Leben und Werk von Nikolaus Reinartz,
Pfarrer und Heimatforscher - Ein Projekt von Nikola-reinartz.de und Nikolaus-reinartz.de





Weistümer unserer Heimat
1. Folge

Amt Hardt, Kuchenheim, Stotzheim
Arloff (Kirspenich, Weingarten, Rheder).
Hofweistum Weingarten,
Herrschaft Zievel (Lessenich, Rissdorf)


Nach archivalischen Quellen herausgegeben
und ortsgeschichtlich erläutert

von Nikola Reinartz, Pfarrer




V. Weistum des Münstereifeler Kapitelhofes zu Weingarten





Vorbemerkung

Dieses Weistum ist ein sogenanntes Hofesweistum, in welchem die Rechte und Verpflichtungen des dem Stiftskapitel zu Münstereifel gehörenden Herren- oder Frohnhofes zu Weingarten gegenüber den Hofesleuten, (das sind die mit den Gütern des Stiftes belehnten hofhörigen Leute) sowie der Gemeinde (Kirchspiel) gegenüber gewiesen werden. – Zum Verständnis müssen wir auf die ältesten Nachrichten über Weingarten im Güterverzeichnis der Abtei Prüm von 893 zurückgehen unter Hinweis auf das bereits zum Weistum Arloff Bemerkte. Demzufolge besaß durch königliche Schenkung die Abtei bezw. das zur wirtschaftlichen und geistigen Kultivierung der Umgegend gegründete Neue Münster in der Eifel in Weingarten 10 Hofstätten 1) mit Weinberg, Wald, Wiesen und zwei Mühlen, welcher Besitz zu einem Frohnhofsverbande ausgebaut wurde, ein dem Mittelalter eigentümlicher Wirtschaftsorganismus, der unabhängig vom öffentlichen Gerichtsbann und der Gemeindeverfassung (Markgenossenschaft) für sich bestand. Ihren Ursprung hatte diese Organisation in der sogenannten Immunität, d. h. der Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Gaugrafen, welche schon die fränkischen Könige den kirchlichen Stiftungen und deren Besitz in Würdigung des geistlichen Standes und zur Förderung der kulturellen Wirksamkeit der Kirche erteilt hatten. Diese Immunität führte dann zu einer eigenen Gerichtsbarkeit der Frohnhöfe, welche dieselben Formen wie die Schöffengerichte annahm. Deren Zuständigkeit erstreckte sich nicht allein über die ,dinglichen Verhandlungen, welche von den Kapitels Lehen und Hofgütern herkommen, sondern auch über persönliche Angelegenheiten, soviel deren zwischen ihren Lehens- und Hofsleuten wegen erschienenen Zinsen, Gefällen und Renten, auch dahin verursachten Schadens und schuldigen Nachstandes erwachsen möchten'. 2) Vielfach hatten diese Hofesgerichte auch weitere Befugnisse bei Vergehen krimineller Art, die mit Strafen an Leib und Leben geahndet wurden, wie ich solche in alter Zeit auch bei Weingarten annehmen möchte.

Das geltende Hofesrecht ist in der hier erstmalig abgedruckten um 1600 anzusetzenden Originalurkunde im Staatsarchiv Düsseldorf, Akten des Stifts Münstereifel, Specialia Weingarten, enthalten. Ueber die zum Frohnhofsverband gehörenden Güter unterrichten uns das Lehnbuch des Stiftes im Münstereifeler Stadtarchiv, das Statutenbuch des Stiftes mit Rentverzeichnis aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, endlich das 1601 von dem Hofesschultheiß Johann Boßhammer angelegte Protokollbuch des Hofgerichtes, beide im Staatsarchiv Düsseldorf. Der Kapitelshof selber, welcher nördlich von der Pfarrkirche am Bergabhang gelegen war, umfaßte 58 ½ Morgen Ackerland und Wiesen, welche gleich der Kapitelsmühle in Zeitpacht ausgetan wurden. 3) Die übrigen Lehngüter des Hofesverbandes in Weingarten, Rheder, Stotzheim. Kirspenich – es werden unter andern genannt der Zillenhof, der Hof an der Bach, der neue Hof in Weingarten, der Hof zu Kirspenich, die Schäferei in Rheder, der Eldernhof in Stotzheim, ferner Güter, die in den Broicher- und in den Heuthauserhof gehörten, waren gegen mäßigen Zins in Erbpacht gegeben, mußten bei Todesfall allerdings die Kurmut entrichten, konnten aber auch wie volleigener Besitz zu Lebzeiten von den Lehnsträgern verkauft werden, wie das Protokollbuch im einzelnen ausweist.

