Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Christian Vossell
Bergwerks=Unternehmer, Hüttenmeister und Kaufhändler am Bleiberge, 1672 Bürger der Stadt Euskirchen
Nach zeitgenössischen Dokumenten 1) berichtet von N. Reinartz, Pfarrer





Vorwort

Vorliegende Arbeit verdankt ihr Entstehen der schon vor vielen Jahren vom Verfasser gepflegten, neuerdings in breiten Kreisen unseres Volkes beliebten Familienforschung. In der Person des Ahnherrn Christian Vossell ersteht dessen weitverzweigter Sippe in Stadt und Land ein Vorbild besten Eifelertums; fest und stark im heimischen Boden, in Religion und Brauchtum der Väter verwurzelt, offenen Auges für den echten Fortschritt der neuen Zeit, geht er mit zäher Entschlossenheit allen Schwierigkeiten zum Trotz seinen geraden Weg, wirklich ein Mann, von dem das Wort gilt; „Wir fürchten Gott, sonst niemand in der Welt“. Darüber hinaus zeigt diese zunächst sippenkundlich gedachte Arbeit aufs neue, wie fruchtbar Familienforschung für die Heimatgeschichte werden kann, wenn sie sich nicht mit dem einfachen genealogischen Schema, dem „Stammbaum“ begnügt, sondern durch Erschließen archivalischer Quellen unter Beachtung der Gesetze der historischen Kritik die Vorfahren in das lebendige Geschehen ihrer Zeit hineinstellt. Welch überraschendes Licht fällt nicht, um nur das eine zu erwähnen, aus dem Prozeß Vossell Manderscheid=Blankenheim auf das Ende der Blankenheimer Mitherrschaft über Mechernich!

Dem Volksblatt=Verlag, der trotz der Schwierigkeiten der Kriegszeit die Drucklegung ermöglichte, sei auch an dieser Stelle gebührend Dank gesagt!

Von ähnlichen Arbeiten des Verfassers seien noch genannt:

„Zwei Förderinnen katholischer Jugenderziehung im Eifellande Mechtilde Dahmen 1717–1801 und M. Elisabeth Dahmen 1720–1799“.

„Johann VII. Luckenraht (Lückerath), Abt von Steinfeld 1661–1680“ – beide im Volksblatt=Verlag Euskirchen.

„Thomas Eichel, ein Eifeler Zimmermeister vor 250 Jahren und sein Werk“ – Eifelvereinsblatt 1930, S. 118.

„Zwei Kölner Gelehrte aus Eifeler Geblüt, Bartholomaeus Alfter 1728–1808 und Hermann Josef Hartzheim 1694–1783“ – Eifelvereinsblatt 1941, S. 111.

„Die alten Glasgemälde aus dem Kreuzgang der Abtei Steinfeld“ (Prior Johannes Latz) – Eifelkalender 1929.

„Agnes Breysgen, 1695–1756, eine heiligmäßige Pfarrhaushälterin – erschienen im Aachener Bistumsblatt.

„Die Krummel von Nechtersheim, ein Eifeler Rittergeschlecht“, Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 139.

In den Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde:

„Der Schleidener Stadtschreiber Paul Petri 1510–1588 und seine Vers=Chronik“ Bd. VII, S. 451.

„Die Jülicher Bergbeamten im Wildbann Kall“ Bd. XI, S. 145.

„Stolzenburg und Dalbenden“, Bd. XIII, S. 25.

N. Reinartz

Anmerkung. Die Hauptquelle für die vorliegenden Arbeiten waren die im Staatsarchiv zu Düsseldorf beruhenden Prozeßakten des Reichskammergerichts V 435 sowie die einschlägigen Akten der Reichsherrschaft Mechernich Nr. 16 und 17. Wiederholt zurate gezogen wurden die wertvollen Veröffentlichungen von Betriebsleiter Hubert Roggendorf, insbesondere dessen gediegenes Werk: Mechernich, Altes und Neues zur Heimat= und Pfarrgeschichte, Köln (1929).


Mit dem Jahre 1629 begann eine neue Bergwerksepoche am altersgrauen Bleiberge, wo schon Kelten und Römer das blinkende Metall gewonnen hatten. Während die Alten noch bei ihren primitiven Arbeitsmethoden sich mit der Ausbeutung der an dem wertvollen Gut reicheren Lagerstätten, den im Buntsandsteingeröll eingeschlossenen derbern Bleierzen begnügen mußten, hatte im spätern Mittelalter bereits die Erfindung des Beutelkorbes in Verbindung mit dem Naßpochen, Zerkleinern und Schlämmen des im Sandstein enthaltenen feinern Bleiglanzes eine verbesserte Ausgewinnung ermöglichte. Nach Hubert Roggendorf dürfte diese fortschrittliche Methode Ende des 15. Jahrhunderts auf dem ganzen Bleiberg in Uebung gewesen sein. Dessen ungeachtet stockte das Bergwerk zu Beginn des 17. Jahrhunderts vielerorts. Die Oberfläche der Erde war durchwühlt und einem tieferen Eindringen in die erzhaltigen Flöze widersetzte sich das Wasser. „Van stollen zu drieven oder ander konst, darmit dat wasser mit schweren kosten (mocht) verwalten und ausfohren, sey by innen nehe mit recht ersocht noch auch gehort, das darumb gefragt sey“, heißt es in einem Bericht des Jülicher Berggerichts zu Kall vom Jahre 1492. Und es dauerte auch noch über 200 Jahre, bis 1723 Matthias Peuchen und Konsorten die Errichtung eines Stollenwerkes am Jülicher Berg zwischen Kall und Keldenich in Angriff nahmen.

Anders in der im Bergbau unter der Regierung der Fürsten und spätern Herzöge von Arenberg führenden Freiherrlichkeit Kommern, wozu auch die erzreichen Gebiete von Roggendorf und Strempt gehörten. Fürst Philipp war der erste, der am Bleiberge einem Kölner Kaufmann Johann Meinertzhagen am 23. Dezember 1629 die Erlaubnis zur Anlage eines Erbstollens und die Belehnung mit allen Mineralien und Farben erteilte, die er „von der Schmelzhütten an die Bach hinauf, in specie aber in Peterheidt, Schaffberger und Kohlhaw damit ertrucknen mogte“. Gar bald machte sich aber unter den bisherigen Eigenbergleuten, die sich an verschiedenen Stellen vom Berg verdrängt sahen, Unruhe bemerkbar.

Als dann am 8. Juli 1659 „auf anhalten Herrn Johan Meinertzhagen auf befehlch Herrn Arenberschen Statthalders den gesambten einsenkern und arbeitern des Schaffsberg ernstlich und bey poen 10 goldgulden alle fernere einsenkens und auswinnung aufgedachten berg verbotten“ wurde, kam es zu einem feierlichen Protest und einer Immediat=Eingabe von 36 in dem notariellen Dokument namentlich aufgeführten Eigenwerker mit der Begründung, daß „der von Meinertzhagen in belehnung bestandener erbstoll an ort und enden wie der lehnbrief vermeldet, bis annoch niemahln angefangen, weniger fortgefuhrt, also auch den geringsten löffel voll wassers in unsern werkern annoch nicht ausgetruckenet noch austruckenen kann, weiln der von M. gefuhrter und noch wehrender versuchsstoll uber dreyhundert kloffteren von unseren werckeren abgelegen“. Immer wieder führte der Interessen=Gegensatz im Laufe der Zeit zu neuen Befehdungen, sogar Gewalttätigkeiten 2) unter wechselnder Stellungnahme der Arenbergschen Verwaltung. So erging im Jahre 1724 eine scharfe Verordnung gegen Meinertzhagen, durch die der ganze Betrieb in strenge Kontrolle genommen und unter anderm gestattet wird, „allen hochfürstlichen unterthanen sowohl als ausländischen in denen von den Herrn M. wirklich in besitz habenden bergwerken neue schachte zu sennken und nach jedermanns gefallen darin zu arbeiten“.

