Die Gründung
Mariawalds und der Sagenkranz um das
Heimbacher Gnadenbild Eine
Untersuchung aus dem Grenzgebiet von Sage und Geschichte Von
Dr. Reinhold Heinen (Berg vor Nideggen)
A. 1. Der Wortlaut der
Aufzeichnungen Radermächers
Die Erzählung
Radermächers macht in der Tat auf den ersten Blick einen
ehrlichen und naivfrommen Eindruck. Da sie die Grundlage für
unsere Untersuchungen bildet, sei ihr Wortlaut hier genau, jedoch
in heutiger Sprache und Rechtschreibung, mitgeteilt:
Anfänglich ist
einer gewesen, hat geheißen Heinrich Fluitter von
Heimbach, und ist ein Strohdecker gewesen. Der hat das
Marienbild zu Köln gesehen feilstehen und hat es gekauft.
Aber er hatte nicht so viel Geld, daß er es bezahlten
konnte, und es wurde ihm geschätzt auf neun Mark. Da ist er
nach Heimbach gegangen und hat seine Not dort geklagt: Hätte
er neun Mark, so wolle er das Bild kaufen und in den Busch
stellen. Da hat ihm einer diese erwähnten neun Mark
gegeben, welcher der alte Hein Richardt geheißen hat. Da
ist er wiederum nach Köln gegangen und hat dies Marienbild
geholt und bezahlt.
Item zum ersten hat er dies
erwähnte Bild in der Außenmark in einem Baumstamm
(höltze Stöckelgen) gestellt und es ist eine Zeitlang
dagewesen. Da hat er gedacht, es diene ihm da nicht, es wäre
ihm zu einsam, und da hat er dies Bild also hierher getragen auf
die Wegekreuzung. So ist das Bild hierhergekommen und hier
geblieben.
Item ist dort ein kleines
Häuschen gemacht und darin das Bild gesetzt worden und der
Fluitter ist in einer Hütte (Löecksgen) dabei
geblieben und hat manches Mal gesagt, nach seinem Tode werde
seine Maria Zeichen tun und die seien schon geboren, die ein
schönes Münster hier stehen sehen werden.
Item darauf hat das Volk hierhin
zu wallfahrten begonnen und von Tag zu Tag mehr und mehr. Da hat
man eingesehen, daß unsere liebe Frau hier verehrt werden
wollte, und es ist ein großer Zulauf entstanden. Da der
Teufel das gern verhindert hätte, sind etliche Doktoren mit
anderen Prälaten und Klerikern, auch der Propst von
Neydeggen, hierhergekommen, die das stören und verhindern,
und das Bild versuchen und untersuchen wollten, und sie haben
das Bild zuletzt also befunden und das Lob unserer lieben Frauen
gesungen.
Item man hatte auch gesagt, dies
Marienbild hätte geweint. Des spotteten die Doktoren und
stachen das Bild ins Haupt und meinten, es wäre Betrug und
es wäre etwas dem Bilde in das Haupt getan, und das sollte
also herausgeträufelt sein. Da haben die Doktoren sich
dessen nicht mehr unterstanden und sind hinweggezogen und haben
den Fluitter mit seiner Marien gewähren lassen.
Item, als nun der Fluitter tot
war und der Zulauf sich von Tag zu Tag vermehrte, haben die
Nachbarn von Heimbach von zwei Brüdern ein Häuschen
aus dem Opfergeld machen lassen und einen alten frommen Mann,
geheißen Paulus Schilder, darein gesetzt, um des Opfers
und der Pilger zu pflegen und das Bild zu beleuchten. Er hat
demnach gehandelt und ist allein darin gewesen. Als nun dieser
erwähnte Paulus Schilder eine Zeitlang allhier unserer
lieben Frauen treulich gedienet, hat man ihn an einem Morgen in
seiner Zelle auf den Knien sitzend vor einer Bank mit gefalteten
Händen tot aufgefunden.
Item danach haben die von
Heimbach einen anderen Mann dahin gesetzt, geheißen
Thönnes Sattelmacher. Derselbe hat auch eine Zeitlang
unserer Liebfrauen gedient und ist auch allhier gestorben.