Satzungen und Verordnungen der Schöffen und Hofsgeschworenen in Weyngarden.

Im Namen des Herrn. Amen!

Das Weistum und Rügen des Schöffen und Hofgeschworenen zu Wyngarden auf des Kapitels Hof von Münster Eyffell daselbst und dessen Hofsgedingen 4) sollen im Jahr dreimal gehalten werden zum ersten des Montags nach dero Heiliger Dreyer Köning Tag, zum zweiten des zweiten Montags nach Ostern, zum dritten des ersten Montags nach Sankt Johanns Tag im Sommer.

Auf denselben Gedingen sollen erscheinen die Schöffen 5) des Hofs sampt dem Hofsmann und sollen die Achten weisen wie hernach folgt, und so jemand davon ausbleiben würd, weist der Schöffe denselben bußfällig, als nämlich zum ersten achtenhalben Schilling und zum zweiten gleichfalls achtenhalben Schilling deren Klosterherren Schultheißen zur Zeit zu geben; zum dritten fünf Mark unserm Gnädigsten Herrn oder Ihrer Kurfürstlichen Gnaden Befehlshabern zur Zeit 6). Imfall aber jemand darüber ausbliebe soll desselbigen Lehengut dem Kapitel oder den Herren von Munster wiederum heim erfallen 7) sein.

Die erste Acht.

Zum ersten weist der Schöffe und Geschworene, daß ein Ehrwürdig Kapitel das Hochwürdig und Heylig Sakrament Nacht und Tag beleuchten soll; auch das Schiff (boytgum = Bauch oder Bottich) der Kirche gedeckt (dechich) haIten soll, der Pastor den Chor und die Nachbarn den Turm 8). Auch soll auf dem Hof gehalten werden zum Zuchtvieh (Zyllvehe) ein Fohlen (vaill) und ein Stier; und so der Stier mit der Nachbarn Vieh heim ginge, soll derselbige Nachbar schuldig sein, den Stier: unverletzt wiederum zu liefern auf den Hof, und imfall solches nicht geschähe und der Stier darüber zu Schaden ginge, soll derselbige Nachbar schuldig sein, den Stier zu bezahlen.

Die zweite Acht.

In der zweiten Acht weist der Schöffe dem Kapitel und Klosterherrn zu Munster einen freien Busch, nämlich die Pfaffenhardt 9); darauf soll der Hofsmann haben den faulen Stock und den dürren Zopf. Wer sich aber verginge 10), soll von der Herren geschworenen Schützen gepfändet werden, und derse!be soll die Pfande auf den Hof liefern, und sollen folgends von den Schöffen besichtigt werden; und was der Schöffe für Schaden geschehen zu sein erkennen wird, soll derselbe auszurichten schuldig sein. Auch in demselben Busch soll man dem Hofsmann an den neuen Notbau drei Hölzer 11) geben, jedoch nach dem mindesten und geringsten Schaden. – Wofern jemand unempfänglicher Hand in der Herren Güter söße, der soll es empfangen und also mit in dritte Acht gehen.

Die dritte Acht.

