Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Nochmals die Geschichte der Maria Voissel
und ein paar Folgerungen aus der Geschichte

Es ist ein gutes Stück Heimatromantik, das Jupp vom Neffelbach (Deckname für ?) die alte, mächtige Eiche bei den Ruinen der mittelalterlichen Veste Burgvey erzählen läßt. Hat doch dieser über ein halbes Jahrtausend alte Riese mit einem Stamme von einundeinhalb Meter Durchmesser und einer fünfundachtzig Meter im Umkreis deckenden Krone nicht ihresgleichen unter den Bäumen unserer Heimat. Weder die historische Eiche vor der Hardtburg, unter der einst das Gericht gehalten und der Heerbann aufgeboten wurde, noch die an der Zieveler Burg können sich an Umfang und Alter mit ihr messen. So mag sie auch wohl schon gestanden haben, als der alte Eifeler Haudegen und nunmehrige Amtmann von Euskirchen Arnold v. Nechtersheim, hier in Burgfey über dem lieblichen Wiesentälchen gegenüber den romantischen Bergzinnen der Katzensteine inmitten des kleinen Reiches, das er sich in neun umliegenden Ortschaften begründet hatte, seinen Lebensabend verbrachte. Hier ist er auch wohl am 2. September 1453 gestorben. Sie hat dann auch Freud und Leid der Nachfahrin Arnolds, unserer Maria Vossel, der Gattin Christians, einer geborenen Krummel gesehen, deren wechselvolles Geschick Jupp vom Neffelbach so lebendig schildert.

Gleichwohl bedarf seine Darlegung, die gemäß den einführenden Worten „reiche historische und besonders familiengeschichtliche Aufschlüsse geben“ soll, einer eingehenden Korrektur. Zunächst ist die Identität der nach Jupp vom Veybach in der Großväterüberlieferung der Euskirchener fortlebenden ,lustigen Witwe' und Weinschenkin Maria Voissel – der Unterschied der Schreibweise tut freilich nichts zur Sache – mit der vor dreihundert Jahren lebenden, leidgeprüften Witwe Maria Vossell, welche Annahme auch von Jupp vom Neffelbach übernommen wird, doch reichlich unwahrscheinlich. Um nur dieses noch anzuführen, kann die historische Maria Vossell, die urkundlich 1655 ihrem Gatten die Tochter Gertrud (wohl nicht als erstes Kind) schenkt, also nach damaliger Heiratssitte spätestens um 1630 geboren ist, doch unmöglich 1677 noch als die junge, hübsche Wirtin gelten, wie sie geschildert wurde.

Abgesehen von dieser verfehlten Gleichschaltung ist jedoch die ganze Erzählung, soweit sie sich auf die echte Maria Vossell und deren Gatten bezieht, geschichtlich treu; sie ist ein Auszug aus dem von Pfarrer Reinartz verfaßten und trotz Publikationsverbot zur Nazizeit im ,Volksblattverlag' gedruckten nach zeitgenössischen Quellen gearbeiteten Schrift: Christian Vossell, Bergwerks-Unternehmer, Hüttenmeister und Kaufhändler am Bleiberge, 1672 Bürger der Stadt Euskirchen.

Wenn nun aber Jupp vom Neffelbach weiter ausholt und auch die Ritter von Nechtersheim (Nettersheim) in seine Erzählung hinein verwebt, so geht und führt er wiederum in die Irre, wo er über die betreffenden Notizen der genannten Broschüre hinausgreift. Woher er die anderen Angaben über die Krummel von Nechtersheim hat, ist mir unbekannt, leider ist aber die ausführliche Geschichte derselben, die auf Grund umfassender archivalischer Studien auch von Pfarrer Reinartz in Heft 139 der Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, S. 1–75, veröffentlicht wurde, seiner Aufmerksamkeit entgangen. Sonst würde er gefunden haben, daß das Geschlecht der Ritter von Nechtersheim nicht 1229, sondern erst 1351 mit Burgmännern zu Jünkerath und Leuterath anhebt, die in aller Herren Dienst, wo es etwas zu tun gab, um Sieg und Sold kämpfen, deren mit Nettersheim belehnten streitbaren Nachkommen Arnold und Pawin es dann zu umfangreichem Besitz von den Eifelhöhen bis hinab zu den fruchtbaren Niederungen des Euskirchener Landes brachten.