Die Produktionssteigerung und der bergmännische Erfolg des Unternehmens war trotz der ungeheuren Kosten – es sollen fast 164 000 Taler gewesen sein – und der sonstigen Schwierigkeiten unverkennbar. Aehnlich wie in Kommern lagen nun auch zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Verhältnisse im Bergbau wenigstens teilweise in dem benachbarten zur Grafschaft Blankenheim unter Mitherrschaft der Freiherrn von Nesselrode zu Haus Rath bei Strempt gehörenden Mechernich. Die Oberfläche des Mechernicher Berges in der Hart und nach Breitenbenden zu war erschöpft und lag wüst und verlassen; nur im Westen im Sittart und Behrend gab es noch lohnende Arbeit. Bereits hatte Meinertzhagen sein Augenmerk auch auf den Mechernicher Berg geworfen. Graf Salentin Ernst von Manderscheid=Blankenheim, 1644 bis 1694, der sich die wirtschaftliche Hebung seines Landes nicht weniger angelegen sein ließ 3) glaubte aber in einem gebürtigen Bleiberger aus der Herrschaft Kommern, Christian Vossell, den Mann zu finden, der nach Abstammung und Familienbeziehung, Ausbildung und allseitiger bergmännischen Erfahrung, Unternehmungsgeist und auch Vermögen geeignet erschien, der Pionier des Mechernicher Bergwerks zu werden. Der Vater Paul, um 1590 zu Voissell in den Heyden geboren und daher benannt, hatte zwar nicht lesen und schreiben gelernt, war aber von Kindsbeinen an auf den Berg gegangen. Nachdem er fünf Jahre als Bergknecht gedient hatte, fing er für sich selber an, und wurde in einem langen Leben von über achtzig Jahren einer der erfolgreichsten Bergwerksunternehmer. 1629 hatte er die Arenberger Bleihütte bei Roggendorf inne 4) und bewirtschaftete den Arenberger Hof daselbst. Mit seinem Sohne Heinrich war er ein Hauptvertreter des Kommerner Bergvolks 1659 in dem Protest gegen die Stollenbelehnten. Desgleichen findet sich sein Name mit dem seiner Söhne, außer Heinrich werden noch Engelbert, Johann und unser Christian genannt, in den Jülicher Bergzehntlisten; in denen des Hauses Rath bei weitem an der Spitze aller Bleiproduzenten. Christian Vossell war auch nach seiner Verheiratung mit Maria Krummel, einer Tochter des Rentmeisters auf Haus Rath aus dem alten Rittergeschlecht der Krummel von Nechtersheim bei seinem Vater in Roggendorf seßhaft geblieben. Er hatte sich jedoch nicht nur im Lesen und Schreiben, sondern auch durch mannigfache Geschäftsreisen im Kaufhandel eine der meisten seiner Landsleute überragende Bildung und Welterfahrung angeeignet, als er 1660 mit der Absicht „uff dem verfallenen alten Mechernicher Bleiberg mit einsenkung verschiedener schachten, auch durchsuchung der alten gruppen sein glück zu suchen“ an den Grafen herantrat. – Damit begann die Tragik seines Lebens.

Unter dem 12. Juni hatte Vossell die Erbbelehnung eines Distrikts von 100 Klafter oder Lachter (je zwei Meter) zur Anlage von zwei und nach Befinden mehr Versuchsschächten unter Ausschluß anderer von seinem Konzessionsfeld erhalten. Sobald die Belehnung aber bekannt wurde, mußte er auch schon die Quertreibereien der Berginteressenten erfahren, die die Zustimmung des Rather Mitherrrn über Mechernich hintanzuhalten vermochten, zumal der dortige Pastor Peter Hochgürtel, selber Bergwerksbesitzer, Beschwerde beim Berggericht erhob. Vossell ließ sich jedoch nicht beirren und wußte noch neun der bedeutendsten Unternehmer zu einer Gewerkschaft zusammenzubringen, welche die Aufschließung des ganzen verlassenen Mechernicher Berges zunächst durch Versuchsschächte und nach Befund durch Anlage eines Stollenwerkes in Angriff nehmen wollte, und auch bereits am 26. Juli die Belehnung des Grafen erhielt, der sich selber um die Zustimmung des Freiherrn v. Nesselrode bemühte. In dem Lehnsbrief war ausdrücklich bestimmt, daß auf dem nun von langen Jahren her wüst und öde gelegenen Berg, wo durch sie als erste Anfänger wirklicher Gewinn zu erhoffen sei, niemand anders ohne ihre Erlaubnis einsenken oder versuchen dürfe, da die Gewerkschaft sich verbunden habe, alle und jede Unkosten, wie dieselben erfallen und erfordert werden möchten, zu erlegen und abzuzahlen. An dem Unternehmen waren beteiligt unter andern der Bruder Christians Heinrich Voissel, seine beiden Schwäger Quirin Breysgen (verheiratet mit Getrud Krummel) und Johann Dahmen, der spätere Jülicher Schultheiß zu Vossell (verheiratet mit Gertrud Voussell) mit seinem Bruder Werner Dahmen, nachmaligen Blankenheimer Schultheiß zu Bleibuir, der zeitige Jülicher Schultheiß Ludwig Scheidt zu Kalenberg, Mathias Peuchen aus Gemünd und (dessen Bruder (?) zu Dalbenden) Johann Wilhelm Peuchen.

Ueber den Gang des Unternehmens liegt ein Bericht ungefähr nach Jahresfrist vom 1. Juni 1661 vor. Demnach waren sechs Schächte eingesenkt und ein siebter angefangen, aber nur in zweien Bleistoff gefunden. „Nun seint wir auch in fleißiger arbeith begriffen, alsolch angetroffenes guett rechtt hinein zu verfolgen, biß dahin die düfft deß wassers antreffen, so villicht in kurtzem beschehen mögte. Nachdem nun alsolche betroffen und dabei befunden worden, dasz annoch unden in dem wasser bleystoff vorhanden, ist unsere meinung alßbaldt ahn dem stollen ein anfangk zu machen“. Aus dem Bericht geht aber auch hervor, daß der Vertrag noch immer nicht vom Haus Rath ratifiziert worden war und daß Pastor Hochgürtel sich hätte vernehmen lassen, ungeachtet der Belehnung stehe ihm und jedem frei, in und neben den Werken der Stollengesellschaft einzusenken. Damit nun die Gewerken in anbetracht der großen Unkosten nicht durch solche bedrohlichen Worte kleinmütig gemacht und abgeschreckt würden, bitten sie, der Graf möge vor allen Dingen eine Erklärung abgeben, daß er sie gegen jedweden schützen werde, da sie gesonnen seien, an der Belehnung festzuhalten. Sodann weisen sie noch darauf hin, daß bei verhoffentichem Fortgang des Stollens alsbald eine Stoßhütte in der Nähe notwendig sein würde, und bringen eine Stelle bei Burgfey in Vorschlag, wo vordem eine Mahlmühle gestanden.

Die Eingabe wurde im Namen alle Stollenbelehnten, jedoch ohne Unterschriften, von Vossell, seinem Schwager Breysgen und drei Gebrüdern Dahmen persönlich überreicht, scheint auch Erfolg gehabt zu haben, da die Mechernicher sich beim Herrengeding 1662 beschweren, daß sie vom Mechernicher Berg ausgeschlossen seien und kein eigenes Werk haben könnten. Diese Beschwerden wurden um so lauter und erschienen um so begründeter, als es hauptsächlich infolge des ungünstigen Resultates der weiteren Versuchsarbeiten nicht zur Ausführung der beabsichtigten Stollenanlage kam, und die Gewerken sich einer nach dem andern von dem Unternehmen zurückzogen, so daß Vossell schließlich allein für dasselbe stand. Vorläufig hielt ihn allerdings noch die Gunst des Grafen.

