern des Verzeichnisses finden sich dort Bruchstücke wieder, aber auch nur Bruchstücke – im ganzen mag etwa ein Drittel erhalten sein. Wie regellos aber dieses Drittel jetzt zusammengesetzt ist, kann man daraus ersehen, daß beispielweise im 1. Fenster daselbst Scheiben aus Nr. 10, 14, 22, 24, 28; im 2. Fenster solche aus Nr. 1, 5, 12, 28 des Verzeichnisses mit ganz heterogenen Darstellungen zusammengepasst sind. Natürlich hat es dabei den zahlreichen Schrifttexten, von denen manche von historischem Interesse sind, besonders schlecht ergangen; sie sind zumeist verstümmelt worden. Freilich ist ein guter Teil der Zerstörung auch auf Rechnung der fast beständigen Kriegswirren zwischen der Reformationszeit und dem Ausbruch der französischen Revolution zu setzen; nicht weniger wie fünfmal mussten die Mönche des einsam gelegenen Eifelklosters ihre Schätze vor den wilden Kriegshorden flüchten. Die Glasgemälde wurden ausgehoben, verpackt, beiseite geschafft, wiedereingesetzt. Unser Verzeichnis, das eigentlich nichts anderes als eine ausführliche Anleitung hierzu darstellt, verrät die liebevolle Sorge, mit der dieses geschah, vermochte jedoch auch nicht, argen Schaden zu verhüten.

Dürfen wir denn nun wenigstens die 140 Scheiben in der Schlosskapelle des Earl Brownlaw sämtlich als Steinfelder Edelgut ansehen? Ich möchte diese Frage bejahen. Es ist wahr, nicht alle Darstellungen daselbst finden sich in der alten Handschrift verzeichnet, obwohl manche derselben ebenfalls zum eisernen Bestande der Bilderbibel gehören, z.B. die Heimkehr des verlorenen Sohnes, die Ermordung der Königskinder durch Athalia u. a. So könnte denn auch die andre Annahme zu Recht bestehen, daß das in Trier gefundene Verzeichnis kein lückenloses sei, wie tatsächlich in demselben der Parallelismus der Angaben bei einzelnen Fenstern kein vollkommener ist. Schwierigkeiten ergeben sich auch hinsichtlich der Identifizierung einiger Stifterbilder; sicher scheiden aus dem Bilderzyklus des Kreuzganges neun Scheiben aus, die Darstellungen aus der Barbara-Legende erhalten. Da ist nun von Interesse eine gelegentliche Notiz unserer Handschrift über die Vollendung der Fenster der neuen Abtswohnung und des Krankenflügels durch Meister Leo Schorn aus Zülpich in den Jahren 1662 und 1671. Sollten nicht die Darstellungen aus der Legende der hl. Barbara, der Patronin zur Erflehung einer glücklichen Sterbestunde, dem Krankenflügel, die nicht zu identifizierenden Stifterbilder der Wohnung des Abtes angehört haben? Jedenfalls konnte ich bei einem der letzteren eine Beziehung zu Steinfeld feststellen: von den bereits genannten Herren von Lantzkron berichtet Bärsch in seiner Geschichte der Abtei, daß dieselben nach Heimersheim, wo Steinfeld begütert war, ebenfalls Glasgemälde gestiftet hätten. Somit dürften wohl sämtliche Fensterbilder in Ashridge Park Steinfelder Provenienz sein, wenn auch vielleicht aus verschiedenen Zeiten. – Hierüber, über das Alter des Bilderzyklus des Kreuzganges, noch eine kurze Bemerkung. Die Geschichte kennt Abt Johann von Ahrweiler 1517-1538 als kunstliebenden Mäcen; unter ihm hat nach Bärsch Gerhard Remisch, ein ausgezeichneter Meister, die Fenster zwischen zwei Pfeilern des Kreuzganges angefertigt; als Förderer des Werkes resp. Stifter nennt das Verzeichnis weiterhin die Aebte Johann von Düren 1496-1501, Johann von Münstereifel 1501-1509 sowie Simon von Hasselt 1538 bis 1540. Auch aus der Regierungszeit des Abtes Jakob Panhausen 1540 bis 1582, der eine reichhaltige Wasserquelle im Kloster in ein schönes Marmorbecken leiten ließ, sind noch Fenster bezeichnet: gewiß sind die „Steinfeldenses huius aquaeductus“ hierher zu rechnen.

Sed haec hactenus! Die Mahnung, die der treuherzige Verfasser des Verzeichnisses, der alte Prior Johannes Latz, an sich selber gerichtet: „Ne sutor ultra crepidam“ gilt auch für den Schreiber dieses. Möge die Arbeit berufener Fachgelehrten und Künstler den aufgefundenen Schatz der Steinfelder Aebte zu heben und weitern Kreisen zugänglich zu machen suchen: sie dürfte reichen Gewinn ergeben sowohl für die Kunst= wie für die Kulturgeschichte der rheinischen Heimat.

Anmerkungen

1) Nach dem Verzeichnisse (Eiflia sacra II, 129) handelt es sich wirklich um die Mutter der Gemahlin Heinrichs VIII; es sind erhalten wenigstens teilweise Nr. 5, 7, 16 (vielleicht auch 15).


Eifelvereinsblatt, Nr. 12, 1910, S 311–314.


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