Danach haben sich drei Priester
zusammenverbunden, um sich des Marienbildes und des Ortes
anzunehmen und die Kirche und was andere nötig wäre,
dort zu bauen, mit Namen Herrn Johann Daum von Bürvenich,
Pastor zu Heimbach, Herr Johann von Hergarten und Herr Florens
von Vlatten und diese zwei, Herr Johann von Hergarten und Herr
Florens von Vlatten sind ihrem Gelübde und Bündnis
untreu geworden. Herr Johann Daum ist standhaft geblieben und
hat eine hölzerne Kirche, die nicht wenig kostete, und viel
anderes machen lassen und all sein elterliches Gut verbaut. Weil
diese zwei Herren von ihrem Gelübde und Bündnis
abgefallen waren, so ist Herr Johann von Hergarten irrsinnig
geworden und Herr Florens eines plötzlichen Todes gestorben
und so sind beide erwähnten Herren gestorben.
Item danach sollten die
Observanten herkommen und es war ihnen genehmigt, als die Herren
Observanten Bedenken bekamen, Düren sei zu nahe (wegen des
Terminierens) und so wollten sie nicht herkommen. Also schloß
Herr Johannes Daum mit den Herren von Bottenbroich einen
Vertrag, daß sie es annehmen, und wurde ihnen das auch
1480 von meinem gnädigen Landesfürsten und Herren
genehmigt. Da kam einer hierher, hieß Herr Gerhard und ein
Junker, hieß Herr Johann von Köln. Die haben es
übernommen und weitergebracht. Der erwähnte Herr
Johann von Köln ist danach eine lange Zeit Prior gewesen
und hat große schwere Arbeit getan.
Item sind auch mittlerweile
viele Zeichen geschehen an Kranken, Blinden, Lahmen und
elendigen Menschen. Das ist diesen Herren, die hier wohnen, wohl
bekannt.
Item hat mein Vetter geheißen
Johann Radermacher, die Holzkirche gesehen und daran arbeiten
helfen, die der erwähnte Herr Johann Daum (als ihn seine
Genossen im Stich gelassen) hat errichten lassen, die nachher
abgebrochen wurde, und dies Münster wurde auf dieselbe
Stelle gesetzt, auf der die Holzkirche gestanden hatte, wie der
erwähnte Fluitter vorher gesagt hatte: Nach meinem Tode
werde Maria Zeichen tun und sie sind schon geboren, die ein
schönes Münster allhier stehen sehen sollen.
Item habe ich Michael Rademächer
gesehen, als ich ein Junge von neun oder zehn Jahren war,
nachdem die Doktoren hier gewesen waren, da waren in dem
Häuschen, in dem das Marienbild stand, Ludwig von der
Schleiden, derzeitiger Burgraf, Michael Otter, derzeitiger
Schultheiß, Hein auf der Rurpforte und mehrere andere. Sie
wollten herausgehen und sich entfernen und es waren noch ein
oder zwei von den Leuten in dem Häuschen. Die noch da
waren, sagten, ich möge die zurückholen, die weggehen
wollten. Ich lief und erreichte sie an dem Weierchen und die da
zurückkamen da habe ich gesehen, daß dies
Marienbild weinte und die Tränen noch auf der Backe hingen.
Zu Urkund der Wahrheit aller
erwähnten Punkte habe ich erwähnter Michael von
Heimbach zur Zeit Landvogt in Nideggen, dies Erwähnte alles
gesehen und gehört und erlebt und den Tag erlebt, daß
nicht mehr auf diesem Platze gestanden als das erwähnte
kleine Häuschen, in dem das Bild zuerst gestanden hat. Ich
habe das Vorstehende mit meiner eigenen Hand geschrieben am
Donnerstag nach dem heiligen Pfingsttag Anno tausendfünfhundert
drei und zwanzig und bin alt gewesen zwei und sechzig Jahr und
innerhalb dieser erwähnten Zeit ist dies Kloster von den
Erwähnten errichtet worden. Gott sei Lob.
Der Wortlaut dieser Erzählung
ist abgedruckt bei Goerke (Das Zisterzienserkloster Mariawald, 3.
Auflage 1932, S. 1ff) und bei Grubenbecker (Annalen des
Historischen Vereins für den Niederrhein, Bd. 26 und 27, S.
372 und 295). Der oben mitgeteilte Wortlaut beruht auf einer in
meinem Besitz befindlichen beglaubigten Abschrift des Pfarrers
Kalff in Heimbach vom 8. Dez. 1872.
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Heimatblätter,
Beilage zur Dürener Zeitung, Nr. 19, S. 145-149, 20.9.1934;
Nr. 20, S. 153-156, 4.10.1934; Nr. 21, S. 162-165, 18.10.1934;
Nr. 22, S. 170-172, 31.10.1934; Nr. 23, S. 181-183, 15.11.1934. |