Dieser ließ ihn denn auch im Frühjahr 1662 die geplante neue Bleihütte bei Burgfey auf Blankenheimer Gebiet errichten, allerdings auf seine, Vossells, Kosten und stand auch seinem Hüttenmeister unentwegt zur Seite, als sich gegen das neue Unternehmen eine noch mächtigere Gegnerschaft erhob. Die benachbarten Herren Wilhelm Diedrich v. Spieß zu Satzvey, Johann Wilhelm v. Randerath zu Becherhof, Freiherr v. Baexem zu Veynau, denen sich auch die Stadt Euskirchen, vertreten durch den Stadtsekretär Johann Billig anschloß, erhoben alsbald Einspruch gegen den Hüttenbau und die damit verbundene Erzwäsche „die nit allein zu gentzlichem verderb der fischerey, sondern auch bei überschwemmung deren auff gemelten Veyerbach schießenden wiesen und weyden zu undergang der viehzucht gereichen würde ... dessen sich auch alle andere auff Veyerbach biß an den Rhein domicilyrende Gülisch= und Kölnische Cavallieren und undersassen eiffrig anzunehmen entschlossen“. Sogar der Herzog von Jülich selber ließ durch seine Regierung wiederholt den Grafen ersuchen, daß die „hochschädliche Schmelzhütte gentzlich wider ab= und eingestellt“ werde. Als Graf Salentin Ernst sich um all diese papiernen Proteste nicht zu kümmern schien, und der Hüttenbau bereits etliche Wochen aufgerichtet dastand, griff die Arenberger Verwaltung zu Kommern, welche wohl auch die Haupttriebfeder der Machenschaften gewesen war, zu einem drastischen Mittel. Zum 9. Mai nach dem fürstlichen Haus Arenberg beschieden, hatte dem Christian der Statthalter Johann Niklaß v. Werll „anfengcklich hartt zusetztt und verweißlich vorgehalten, warum (er) die stoeßhütte zu Burgvey aufferbawet und dardurch meines genedigsten fürsten underthanen nichtt allein sondern auch dessen gütteren großen schaden zugefuegtt hette“. Unter Androhung von Prügel und „des thurngangs“ war ihm dann am 12. Mai ein Revers abgenötigt worden, in welchem er sich bei seinem Untertaneneid mit seiner Person und allen seinen Gütern verpflichtete, sich der Hütte weder durch Herschießung von weiteren Geldern noch auf irgend eine andere Weise fernerhin ohne gnädigste Erlaubnis anzunehmen und für das, was er bisheran ohne Ermächtigung in der Sache getan hatte, innerhalb vier Wochen eine Strafe von fünfzig Goldgulden zu zahlen. Von Arenberg begab sich Vossell jedoch direkt nach Blankenheim, wo er am 18. Mai in einem notariellen Akte den Revers als erzwungen für null und nichtig erklärte, und sich vorbehielt, nötigenfalls höhern Orts sein Recht zu suchen. Er nahm dann Wohnung auf dem nach Blankenheim gehörenden Burgfeyerhof. Als Vossell nun die Strafe nicht zahlte, begann der Kommerner Schultheiß Joh. Peter Kofferoth auf höheren Befehl am 26. August mit der Pfändung der Ernte auf dem Roggendorfer Hofe. Alsbald intervenierte aber auch Graf Salentin Ernst für den seinem „Schutz und Schirm mit heußlicher wohnung und nahrung untergebenen“; er werde Mittel und Wege suchen, denselben schadlos zu halten und gleichzeitig „blankenheimische wohlhergebrachtte regalia und gerechtigkeiten unversereth“ zu erhalten.

In Ausführung dieser Absicht war es denn wohl, daß der Blankenheimer Graf zu Lichtmeß des folgenden Jahres sein Haus und Hof zu Burgfey Christian und Frau Maria 5) auf zwölf beziehungsweise sechs Jahre in Pacht gab. Dazu noch 12 Morgen Land „im Wacholter“ liegend u. 12 Morg. Benden, die „Weydt“ genannt, während die Büsche und Weyer ausgeschlossen wurden, und über die Schweinemast in erstern besondere Vereinbarung getroffen wurde. An Pacht sollte entrichtet werden zwanzig Malter Korn, zweiundzwanzig Reichstaler, ein Stein Flachs und ein Pfund Wachs, ferner war jährlichs „zu den unschuldigen kindertag ein gutt meyerschwein nach der ordnung“ auf Blankenheim zu liefern und ein Ochs, den die Herrschaft stellte, im Futter zu halten.

Um jedoch den erhobenen Beschwerden gegen die neue Anlage die Spitze abzubrechen, ließ der Graf dieselbe durch eine Kommission von sechs bergwerks- und hüttenverständigen Männern, nämlich Valentin Brandt, Schultheiß zu Mechernich, Niklaß Pfleumer, Schultheiß zu Bleibuir, Hermann Schützendorf, Schöffe daselbst, Thomas Kalenberg, Sinzenicher Schultheiß zu Scheven, Hermann Kalenberg, Schöffe daselbst, wohnhaft zu Lückerath, Jakob Esser, Kurkölnischer Bergsteiger zu Vollem, die drei letzten auswärtige Untertanen besichtigen. Diese gaben am 13. September 1662 bei Mannstreuen und an Eidesstatt die notarielle Versicherung ab, daß die beanstandeten Klausen oder Wäschen besser und zahlreicher als an einer andern Hütte am Bleiberg seien. Ueberschwemmung infolge Sturzregens oder Schneeschmelze seien infolge eines eigens angelegten Flutgrabens nicht zu befürchten, es sei denn, daß ein „Himmelborst“ – eines solchen wußte sich aber der ältere Zeuge zu seinen Lebzeiten nicht zu erinnern –, wie allenthalben, so auch an dieser Anlage Schaden tue. Daraufhin scheint die Angelegenheit von der Herzoglich Jülichschen Kanzlei ad acta gelegt worden zu sein.

Als aber im Laufe der Jahre neuerdings Beschwerde erhoben wurde, entsandte die Herzogliche Regierung eine eigene Kommission, bestehend aus einem Hofrat, dem Amtmann zu Münstereifel, Joh. Friedrich v. Goldstein, und Hermann v. Syberg, Herrn zu Eicks, zur Verhandlung mit den Blankenheimern an Ort und Stelle den 20. Juni 1667. Diese vertreten durch den Amtmann zu Blankenheim, Marsilius v. Weiß, den Amtmann zu Erp, Berthold v. Belven und den Kanzlei=Direktor Joh. Matth. Eschermann, erklärten vorweg, daß sie nur aus schuldigem Respekt vor Ihrer fürstlichen Durchlaucht erschienen seien, daß sie aber damit nicht im geringsten der Jurisdiktion und Immediatät Ihrer hochgräflichen Gnaden etwas vergeben wollten. Nicht weniger entschieden erwiderten sie auf das Ansinnen der Jülicher: „ob nicht zu geschehen, daß zu verhütung aller besorgenden gefahr und künftigen schadens die hütten gar abgeschafft werden möchte oder jedoch, imfall Ihre hochgräfliche Gnaden darzu nit verstehen würden, ob altzdan nichtt für allen schaden gutt zu machen sich verbinden wollten“, daß Ihrem Herrn Prinzipal auf seiner Botmäßigkeit ebenmäßig solch Recht gebühre wie andern Ständen die Reichs- und Bergverfassung zugebe. Und den Und den Spieß umkehrend sagten sie, daß jener vor allen andern befugt sei, „sich Zum höchsten zu beklagen, daß in specie an der hütte auf der Bleibach bei Kommern das lett die bach abgekehrt werde, daß nit allein selbige bach, welche sonsten vorhin sehr fischreich an forellen, gründelen, krebsen gewesen, zumahlen auch die daran stoßenden wiesen und weiden vergifftet, daß in einem jahr zu Gartzem, welches dorff Blankenheimisch ist, ahn die sechzig rindbeestern darvon gestorben“.