In der dritten Acht weist der Schöffe obgenannten Klosterherren eine freie Mühle 12). Die soll nicht all so frei sein, und soll dem Hofsmann mahlen sechs Sümmer für ein Viertel. Das Viertel mag der Hofsmann auf die sechs Sümmer 13) messen, daß er die sechs Sümmer voll heimkriege. Wenn aber Sache wäre, daß der Hofsmann nicht sechs Sümmer hätte, so soll der Müller eine Schüssel haben, deren sechs auf ein Viertel gehen, und von jedem Sümmer dieselbige Schüssel einmal voll nehmen. Soll auch der Müller dem Hofsmann von jedem Sümmer fünf Viertel Mehls ungedeut heim liefern. Wenn das nicht geschähe, mag der Hofsmann Karre und Pferd antasten, und dem Pferd eine Scharze vorsetzen, so lange bis der Müller das Mehl darstellt 14). So aber ihm, dem Müller, bedeuchte, daß das Korn nicht so gut wäre, daß er soviel davon geben könnte, soll er zum Hofsmann sprechen, daß er mit in die Mühle gehe und selbst seines Korns acht nehme; auch wann dem Hofsmann deuchte, daß sein Korn besser wäre, mag er dergleichen tun. Und so der Hofsmann das Korn nicht auf seinem Söller hätte, ist der Müller schuldig, dasselbe eine Bannmeile 15) Wegs zu holen und um denselben Multer zu mahlen. So auch Sache wäre, daß ein Fremder auf der Mühle hätte, und ein Hofsmann mahlen wollt, und des wäre mehr denn ein Sümmer, soll man das abschöpfen und dem Hofsmann aufschöpfen, imfall der Müller und Fremder solches nicht vom Hofsmann erhalten und erbitten könnten, daß ihm der Vorgang vergönnt würde. Und wenn der Hofsmann auch Kornes Not hätte, so soll der Müller Seheten und Wann 16) darstellen und was sich dazu gehört, und der Hofsmann soll davon zwei Seheten kaufen und der Müller ein haben. Auch soll der Müller auf dem Hofsgeding erscheinen mit seinen Viertelen und Schüsseln und dieselben besichtigen lassen, ob sie recht sind. Sind sie recht, soll man sie recht lassen, ist das aber nicht, so soll man sie recht machen, damit dem Hofsmann sein Recht geschehe. Auch weist der Schöffe den Herren vom Kapitel einen freien Deich von dem Rad an bis in die alte Bach, soll sein Roden 17) weit, half naß, halb trocken. Und wann der Deich Fegens not hätte, soll der Müller den Unrat (Kommer) auf die halbe Rute werfen. Imfall daß der Deich oder Wehr abging 18), sollen die genannten Herren denselben auf ihre Kosten und Güter gewinnen.

Weiters bittet der Scheffen, ob etwas vergessen wäre, soll er am nächsten einbringen. – Den Scheffen aber gebührt von jedem Geding, so es gehalten wird, ein Viertel Weins 19).

Weistum von Unbezahlung des Pachts.

Zu wissen, wann die Herren oder ihre Kellner zur Zeit nicht bezahlt werden von ihrem Pacht, Weizen oder Hafer, so sollen genannte Herren oder ihre Kellner für den Weizen oder Hafer pfänden, an Gerätschaften (ahm gereidsten) auf ihren Gütern was sie finden. Wofern aber auf den Gütern soviel nicht erfunden würd, sollen die Güter beschlagnahmt (in ein verbodt oder kommer gelacht) werden, nämlich sechs Wochen und drei Tage, und so der Hofsmann binnen benannter Zeit nicht käme, sollen die Klosterherren die Güter nach sich nehmen ohne Widerspruch. Folgends so der Hofsmann binnen Jahr und Tag käme und brächte den Restant der Pacht samt Kosten und Schaden, alsdann sollen die Herren denselben wieder in sein Gut stehen lassen. Gleichfalls soll die Pacht auf Montag nach Dreizehntag 20) endlich geliefert werden. lmfall das nicht geschehe, spricht der Schöffe es wäre Unrecht 21).

Von Vertätigung der Kurmut- oder Lehengütern.