Durch die fünf Söhne Dietrichs des Aeltern, der zuerst den Namen Krummel (=Krummfuß) führte, wurde das Geschlecht weiter sogar bis nach Limburg und Luxemburg auf neuen Stammsitzen verzweigt, kam auch durch die Ehe Richard Krummels des Aeltern um 1494 mit Sofia von Bulich in den Besitz dieses Hauses. Heute ist der einst so stolze, ritterliche Stamm in männlicher Linie ausgestorben, wohl mag noch hie und da eine bürgerliche Familie wie Maria Vossell geb. Krummel ihre Abstammung von daher ableiten können. *)

Und nun die Folgerungen aus dem Gesagten! Es ist außerordentlich verdienstlich und wertvoll, wenn die wissenschaftlichen Ergebnisse der Heimatforschung einem weitern Leserkreise in anziehender volkstümlicher Form näher gebracht werden wie es der Verfasser des Zeitungsartikels so glücklich durch die Beziehung auf die alte Eiche zu Burgfey verstanden hat. Verhängnisvoll wird die Sache allerdings, wenn dabei geschichtliche Irrtümer ins Volk getragen werden, die dann oft unausrottbar haften bleiben. Darum sei einem doppelten Wunsche Ausdruck gegeben.

Erstens möge der Zeitpunkt nicht allzu ferne sein, wo unser um die Pflege der heimatlichen Belange erneut erfolgreich sich bemühendes Volksblatt in einer neuen Folge der Beilage „Unsere Heimat“ auch der ernsten wissenschaftlichen Erforschung der Heimatgeschichte das bis jetzt fehlende Organ schafft. In den 10 frühern Jahrgängen der Heimatbeilage von 1924–1933 und wieder 1938/39 liegt eine Fülle von gediegenen Beiträgen namhafter Autoren vor, die denselben von berufener Stelle hohes Lob eingetragen haben.

Und zweitens Einrichtung einer Heimatbücherei des Kreises zur Erleichterung der Heimatforschung, die ohne Literatur und Quellenschriften nicht arbeiten kann, besonders aber auch zur Orientierung der Heimatschriftsteller. Als in vorbildlicher Initiative 1938 im „Volksblattverlag“ die Bibliographie des Kreises Euskirchen erschien, war jedermann erstaunt über den Umfang der mit rd. 5 000 Nummern vermerkten Literatur des Kreises und seiner Ortschaften. Aber was kann ein Verzeichnis nützen, wenn nicht die Schriften selber greifbar zur Hand sind? Es kann nicht jeder immer wieder zu den großen städtischen und staatlichen Büchereien seine Zuflucht nehmen, abgesehen davon, daß diese vielfach auch durch den Bombenkrieg Einbußen erlitten haben. Es scheint mir die Einrichtung einer Heimatbücherei in Verbindung mit dem Stadtarchiv für die Kreisstadt noch wichtiger zu sein als ein Städtisches Museum, deren wir doch schon zwei im Kreise haben, die dann zu leicht einander nur Konkurrenz machen würden, während eine der Bibliographie entsprechende Bücherei noch [n]irgendwo im Kreise vorhanden ist.

*) Angemerkt sei auch noch eine wesentliche Ergänzung zu dem Bericht über die Ahekapelle in der letzten Sonntagsnummer des Volksblattes, die sich aus einer Notiz des angezogenen Aufsatzes der Annalen, S. 44, ergibt. Demzufolge befand sich bei der einsamen Feldkapelle von heute in früherer Zeit nicht nur eine dörfliche Siedlung, sondern ein Rittersitz. Ein Ministeriale des Kölner Erzbischofs, Payn de Ae, ist Zeuge bei einem Schied zwischen Steinfeld und Schleiden 1198, derselbe Pawin de Ay besitzt ein Steinfelder Lehngut in Nettersheim.


Euskirchener Volksblatt, Nr. 252, 28.10.1950.


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