Eine köstliche Abfuhr wurde den Klägern, von denen übrigens keiner der Einladung zu der Tagung Folge gegeben hatte, noch zuteil, indem die gräflichen Kommissare „alfzpaldt durch zween fischer, davon einer zu Comern wonhafft und absonderlich darzu dahin beruffen, so wol negst bey unden undt oben der hütten in der bach haben ein essen forellen fangen lassen, welche auch folgents zusamen uffm hoff Burgfey genossen und seint die herren commissarii nach geendigter malzeit von einander geschieden.“

Dieser glückliche Erfolg konnte das Vertrauen, das zu der Zeit Christian noch unzweifelhaft beim Grafen besaß, nur stärken. War derselbe doch eben erst zur Beförderung, Unterhaltung und Vergrößerung der Stoß= und Schmelzhütte um die Ermächtigung eingekommen, allenthalben in der Grafschaft Blankenheim und der Freiherrschaft Jünkerath Bleierz und andere Mineralien zu suchen. Daraufhin hatte Graf Salentin Ernst unter dem 10. März 1667 ihm eine General=Belehnung erteilt, „gleich wie mir dies(e) unseres burghalfens und hüttenmeisters uns und unsern unterthanen zu vortheil gereichende absicht gern zum wirklichen nachtruck befördert und fortgesetzt sehen und haben wollen“. Gegen die dem Grafen zustehende übliche Gebühr an Zehnten, Stempelgeld, Axen und Zoll versprach derselbe erforderliches Geleit, Freiheit und Protektion gegen menniglich. Von dem in der früheren Belehnung geplanten Stollenbau ist keine Rede mehr, jedoch behielt der Graf sich über „diejenige bergwerck und mineralien, so andere oder wir selbsten suchen und finden mögten, alle disposition“ vor.

Was einst der Sohn Jakobs v. Nechtersheim, eines beim Blankenheimer Grafen in Ungnade gefallenen Burgmannen früherer Zeit, ein Blutsverwandter der Maria Krummel, geschrieben hatte, das sollte auch deren Ehemann erfahren: „Herren Dienst dauert nicht, Herren Gunst erbet nicht“. Wir haben bereits gezeigt, wie das großzügige Unternehmen Vossells aufs Ganze gesehen nicht vom Glück begünstigt war. Die Neuzeit hat es klar herausgestellt, daß das einfache Knottensandsteinflöz im Nordosten gegenüber Mechernich erst nach Westen durch eingeschobene Konglomeratschichten in vier Flöze sich teilt, also in die Tiefe geht. So war natürlich ein Stollenbau zur Tiefengewinnung für das Konzessionsfeld der Gewerkschaft, den alten Mechernicher Berg, zwecklos. Ob nun die Enttäuschung des Grafen oder der Konkurrenzneid der Mechernicher Bergwerksinteressenten die erste Veranlassung gewesen, bleibe dahingestellt; auf ein von dem Mechernicher Berg=Schultheißen Valentin Brandt ausgestelltes Gutachen hin erging am 23. August 1670 ein von beiden Mitherren eigenhändig unterzeichnetes Dekret, worin Chr. Vossell, „weil er der erhaltenen belehnung und darin getanen versprechen nicht zufolg den erbstollen getrieben und auch denselben aufgekündiget und dadurch die herrschaft in einen merklichen schaden geführt“, schuldig erklärt wird, derselben 4000 Reichstaler, woraus dieselbe den Erbstollen schaffen wolle, zu erlegen, oder genugsame Caution inwendig Monatsfrist zu stellen, daß er inwendig eines halben Jahres den Erbstollen einschlagen und treiben wolle; auch sei er wegen üblen Hausens und Durchwühlung und dadurch verursachten totalen Ruin des Bergwercks und desfalls der Herrschaft zugefügten Schaden in eine Strafe von zweihundert Goldflorin zu erklären. In dem Brandtschen Gutachten war besonders betont worden, daß bevor Vossell die Belehnung erhalten, sich 50 und mehr Bergleute beworben hätten, aber durch diesen verdrängt und abgewiesen worden seien. Es kann sich dies wohl nur auf die Zeit zwischen der ersten persönlichen Teilbelehnung und der erweiterten Belehnung der Stollengewerkschaft beziehen. Vossell hatte sich selber damals gleich in einer Eingabe an den Grafen beschwert, daß „andere mir mißgünstige leuth, indeme solche mir beschehene belehnung vernohmen, vortgelaufen und bey dem Schultheißen zu Mechernich an dem ort, damit ich belehnt gewesen, anschreiben lassen“ und führte dabei glaubhaft an, daß „auf diesem alten wüst liegenden bergh in viertzigh jahren keiner etwa zu wircken sich ahngenommen, biß numehr, da meine belehnung offenbar worden.“ Das nämliche ergab sich auch schon aus dem Wortlaut des Lehnbriefes. Der Vorwurf des „übel hausens“ und der Durchwühlung des Bergs wird darauf zurück zu führen sein, daß kraft der Belehnung die Gewerkschaft im ganzen 23 und dann Vossell im Lauf der Jahre weitere 40 Versuchsschächte und Kaulen eingesenkt hatte, dabei alte eingestürzt waren, neue mit Absicht zur Klarstellung des Befundes offen gelassen wurden. Am stichhaltigsten scheint noch die Anklage, daß der Belehnte die Belehnung nicht aufgekündigt hätte, wodurch dann andere an der Auswinnung gehindert worden seien zum Schaden der Bergherrschaft; dieselbe verliert jedoch viel an Ueberzeugungskraft durch den Umstand, daß Graf Salentin Ernst fast sieben Jahre später eine Generalbelehnung erteilt hat, ohne der früheren Abmachung betreffs des Stollenbaues auch nur mit einem Worte zu gedenken, so daß man einen wenigstens stillschweigenden Verzicht auf denselben annehmen muß. Welches aber auch immer die Rechtsauffassung sein mochte, es stand bei der Höhe der Forderung, die dann noch auf 5000 Reichstaler gesteigert wurde, Vossells ganze Existenz auf dem Spiel, zumal eine Heranziehung der damals Mitbelehnten sehr fraglich erschien.

So kam derselbe zu dem folgenschweren Schritte, die Entscheidung des kaiserlichen Kammergerichts in Speyer gegen den Grafen von Manderscheid=Blankenheim anzurufen und erwirkte auch unter dem 9. März 1671 dessen Vorbescheidung zwecks Aufhebung des Vertrages wegen offenkundiger Undurchführbarkeit und ein Verbot, ungebührliche Strafen zu verhängen. Der hochgeborene Herr sah aber in dem Vorgehen Vossells Rebellion eines Untertans und empfand die Ladung vor dem obersten Gerichtshof des Reiches als eine persönliche Injurie. Dieselbe wurde den 13. April durch den reitenden Kammerboten nach Blankenheim überbracht und in Abwesenheit des Grafen, der zeitweilig auf Schloß Hachenburg, dem Besitz seiner Gemahlin, Ernestine von Sayn=Wittgenstein residierte, dem Hauptmann der Schloßwache angezeigt, von diesem aber die Annahme verweigert. Als der Botenmeister sie dann auf ein Brett bei der Torwache niederlegte, hatte jener bemerkt: „Da liegt es wohl, da mag es verfaulen, es werd's niemand hinwegtun“. Aber schon vor der offiziellen Bekanntgabe hatten Repressalien seitens der gräflichen Verwaltung eingesetzt. Am 15. März ließ sie alles Vossel zugehörende verarbeitete und nicht verarbeitete Erz auf der Erde und in der Erde am Bleiberg und auf dem Hofe beschlagnahmen, acht zum Hüttenbetrieb erforderliche Stößer wegnehmen, vier Ziegen wegtreiben, und einen zum Aufschlagen fertigliegenden Bau von zweihundert gezimmerten Hölzern mit einem großen Aufgebot von Pferden nach Blankenheim abtransportieren. Außerdem wurde ein Posten Soldaten zur Bewachung Vossells nach Burgfey gelegt.