Wann der Hofsmann mit Tod abgeht, soll man auf den (Kapitels-) Hof bringen, was inwendig Jahr und Tag auf den Gütern Berg und Tal gewonnen 22) hat oder die Nachtrast auf den Gütern gehabt und vor Schultheiß und Schöffen die Tiere (Quicken!) auftreiben. Ferner wann der Scheffen bei seinem getanen Eide gemahnt wird, soll er den (Kloster-) Herren das beste Quick daraus zuerkennen und weisen und dasselbe, alles bei einem Eid, auf den Wert schätzen 23); davon soll der Schöffe haben ein Viertel Wein. Es wäre denn Sache, daß der Hofsmann sein Land um Lohn hätte winnen lassen, dann soll er einen silbernen Pflug zu geben schuldig sein ad funf Mark, alles auf Gnade der Herren 24). Und soll der Erbe den Klosterherren wieder in empfängliche Hand darstellen.

Die Hofesgüter des vielgemelten Hofes sind diese. Zum ersten was dem Pastor Zehnten gilt ist Hofesgut; zum andern alles was Zehntfrei ist, sind auch derselbigen Güter, und was sonst die Herren weiteres in ihrem alten Gebrauch haben 25).

Dieses Weistum haben wir von unsern Vorvätern bis anher also gehalten und gebraucht gesehen. Dessen und der Wahrheit zu Urkundt und damit alle diese Dinge in ihrem Bestand (in esse) und in gutem Behalt bleiben und niemand verkürzt werde, haben wir Schultheiß und Schöffen zur Zeit dieses Weistum mit unserm Schöffenamtssiegel besiegelt und bekräftigt.

Aus dem Protokollbuch des Hofgerichts, angelegt von dem Hofschultheiß Johann Boßhammer 1601 fügen wir noch an:

Behegung des Gerichts 26)

So behege ich das Gericht im Namen und von wegen meiner ehrwürdigen Herren, des Kapitels zu Münster-Eyffel, und gebiete hiermit Bann und Frieden, Zucht und Ehre und verbiete Unzucht und weiter was ich von wegen meiner ehrwürdigen Herren zu gebieten und zu verbieten hab.

Eid der Lehnsleute.

Ich N. gelobe und schwöre zu Gott, meinem Lehenherren, einem ehrwürdigen Dechanten und Kapitel zu Münster-Eiffel treu und hold zu sein, ihr Bestes zu werben und ihr Aergst zu verhüten und nach meinem Vermögen zu wenden, daß ich auch und meine Erben so oft das Not gebührt das Hofsgericht gehalten wird, vorgehen, und vorstehen 27) und sonst tun und lassen (werde), was getreue Lehnleute ihrem Lehnherrn schuldig sind zu tun. Und was ich jetzunder allhie gelobe, soll ich fest und steht und unverbrüchlich halten, wie es einem frommen Lehnmann von Ehren gebuert, als mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium.

Eid der Schöffen.

Ich N. gelobe und schwöre zu Gott, daß ich meinen Lehnherrn. als einen ehrwürdigen Dechant und Kapitel zu Münster-Eyffel, allhie in ihren Hofesgerechtigkeiten will treu und hold sein, ihr Hofesgericht, so oft es not ist auf Erfordern helfen besetzen, ein ehrwürdig Dechant und Kapitel bei ihrer Lehngerechtigkeit vermöge des Weistums wie auch die Lehnsträger soviel mir möglich helfen handhaben 28), die verfallenen Quicker meinem Vermögen nach helfen schätzen, alle gebührliche Gefolgnis einem Schultheißen und Boten leisten, weiter das tun und lassen, was ein geheuer Schöffe und Geschworener seinem Lehnherrn zu tun schuldig ist, so wahr als mir Gott hilft und sein heilig Wort.





  1. Ob dieses Hofstätten (mansus) zu 30 oder 60 Morgen anzusetzen sind, ist fraglich; vgl. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftslehen im Mittelalter, I, S. 346. Aus Angaben im Statutenbuche des Stiftes möchte ich ersteres annehmen, wenngleich der Kapitelshof selber, vielleicht die zwei Mansen des Huothilar im Prümer Urbar, an 60 Morgen hatte.

  2. Aubin, Landeshoheit. S. 120, aus dem Hofesrecht des Mariengradenstiftes in Vettweiß.

  3. Gemäß einem Lehnzettel des Hofes von 1564 sollten die Anpächter denselben ,Halffens Weise' sechs Jahre nacheinander inne haben, d. h. dieselben sollten sich mit dem Besitzer in den Gewinn und die Ausgaben zur Hälfte teilen. Es wird jedoch besonders vereinbart, daß dieselben an Pacht jährlich zehn Malter Roggen, zwölf Malter Spelz, sechszehn Malter Hafer an harter, guter, schöner, marktfähiger Frucht liefern sollen, ,davon die Halfleute nichts entheben soll denn her (Krieg), haill (Hagel), brant (Feuersbrunst), und das nicht länger dann bis St. Remeistag (Remigius, 1. Oktober)'. Auch sollen sie alle Feldzäune des Hofes machen und andere Zäune in gutem Bau halten. Dazu am Haus, Ställen, Scheunen unter dem untersten Reyholz (Füllhölzer im Fachwerk) mit Klenen (Lehm) und anderem alles baulich halten, gleichfalls die Dächer ... sollen die Halfensleute in sonderlich gutem Bau halten, und wo durch ihre Säumnis derhalben einiger Schaden geschähe, sollen sie auf ihre Kosten aufrichten und bessern. Wenn aber einige grundneue Baue wären zu machen, sollen wir dazu allen Stoff bestellen, die Werkleute lohnen und die Pächter sollen die Beifuhr tun und den Werkleuten, so lang der Bau dauert, die Kost geben. – Außerdem sollen die Halfensleute jährlich die Pacht zu Euskirchen und weiter die Bach hinunter mit dem Stiftskellner aufheben und nach Münster führen, sowie ein Fuder Wein von Ahrweiler holen und auf ihre Kosten nach Münster bringen. Den Bau oder Mist des Hofes sollen sie nirgend anders führen als auf Hofesland.

  4. Die öffentlichen Gerichtstagungen, wozu nicht jeder einzelne durch den Boten bestellt wurde. Private Gerichtsverhandlungen fanden nach dem Protokollbuch das Jahr hindurch nach Bedarf statt.

  5. Schöffen werden 1637 neben dem Schultheiß Peter Breuer noch sechs gezählt, darunter auch auswärts wohnhafte wie der Schultheiß von Kommern, Balthasar Heimbach, und Johann Axer, der wohl ebendaher stammt. In älterer Zeit scheinen die Schöffen gleichzeitig auch das Amtsgericht bekleidet zu haben. So werden in einer Urkunde von 1482 – St.-A. Düsseldorf, Stift Münstereifel Nr. 101 – Schultheiß und Schöffen genannt ,alsamen Schöffen des Gerichts zu Kirspenich und Weingarten'; ähnlich 1531 – Urkunde des Gerichts Arloff, ebenda Nr. 122 –, jedoch sind hier die Schultheißen des Amtsgerichtes und des Hofgerichtes verschieden. Aus besondern Anlässen nahmen auch Kellner und Kapitulare des Stifts an den Gerichtshandlungen teil.

  6. Achtenhalb = 7 ½ Schilling; die hohe Buße von 60 Schilling für den Amtmann zur Hardt wohl um ein Eingreifen desselben zu bewirken.