Auf eine erneute Beschwerde beim Speyrer Gericht erfolgte bereits innerhalb 14 Tagen am 18. September ein Strafmandat an den Grafen, worin unter Androhung einer Poen von zehn Mark löthigen Goldes, „halb in unser kayserlicher cammer, zum andern halben theil ihm – Kläger – unnachlässig zu bezahlen“ alle während dem am Kammergericht anhängenden Prozeß getroffenen Maßnahmen gegen denselben für ungültig erklärt, jede weitere Störung oder Belästigung untersagt und Zurückgabe alles Weggenommenen angeordnet wurde. Anstatt jedoch Wiedererstattung zu leisten, ließ Blankenheim das Bauholz um einen „liderlichen wert“ verkaufen, die Schweine des Pächters durch zwei Soldaten und drei Hüter vom Burghof abtreiben, sowie die gesamte Ernte in aller Geschwindigkeit durch bestellte Drescher ausdreschen und wegbringen. Wiederholt war auch Vossell selber nach Blankenheim und Mechernich vorgeladen worden; da er jedoch dem Landfrieden nicht traute, hatte er einen Vertreter gesandt, der dann auch persönlich in die Strafe der zweihundert Goldgulden genommen werden sollte. Einer erneuten Aufforderung hatte er um so weniger Folge gegeben, als das Kaiserliche Gericht den Prozeß der Gerechtsbarkeit des Grafen als untereffierter Partei entzogen hatte.

So mußte denn jetzt Christian Vossell, der gräfliche Hüttenmeister und Halbwinner, ein zweitesmal und zwar in weit schlimmerer Form erleben, daß mit hohen Herren nicht gut Kirschen essen ist. Die Blankenheimer Justiz ließ nun ihn, der wieder auf Arenberger Gebiet in Roggendorf Wohnung genommen hatte, durch den Schloßkommandanten mit zwei lothringischen Reitern aufspüren und am Abend des 7. Dezember „mit aufgesetzten Carabinern und pistolen feindlich ahnfallen, dabenebens über drey schuß wegs mit gerupfften haaren über die erde biß in das Dorf Lorbach in deß dasigen scholtheißen behaußung hinschleiffen, dort dannen in der nacht auch mit sieben pferden auff Blankenheim hinführen und daheselbst biß in den eilften tagh gefenglich aufhalten“. Er wurde nicht eher aus der Haft entlassen, bis er am elften Tage die folgende Erklärung unterschrieben, mit seinem Siegel versehen und seinem Eide bekräftigt hatte: „nachdeme der hochgeborener Graf undt Herr Salentin Erneßt .. . alle meine begangene grobe undt freventliche excessen mir vortragen, deren überzeugen undt geständig machen lassen, auch zu der erkantnus gebracht, daß deswegen hochgemelter ihro hochgräflicher gepiter wider mich scharpfer zu verfahren wohl befuegt gewesen währen, dannoch zu bezeigung dero aequanimitet diese hohe gnadt gethan, (daß) alle meine exessen auff folgendte bedingungen perdonniert undt in gnaden nachgelassen sein sollen 1. daß achthundert reichstaler alspalt erlagt werden sollen zu ihro hochgr. gepiet. hand, 2. daß alles daßjenige was noch wegen stoß= und schmelzhüttenbäm oder sonsten bis hirhin zu fordern haben möchte, jodt und quittirt sein solle, 3. daß (ich) auff alle angefangene Prozessen außerhalb der zu Speyer anhängigen ersten Sache (Klage auf 5000 Reichstaler und 200 Goldgulden) gänzlich verzichten, 4. bey Herrn zu Raht, weilen selbigen zu Düsseldorf des gefällten urtheils halber verklagt, mich abfinden, und auff den angefangenen prozeß gleichmäßig verzichten, 5. bey wirklichem aydt, diesem also nachzukommen, auch versprechen solle, die inhafftierung auff keinerley weiß, wie solches auch erdacht werden könte, zu rächen. – Diesem nach bekenne in crafft gegenwertigen scheins freywillig und wohlbedächtig mit ausschwörung eines leiblichen aydts, daß ahn diesem meinem geschworen versprechen mich kein herren gebott verhindern noch ich mächtig sein soll, mich einer Handlung oder eines nachlasses geist – oder weltlichen rechts zu bedienen; da ich darwider uff eingerley weis, wie solches jetzt oder künfftig durch menschen gedanken erdacht werden könnte, handeln würde, daß alsdann von rechtswegen ihro hochgräfl. Gepieter befuegt und berechtigt sein sollen, sowohl in alß außer dero hochheit mich angreifen und wegen nit gehaltenem versprechen sich an meiner persohn, weib und kindern, haab und guth wie auch leib und blut zu erholen und begnügt machen zu lassen. Urkundet meiner undersetzter hand und pitschaff. .. Christian Vossell.““

Bereits am dritten Tage nach seiner Entlassung aus der Haft legte legte Vossell in Bonn notariell Verwahrung ein gegen alles was er aus Furcht und Kerker versprochen und beschworen habe; er habe es nur mit innerm Vorbehalt und ohne die Absicht sich zu verpflichten getan; Eid und Versprechen seien, weil erzwungen, rechtlich kraftlos und behalte er sich derenthalben gegen den Herrn Grafen alle Rechtsmittel vor. Inzwischen hatte aber auch Frau Maria Vossell beim Reichskammergericht wehmütige Klage geführt und war auch sofort am 22. Dezember ein neues mandatum poenale an den Grafen ergangen, allerdings erst am 30. Januar am Blankenheimer Schloß niedergelegt worden, da der anwesende Kommandant die Entgegennahme wieder mit den Worten verweigert hatte: „Er sein ein kriegsmann und verstehe von den gerichtshändeln nichts“. In dem Erlaß hieß es, daß „der gleichen unordentliche gewaltsame zum veracht der Kaiserlichen Mandate vorgenommene tathandlungen bei jederman höchst ärgerlich, strafwürdig und unrechtmäßig“ seien; „hierumb so gebiethen wir dir beklagten graffen von Römischer Kayserlicher Macht und bei poen zehen, soviel aber das letztere mandat betrifft, bey straff zwantzig marck löthiges goldts ... hiemit ernstlich, daß du ihme, klägern, der unziemlichen verkleinerlichen hafft ohne aller entgelt entlassest, der abgenohmenen stück wie nicht weniger für die erlittene schmach und zugefügten schaden gehörige reparation thuest und ihne ferner frey sicher und unbelaidigt in fortführung seiner rechtfertigungssach hinfüro gehen laßest ... Wir haischen und laden daneben dich, daß du auff den dreyßigsten tag nach beschehener mitteilung dieses durch deinen gevollmächtigten anwaldt ahn hießigem unßerem Kayßerlichen Cammergericht erscheinest, glaubliche anzeig und beweiß zu thuen, daß dießem unsern Kayßerlichen Gebotten alles ihres inhalts gehorsamlich gelebt seye oder aber beständige erhebliche ursachen und einreden, ob du einige hättest, warumb solche erclärungen nicht geschehen solten, in rechten gebührlich vorzubringen, und entlichen fürtersamben entschiedts darüber zu gewarten“.

Die Gegenseite suchte nun einerseits mit dem erzwungenen Bekenntnis Vossell in Speyer zu belasten. In ihren Argumenten spielte eine Hauptrolle, derselbe stehe als Untertan des Grafen unter dessen Botmäßigkeit und habe dieser als ein unmittelbares und getreues Glied des Reiches wohl erwarten dürfen, mit dergleichen ungerechtfertigten und höchst strafbaren Klagen eines Untersassen nicht beschwert zu werden. Sein Vorgehen gegen denselben sei auch nicht durch den beim höchsten Tribunal anhängigen Rechtsstreit, sondern wegen der freventlichen erkannten, überführten und abgebetenen Exzessen geschehen, womit er die hohe Person des Grafen selber, dessen Diener und Jurisdiktion beleidigt. Auch dem Rechtsbeistand des Klägers, der als Gegenschriftdichter, Schriftstehler tituliert wird, ist angedroht, daß der Graf ihn zu finden wissen werde, weil er dessen Untertanen zu halsstarrigem Ungehorsam und zur Rebellion anreize. Sein Anwalt hatte allerdings mit guten Gründen die Vossell zur Last gelegten Vergehen als einen Vorwand des durch den Bergwerksprozeß gereizten Gegners zu seinen Gewalttätigkeiten dartun können. Auch suchte er nicht ohne Geschick der Argumentation desselben den Boden zu entziehen, indem er betonte, daß sein Klient nur der Pächter nicht aber der Untertan des Grafen gewesen sei, da er weder im Blankenheimschen geboren, noch jemals dem Grafen den Untertaneneid abgelegt habe; auch habe er bei Beginn des Prozesses seine Wohnung in Burgfey aufgegeben.

Andererseits wollte man Vossell selber einschüchtern. So schrieb der gräfliche Kanzlei=Direktor Wilhelm Hartmanni am 21. Februar 1672 „dienstfreundwilligst“ an denselben nach Roggendorf, warum er nicht zu einer Unterredung nach Burgfey, wegen der dortigen Pachtung gekommen sei; spricht dann von Diensten, die er ihm bei seiner Verhaftung „treu wohlmeinend“ erwiesen habe und wolle ihm vertraulich mitteilen, wenn er seinem eidlichen Versprechen nicht nachkomme, werde neben andern unfreundlichen Mitteln sein Name an verschiedentlichen Orten, auch in der Stadt Frankfurt, wo Vossell eine Faktorei im Bleihandel hatte, an den lichten Galgen geschlagen werden zur ewigen Schande für ihn und die Seinigen. Er hoffe Vossell werde seinen wohlhergebrachten ehrlichen (!) Namen, Handel und Wandel weiter wissen zu konservieren, könne sich auch vor gewiß versichern, daß er mit keinem Mandat in Ewigkeit etwas werde ausrichten, da sein gnädiger Herr selbige alle mal werde hintertreiben können. Aehnlich hatte Hartmanni sich anderswo geäußert: „wenn Vossell gewinnen sollte, wer werde nach gefälltem Urteil die Exekution tuen?“

Vossell, der sich der empfangenen Dienste wahrlich nicht rühmen konnte, fertigte den Briefschreiber kurz und ingrimmig ab, er habe nichts zu Burgfey, noch auf Blankenheimschen Gebiet weder mit ihm, noch mit seinem gnädigen Herrn zu schaffen; wenn man ihm etwas wolle, solle man solches schriftlich tun, er würde alsdann wissen, schriftlich zu antworten. Mitte März reiste er darauf persönlich nach Speyer, um seine Sache dort zu vertreten. Daheim ist es inzwischen seine tapfere Hausfrau, die, wie sie ihrem „viellieben und geehrten Ehemann“, der weiterhin nach Frankfurt zur Messe gereist war, am 14. April schreibt, sich „unsere sache hoch angelegen“ sein läßt und „arbeit so vill mich möglich ist, damitt doch den mutwilligen und außgelassenen werd ein zaum anglegt und anderen menschen der mund gestopfft“. Sie muß ihm aber auch mitteilen, daß „die zu Blankenheim aller schulder, so in der graffschafft seint, zusammen lassen kommen und bey eidtspflicht abfragen, etliche haben müssen durch großen zwang bezahlen. Ich hab gehörtt, daß die so lang wollen hollen, wo sie nur etwaß wissen zu bekommen, biß daß sie daß haben, waß ihr versprochen hatt zu geben, alß sie euch haben gefangen gehatt“. Damit nicht genug, berichtete auch der Anwalt, daß die Blankenheimer am Tage nach seiner Abreise wieder mit vier Schützen nach Vossell gefahndet hätten, um ihn aufs neue zu verhaften.

Es ist nicht zu verwundern, daß die Stimmung Vossells gereizter wurde und da auch nach seiner Rückkehr nichts durchgreifendes „von Kayserlicher Macht“ zur Ausführung der erlassenen Mandate und zu seinem Schutze geschah, noch auch eine Entscheidung in dem Prozesse am Reichskammergericht erfolgte, er sich mehr und mehr auf Selbsthilfe angewiesen sah. Das wurde von seinen Gegnern wieder zu neuen Anklagen in Speyer benutzt: Vossell sei eines ganz desperaten Lebens, kenne keinen Gott und kein Gebot, besuche die Kirche nicht mehr, mit Rohr, Pistolen und Degen bewaffnet komme er nach Burgfey, stoße Drohungen gegen die Bedienten des Grafen aus, und es sei zu befürchten, daß er sie auch ausführen werde usw. Demgegenüber wieß sein Anwalt darauf hin, daß, wenn nach Aussage des Pastors Everhard Attendorn 6) Vossell mit seiner Hausfrau die gräfliche Kirche in Mechernich nicht mehr besucht habe, er dazu rechtschaffenen Grund gehabt, weil der Herr Graf ihm so stark zugesetzt habe; daß er aber „sonsten anderßwo gleich einem christlichen menschen nicht allein sonn= und feyertagß, sondern auch zu anderen zeithen dem gotteßdienß beygewohnet, oft gebeichtet und communiciert habe, darüber kann anwalts prinzipal nit ein sondern 10, 20 und mehr zeugnisse beybringen“. Wegen des eidlichen Versprechens sei derselbe von Speyer durch verständige Rechtsgelehrte berichtet worden, daß in diesem Falle keine Absolution, sonderlich nicht von den weltlichen richtern nötig sei, gleichwohl habe er sich überflüssigerweise von seinem Seelsorgen absolvieren lassen 7). Vossell sei aber auch schon vorher zwanzig und mehr Jahre gleich andern Passagieren zu seiner Verteidigung mit Degen und Pistolen durch vieler Reichsfürsten Länder nach Frankfurt und sonsten wo er hin und wieder zu tun hatte, gereist. Daß sich aber bei Vossell die nach allem, was vorangegangenen verständliche und nach dem Wortlaut der ihm abgezwungenen Erklärung nicht unbegründete Ueberzeugung festgesetzt hatte, er sei seines Lebens nicht mehr sicher, geht aus der Zeugenaussage des früheren Blankenheimischen Kanzlei=Direktors Johann Matthias Eschermann hervor. Nach Gartzem reitend, hatte dieser oberhalb der Burgfeyer Schlaghecken einen Pfiff gehört; als er sein Roß umwandte, sah er Vossell, ein langes Feuerrohr in der Hand haltend, am Wege stehen. Auf seine Frage, warum er das Rohr nachtrüge, habe derselbe geantwortet: „Es werd geredt, daß der eine oder andere ihm nach dem leben trachtete, darumb truge er das rohr nach uff den fall, daß er von einem oder andern attaquirt wurde, sich damit zu wehren“.