  7. Nur in dem Falle der Verletzung der Lehnspflichten konnte jemand sein Lehnsgut wieder verlieren.

  8. Die Kirche zu Weingarten war von dem Klosterhof als selbstverständliches Zubehör in unmittelbarer Nähe erbaut worden. Zur Erhaltung derselben, für den Gottesdienst und zum Unterhalt des Geistlichen entrichtete in den Zeiten der Naturalwirtschaft die Gemeinde den zehnten Teil der Erzeugnisse je nachdem aus Feld-, Garten- und Viehwirtschaft. Hier teilten sich ihren Verpflichtungen entsprechend der vom Stift bestimmte Pastor und dieses selber in den Zehnten. Der Pastor gibt seinen Anteil mit zehn Malter Korn, zehn Malter Spelz, vierzehn Malter Hafer, ½ Malter Erbsen und zwei Karren Heu an. Daß die Gemeinde selber den Turm in Bau und Dach erhalten mußte, erklärt sich aus der Benutzung der Glocken für Kriegs- und Gerichtsfolge; außerdem diente derselbe in unruhigen Zeiten oft genug als Zufluchtsstätte, daher der massive Wehrbau, mit dem festen eingebauten Gewölbe und den schmalen Lichtspalten. Auch kann man noch erkennen, wie er mehrfach im Laufe der Jahrhunderte beschädigt und wieder aufgebaut worden ist.

  9. Einen steuer- und abgabenfreien Busch. Pfaffenhart genannt zum Unterschied von der kurfürstlichen Hardt. Außerdem gab es noch den Gichten (d. h. den Hauseigentümern gehörenden) Busch, auch Nachbarbusch genannt, am Burgberge.

  10. Bei Buschfrevel hatten also die Hofesschöffen noch Strafgewalt.

  11. Für einen notwendigen Neubau erhielt jeder Hofeshörige das nötige Bauholz; so war bei den damaligen Fachwerkbauten mit den Strohdächern der Wohnungsnot leicht abgeholfen.

  12. In ältester Zeit bediente man sich zum Mahlen des Getreides einer Handmühle, welche zu dem notwendigsten Hausgeräte zählten. So hat man Reibesteine aus Basaltlava auf dem Kaiserstein und noch ältere am Ringwall gefunden. Als man dann zur Einrichtung von Gemeinschaftsmühlen unter Benutzung des Wasserganges fortschritt, wurden dieselben ebenfalls Herrschaftsrecht, und mußten die Untertanen die Herrschaftsmühle benutzen (Bannmühlen). Ein solcher Mahlzwang ist auch für die Kapitelsmühle in Weingarten bezeugt in einem Pachtbrief von 1689 für Lehnart Müller von Glehn und Maria Schwartz: ,dieselben sollen unsere Hofs- und Lehnleute, so auf unsere Mühle zu mahlen gezwungen, sonst auch andere Auswendige über Maß und Gebühr nicht beschweren, sondern sich dem Hofweistum und altem Gebrauch in allein bequemen'. – Pachtbriefe liegen noch vor von 1482 für Johann Wael von Kirspenich auf 20 Jahre für 5 Malter Roggen, von 1596 für Marsilius von Paland, Herrn zu Wachendorf, auf 24 Jahre für 4 Malter Korn, 8 Malter Spelz, 8 Malter Hafer, welche Pacht als niedrig bezeichnet wird, wohl deshalb, weil in ihr auch die zugehörigen Ländereien von 26 ½ Morgen einbegriffen waren. – Diese tausendjährige, bereits 893 erwähnte Mühle lag an der Stelle des Wolfgarten'schen Anwesens.

  13. Ueber das Münstereifeler Fruchtmaß siehe Weistum Kuchenheim, Anm. 13. Für die Zeit um 1450 notiere aus dem Statutenbuch des Stiftes folgende abweichenden Angaben: ,5 Pinten machen einen Sester (sextarius) und 3 Sester einen Sümmer', S. 15. – 5 Sümmer werden S. 33 gleich ein Malter errechnet. S. 23b heißt es: ,7 kleine Malter – modia sive maldra) machen 6 Malter und anderthalb Sümmer großen Maßes'. Die früher übliche Berechnung der Frucht nach Hohlmaßen war natürlich nicht so exakt – vgl. ,ungedeut!' – wie die heutige nach Gewicht. Daher denn der üble Leumund, in der das Müllergewerbe früher stand. So auch im Weidesheimer Weistum bei Aubin I, 2. S. 77: ,Wäre Sache, daß sich der Müller verginge und weiter in den Sack taste, denn ihm der Geschworene zuweist, wo man dann das Pferd oder Karre kriegen kann auf der Straße, soll man das Pferd an einen Stecken oder Atze (Stütze an alten Häusern) binden und einen Schauf oder Schanze vorsetzen – siehe folgende Anmerkung –: kommt dann der Müller, daß er es losbind sonder Erlaubnis des Herrn, so soll man ihm sagen, was er verbrochen hat'.