So kam es denn, daß Christian Vossell, um sich weitern Zugriffen seines Gegners zu entziehen, im Oktober 1672 in den sichern Mauern der Stadt Euskirchen Zuflucht suchte und fand. Da ihm aber auch dieser Schritt von seinen Feinden übel ausgelegt wurde, ließ er sich von der Stadt einen Bürger= und Schutzbrief ausstellen. Das interessante Dokument lautet wörtlich wie folgt:

„Wir dero des Fuerstenthumbs Gulich Mithauptstatt Euskirchen Burgermeistere und Ratsverwandte thun menniglichen zu wissen, daß heud dato ahm end beschrieben, unß ahn seithen des ehrengeachten und vornehmen Christianen Vaissell, burgeren und kauffhandleren hieselbst, klaglich zu erkennen gegeben worden, welchergestalt der hochgebohrner Herr Graff zu Blankenheim etc. in deme zwischen ihme H. Graven und obgemeltem Voißel ahm hochloblichem Kayserlichen Cammergericht zu Speyr schwebendem proceße schriftlich eingeben laßen, daß er Voißel sich alhier schlimmer alß ein man oder unterthan verhielte, jha so schlecht possessioniert seye, daß nit mehr zu leben habe, und deßwegen in kriegsdiensten sich begeben – dadurch dan hochgemeltem Hn. Graven oder dessen dienere ahn leib und leben beschädigen wolte; ueber welches ob denn also oder nicht wehre, zeugnus der Wahrheit, dessen sich ehrennotturft nach zu gebrauchen, dienstfleißig gebetten worden.

„Weilen nun wir diese bitt zim= und billich erachtet, auch kundschaft der wahrheit niemanden zu versagen geneigt, uber das die unserige mit wahrheitsgrundt zu ehren, wohlfahrt und rechten zu befurdern willig und schuldig seind, alß bezeugen wir Burgermeister obgemelt, bey unsern pflichten, oder wie hoch uns eine wahrheit zu sagen gebuhret, demnach vorberurter Christian Voißell vor ungefehr jahresfrist sich von Roggendorff, unß benachbahrten orth, alhier häußlich nidergelassen, und wir von ihm anders nit alß gutes gewust, er auch die zeit, alß bey unß gewohnet, sothane prob die einem ehrlichen man zustehet, von sich geben, daß wir Burgermeistere vielgemelt ihnnen Voißel zu unßerem mitburgeren uff und ahngenohmmen, derselb auch sein burgerrecht gleichs andern verthätiget und sich ferner bißhero also verhalten habe, daß wir mit ihme alß mit einem ehrlichen mitburgern zufrieden sein; und obzwaren erwendter Voiszel mit unbeweglichen guteren in so kurtzer zeit sich alhier nit versehen, dannoch derselb in gereiden so vermögig ist, und alsolchen kaufhandell treibet, daß dieser burgerschaft nutz und wohlfahrt dabey versiret, und wir einen jeden auß unseren mitburgeren sothane haabseligkeit und fortgang wohl wunschen, so daß vielgesagten Voißell als mitburgeren gern langer gedulden mögen, und ungern sehen, wan er sich zu sein besseren fortun widerumb auswendig begäbe.

„Derhalben sowohl ahns hochlobliche Kayserliche Cammergericht zu Speyr alß sonsten jedermenniglichen hohes und nidriges standts, so mit diesem unserem offenen brief ersucht wirdt, ist unser respective unterthänigst dienst= und freundliches bitten, dies unserem zeugnus volstendigen glauben beyzumessen und Christianen Voißel wegen seines wohlhaltens zu gnädigtster und respective gunstiger befurderung zu verhelffen, das kompt unß imgleichen umb einen jeden stands gebuhr nach zu beschulden.

„Des zu wahrem urkundt geben wir dießen brieff mit unserem gewöhnlichen stattinsiegel wohlwissentlich bekräfftiget im jahr tausend sechshondert siebentzig drey den dreißigsten tag septembris newenstyli.“

Siegel eingepreßt: Mauer flankiert von zwei Tortürmen, Umschrift: STAT EUSKYRCHEN.

Während nun Vossell unter dem Schutz und Schirm der Stadt Euskirchen weiter seinem Geschäfte oblag und wieder die Frankfurter Herbstmesse 1673 besuchte, ging der Federkrieg zwischen dem Blankenheimer Advokaten Dr. Joh. Leonhard Schommartz und dem Anwalt Vossells, dem Licentiaten Joh. Philipp Nidderer am Reichskammergericht eifrig weiter, nun schon ins vierte Jahr. Am 30. Juni 1674 reichte Schommartz wiederum eine „Underthenigste und abgenottigte widerlegung gegentheiligen vermeinten gegenberichts auch rechtmäßigste bitt in sachen Vossell gegen Manderscheid=Blankenheim“ ein. In demselben heißt es von dem Gutachten der Stadt Euskirchen, daß diesem Attest als einem einseitig erbettelten Instrument kein Glauben beizumessen sei; „er, Vossell, bringe von seiner angeborener obrigkeit – der Arenberger, gegen welche ja Graf Salentin selber 1662 denselben in Schutz genommen hatte – den geringsten formblichen schein einer friedliebenheit und wolhaltens et erit magnus Apollo (und er wird ein großer Dichter sein)“. Als neuen Grund zur Klage gegen denselben wird angeführt, daß er von dem durch ihn „gantz und zumahlen ruinierten, verdorbenen=niedergewohnten in vielen jahren in guten zustand nicht wider bringenden Burgfeyer Hof“ flüchtig geworden sei.

Der Gegenanwalt konnte nun aber eine im Beisein gräflicher Beamten vorgenommene Bestandsaufnahme des Hofes vom 30. März 1660 bei Uebernahme durch seinen Klienten beibringen, gemäß der bereits damals Torbau, Scheune, Stallungen, Backhaus baufällig, auch das Wohnhaus selber in schlechtem Stand gewesen; der Boden der Küche war voller Löcher, im Keller das Gebälk dem Einsturz nahe, in der Stube fehlten die obern Fenster und waren mit Stroh und Schaffellen verstopft, endlich das Dach in solchem Zustande, daß man auf dem Speicher kaum Früchte lagern konnte. Den Hof, welchen Vossell ödt und wüst übernommen, habe er im Gegenteil merklich gebessert, weshalb er noch ein großes an dem Grafen zu fordern habe. Da er den Hof allerdings zu seiner persönlichen Sicherheit habe verlassen müssen, hätte er ihn weiter durch fremde Leute bestellen lassen.

Ueber einen Rechtsspruch des Reichskammergerichts enthalten die Akten nichts 8). Jedenfalls scheint der Prozeß nicht nach Wunsch des Grafen ausgegangen zu sein. Denn im nämlichen Jahre 1674 verkauft derselbe den nachweislich fast dreihundert Jahre im Besitze seines Hauses gewesenen Anteil an der Herrschaft Mechernich dem Mitbesitzer Freiherrn von Nesselrode. Es war dies wohl der einzig mögliche Ausweg aus der fatalen Lage, in die sein autokratisches Vorgehen den Grafen gebracht hatte. Ein gut Teil Mitschuld trifft aber auch die servilen Beamten des bereits im Alter von 14 Jahren, wenn auch zunächst unter Vormundschaft zur Herrschaft bestimmten Junggrafen, welche in dessen Abwesenheit nur zu gerne tyrannisierten. Im übrigen stellt die Geschichte Graf Salentin Ernst das ehrende Zeugnis eines sowohl um das religiös=sittliche und geistige wie auch um das materielle Wohl seiner Untertanen eifrig bemühten Regenten aus 9).