  14. Sinn: er braucht das gepfändete Pferd des Müllers nicht zu füttern, um so eher zu seinem Rechte zu kommen.

  15. Wohl zu verstehen ,innerhalb des Mühlenbannes'. Ueber den Lieferzwang des Müllers heißt es im Weidesheimer Mühlenrecht: Der Nachbar soll des Müllers gesinnen und seiner warten von einer Sonne zur andern... wenn der Müller nicht käme und der Nachbar selber in die Mühle führen müßte, so soll er das Best in den Benden gegen dem Rad kehren und lassen weiden, solang das Gemahl läuft; darneben soll es der Müller auch um den halben Molter mahlen'.

  16. Ein Schöpfgerät und Getreideschwinge zum Reinigen der Frucht von der Spreu (Kaaf).

  17. Eine (alte) Rute, das gewöhnliche Landmaß à 16 Fuß = etwa 4 ½ m.

  18. Der Mühlenbetrieb einginge.

  19. Aber nicht etwa an einen Viertel Liter denken! Das wohl in Münstereifel geltende Bonner und Ahrweiler Weinmaß war 1 Ohm (141 Liter) = 20 Viertel; also 1 Viertel = ca. 7 Liter Wein. S. Lamprecht, a. a. O. II. s. 500 f.

  20. Der Montag nach Dreikönigstag, dem dreizehnten Tag nach Weihnachten, war der endgültige Zahltermin.

  21. Niemand wird das Humane dieser Bestimmungen verkennen. Bezüglich der Fristen ist zu bemerken, da ,binnen Jahr und Tag ' insgemein galt für: in einem Jahre + sechs Wochen und drei Tage. Diese auch Königsfrist genannte Zugabe ist zu erklären als dreimal vierzehn + ein Tag und schreibt sich her aus dem Uebergang von der Zeitbestimmung nach Nächten zu der nach Tagen, vgl. das noch heute gebräuchliche ,nach acht Tagen = nach einer Woche' oder französisch ,quinze jours = vierzehn Tage'.

  22. Urbar oder nutzbar gemacht: alter Ausdruck aus der Rodung hergenommen.

  23. Einige Beispiele aus dem Protokollbuch des Hofgerichts: Auf Absterben Margareten Munsters selig, wegen des Scheffereien Hofes zu Rieder in Hand eines ehrwürdigen Dechant und Kapitels in Münstereifel gewesene, empfangende Hand oder Lehensträgerin, ist des Herrn Doctoris Antoni Munster Halfmanns Pferd aufgetrieben und gerichtlich 55 Daler kölsch geschätzt und mit dem Herrn zu – Angabe fehlt – betätigt worden; demgemäß des Herrn Munsters Söhngen belehnt worden. (1637, 27. November.) – Nach Absterben H. Caroli Feinhartz selig, gewesener Kurfürstl. Köln. Hofkammerrats und Statthalter dieses Amts Hardt, ist heute die Kurmut wegen in Weingarten und in dieser Hoheit an den Poelen gelegenen kurpflichtigen Güter betätigt, und des Halfmanns Neis Schorn bestes Pferd aufgetrieben, zu 59 Daler gerichtlich geschätzt und durch die Herren vom Kapitel zu 50 Daler gelindert; also (da auch diese Taxe nicht akzeptiert wurde) denselben in der Folge das Pferd überschickt worden. Also hat die Witwe Maria Munsters das Lehen empfangen. (1637, 27. Februar.) – Nach Absterben des wohledlen Wilhelm Blankartz zu Lanterscheid zu (= nach) öfterm Vorbescheiden und Arrestnahme des Halfmanns zu Stotzheim besten sandgrauen Pferds ist heute namens der Witwe Blankartz erschienen der ehrenveste Wilhelm Bocholtz und hat zur Lösung des Pferdes beiseins des H. Dechanten die Kurmut wegen aller in Wingarden Hoheit gelegenen Güter gerichtlich zu 80 Daler kölnisch betätigt. (1637 17. Juni.)

  24. Wenn der Lehensmann kein eigenes Gespann hatte, war die Erbsteuer geringer. ,Silberner Pflug' – es kommt auch S. 31 vor ,silberne Sense'. welche mit zehn Mark bezahlt wurde – ist symbolisch zu verstehen. Minderbemittelte werden der Gnade des Herrn empfohlen, und wird ihnen wiederholt Nachlaß gewährt. ,Weil Mergen, Johan Schleidgen hinterlassene Witwe arm und mit viel Kindern versehen, haben die Herrn die Kurmudt mit 15 albus sich lassen bezahlen, und Schultes und Scheffen für ihre alle Gerechtigkeit 17 albus (6 Albus = 1 Mark, 12 Albus = 1 Taler kölnisch) empfangen, und hat die Witwe denselben Benden zur Stunde wieder empfangen.

  25. Herrschaftsland galt stets zehntfrei; somit ist verständlich, daß das zehntfreie Land als Hofesland bezeichnet wird; wenn Hofesland dem Pastor Zehnten gibt, beruht dieses auf besonderer Abmachung. Dagegen ist das den Klosterherren zehntbare Land als nicht hofhörig, sondern als Gemeindeland anzusehen wie auch der vorhin genannte Gichten- oder Nachbarbusch. Im alten Pastoratsbuch des Pfarrarchivs Kreuz-Weingarten S. 16 wird hierzu noch mitgeteilt: Der Pastor hat den dritten Teil des Zehnten – das beste Land, ,in den beiden Aueln genannt', ist zehntfrei –, darnach haben die Herren Capitulares zu Münstereifel den großen Zehten (von Halmfrüchten); noch folgt ein Zehnten der Freiherrn von Beißel, St. Martini genannt, doch ganz gering! Daraus geht zweifellos hervor, daß die Grundherrschaft von Prüm-Münstereifel sich nicht, wie ich früher – Festschrift S. 4 – annahm, auf die ganze Gemeinde erstreckte, sondern etwa deren Drittel oder Hälfte.

  26. In alter Zeit, wo das Gericht im Freien stattfand, wurde der Gerichtssitz oder die Schöffenbank mit Schranken oder Seilspannung umhegt und abgetrennt. Keiner durfte in den Ring treten oder das Wort nehmen ohne Erlaubnis. Später begnügte man sich mit der feierlichen Formel zur Eröffnung des Gerichtes.

  27. Amt des Geschworenen bekleiden.

  28. Erhalten = lateinisch manutenere.





Weiter zu: „Herrlichkeit Zievel“ (mit Lessenich, Rißdorf, Röttgerhof)
Zurück zu: Weistümer unserer Heimat - von Nikola Reinartz, Pfarrer





Sonderheft Volksblatt-Verlag, A. Herbelsheimer & Co., K.G., Euskirchen 1940.





Zu den Reinartz-Leitseiten - Indexseite (Startseite) | Kreuzweingartener Veröffentlichungen | Abtei Steinfeld und die Steinfelder Fenster
Eifeler Heimatforschungen - Artikel über religiöse und weltliche Themen | Biografisches





Ein Projekt von
woenge.de Dorfchronik u. wingarden.de Heimat-forschung Kreuzweingarten

© nikola-reinartz.de
©
nikolaus-reinartz.de
©
Kreisarchiv-Euskirchen
© Sammlung Woenge.de





© Copyright Kreisarchiv Euskirchen - Copyright nikola-reinartz.de - Copyright nikolaus-reinartz.de ©