Christian Vossell ist mit seiner Familie in Euskirchen heimisch geblieben und vermutlich auch daselbst gestorben. Seine Witwe lebte dort noch im Jahre 1686. Zwei Söhne und drei Töchter werden genannt und dürften im Zeitalter der Ahnenforschung einige Angaben über diese von Interesse sein. Heinrich Vossell heiratete Gertrud, eine Verwandte des Kommerner Pastors Daniel Clever, von der er drei Kinder Daniel, Matthias und Margret vermählt mit Gerhard Franken erhielt, während Thomas wahrscheinlich in Euskirchen zwei Söhne, Johann und Werner hatte, deren letzterer 1714 in Münstereifel den Bürgereid leistete. Gertrud Vossells Name findet sich mit dem ihres Mannes Ludwig Schwarz zu Strempt inschriftlich am Hause Nummer 188. Von den beiden andern Töchtern heiratete Katharina in Euskirchen Matthias Baum(s), deren Kinder waren Christian, Wilhelm und Anna und die zweite Heinrich Birekoven (Berekoven) mit einem Sohn Matthias.

Christian Vossells Name verdient als eines der weitsichtigsten und kühnsten Unternehmer am Bleiberge, der leider nicht vom Glück wie die Meinertzhagen und Kreuser begünstigt wurde, der Vergessenheit entrissen zu werden. Was er gewollt hat, ist erst 150 Jahre später im größten Ausmaß zur Durchführung gekommen. 1807 begann eine neue Burgfeyer Stollengesellschaft mit dem Bau eines Stollens vom Feytale aus zwecks Trockenlegung der westlich des alten Mechernicher Berges gelegenen zur Konzession Günnersdorf gehörenden Reviere Sittard und Peterheide, an den bis 1910 nach und nach der ganze Bleiberg bis nach Kalenberg angeschlossen wurde. Heute ist der Burgfeyer Stollen mit sieben Kilometer Länge die Hauptwasserableitung; die alten Meinerzhagener Stollen sind längst eingegangen. Was Vossell wirklich hatte schaffen können, die Erzwäsche und Schmelzhütte zu Burgfey, entwickelte sich in der Zukunft zu einer wichtigen Aufbereitungsanlage und Bleihütte, die noch über die Mitte des 19. Jahrhunderts bestanden hat.

Längern Bestand hat noch ein anderes Werk gehabt, das Christian Vossell in seinem Geburtsort errichtet hat. Er und seine Gattin sind die Erbauer der alten Roggendorfer Kapelle gewesen, in der bis zur Erbauung der neuen Kirche im Jahre 1890 der Gottesdienst gehalten wurde. Die Stiftungsurkunde über die in der auf den Titel Johannes Enthauptung errichteten Kapelle alle vierzehn Tage zu haltenden Aemter mit der eigenhändigen Unterschrift der beiden Ehegatten ist noch im Erzdiözesanarchiv zu Köln erhalten. Sie lautet folgendermaßen:

„Ich Christian Vossell und Maria Crumels eheluth bekennen ubermitz unser underschreibener aigener handt, welcher gestalt wir auß gottseliger meynung undt ahntreibung des gemuts zur höchster ehren Gottes uns vorgenohmen, ein oratorium oder capell in daß dorf Roggendorff zu erbawen zu dem endt, daß zu allen vierzehntagen in selbiger capellen durch den zeitlichen herren pastorn in Mechernich – oder durch dessen verordenung ein zeitlicher capelan – daß hl. Ambt der messen moge gehalten werden; darab er officians von einhundert reichsthaler daß interesse geneißen und haben soll, welcher auch den notigen wein zu geben gehalten sein soll. Damit ein zeitlicher officians deß interesse versichert sey, globen ich Christian selbst solang ich lebe, solches zu bezahlen, in mißbezahlungspfall aber setzen alle mein haab und guter zum angrifflichen underpfandt ... biß dahin diß obgeschreibenes capitall der fundirter einhundert rthl. auff ein sicheres underpfandt angelegt.

„Uber deises alles pitt ihre hochwurden belieben tragen wollen, deise unsere wolmeynung zu confirmieren – so geschehn zu Burgfey ahm 3. septembris jahrß 1669 in gegenwarth deß wolehrwurdigen herren pastoren Petro Hochgurdell, pastoren zu Mechernich, so dann herrn Danielo Claut und Georgio Moerß, burgern in Collen, als herzu beruffenen gezugen“. (Folgen die Unterschriften.)

In diesem Dokument hat der Vielverlästerte seiner Gesinnung, seinem Eifer und seiner Tatkraft auch auf religiösem Gebiet ein dauernd Denkmal gesetzt.

Anmerkungen

  1. Dieselben sind hauptsächlich den im Staatsarchiv zu Düsseldorf beruhenden Prozeßakten des Reichskammergerichts V 435 sowie die einschlägigen Akten der Reichsherrschaft Mechernich Nr. 16 und 17 daselbst entnommen. Wiederholt zurate gezogen wurden die wertvollen Veröffentlichungen von Betriebsleiter Hubert Roggendorf, insbesondere dessen gediegenes Werk: Mechernich, Altes und Neues zur Heimat= und Pfarrgeschichte, Köln (1929).

  2. Zur Sicherung ihrer Anlagen sahen sich die Meinertzhagenschen Offizianten sogar veranlaßt, Blockhäuser zu errichten und mit Scharfschützen zu besetzen.

  3. Er ist auch der Begründer des Jünkerather Eisenwerkes gewesen. 1687 erteilte er dem Hüttenmeister Jean de l'Eau die Konzession: „ein frey hüttenwerke auff beste manier in unserer reichsfreyen herrschaft Jünkerath auffzurichten“. Die Urkunde ist abgedruckt in den Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, 11, 128. Dasselbe hat sich in der Zukunft gewaltig entwickelt und ist erst 1896 als letzte der Eifeler Eisenhütten eingegangen.

  4. Vermutlich hat er in der Familie Hüttenianus (später Huttanus) eingeheiratet; ein Hüttenjans hat dieselbe 1612 erbaut.

  5. Hier hatte schon zweihundert Jahre früher ihr Vorfahre, Ritter Arnold v. Nechtersheim, Amtmann von Euskirchen, gewohnt. Aus dessen Zeit stammt noch die Rieseneiche am Burghof, die mit einem Stammesdurchmesser von 1 ½ Meter und einer Krone im Umfang von 85 Meter ihre Schwestern an der Zieveler= und der Hardtburg noch weit übertrifft, überhaupt in hiesiger Gegend ihresgleichen nicht hat. Sie muß schon ein stolzer, weitschauender Baum gewesen sein, als Christian Vossell und Maria Krummel in Burgfey einzogen.

  6. Im Gegensatz zu diesem, der gestand, daß er mit Vossell in „einiger feindschaft und mißverstand“ sei, nennt der Kommerner Pfarrer denselben seinen „ersamen und insbesonderß guten freund“.

  7. Nach heutigem kirchlichen Rechte ist auch ein gewaltsam und durch schwere Furcht erzwungener Eid gültig; jedoch kann die Verpflichtung von der geistlichen Obrigkeit aufgehoben werden.

  8. Auch aus den Protokollbänden des Reichskammergerichts, die in der Reichsarchivabteilung Frankfurt am Main beruhen, konnte nichts ermittelt werden. Da jedoch die Sammlung der Beschlüsse aus der Speyerer Zeit nicht vollständig zu sein scheint, kann nicht mit Sicherheit gefolgert werden, daß ein Urteil im Prozeß Vossell Manderscheid=Blankenheim nicht ergangen sei.

  9. Siehe Geschichte des Dekanates Blankenheim von Pfarrer Johannes Becker, Köln 1893, S. 175 ff.


Euskirchener Volksblatt, Nr. 84, 11.4.1942; Nr. 86, 14.4.1942; Nr. 94, 23.4.1942; Nr. 101, 1.5.1942; Nr. 107, 9.5.1942; Nr. 113, 16.5.1942.


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