Leben und Werk von Nikolaus Reinartz, |
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A. Kölnisches Weistum |
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Das kölnische Weistum zu Kuchenheim ist in der ältesten knappen Fassung von 1354 lateinisch abgedruckt bei Lacomblet, Archiv VI, S. 293. In ausführlichem deutschem Wortlaut liegt es vor aus der Zeit nach 1488. Wir geben es wieder nach der Abschrift bei Kindlinger, Bd. 61, S. 21, abgedruckt bei Grimm, II, S. 696, im folgenden = A. Zum Vergleich sind
herangezogen : Die erste Acht 10). Zum ersten soll man der Minnen 11) gesinnen mit einem Scheffen und einem Nachbar. Auch weist man die Ueberdrift, die uns geschieht auf dem Broich von denen von kleinen Bullesheim. Man weist auch, daß der Deich an der Thomburger Mühle rhein (!) 12) gegraben ist, und hält das in der Rüge, bis daß wir Fürsten und Herren oder Amtleute kriegen, die uns das abstellen. Die zweite Acht. Auch weist man Flerzheimer Maß naß und Munster Maß 13) trocken; wer sich Maßen vermißt, der soll die zu vierzehn Tagen vor Gericht bringen und besehen lassen. Sind sie gerecht, so soll man sie gerecht lassen, sind sie aber nicht gerecht, so soll man sie gerecht machen, auf daß jedermann das Seine kriege. Man weist acht freie Schäfereien, was man darauf wintert, mag man sommern; jeder Nachbar mag auch halten fünfzig Schafe und einen Widder, hält man drüber, das soll man abstellen. Wer zu hulden hat, soll hulden und mit in die dritte Acht gehen. Die dritte Acht. Man weist all diejenigen wettig 14), die nicht hier sind, und die so billig hier wären als wir; sie wären denn aus um ihr Not und um ihr Brot und hätten der Glocken nicht gehört, oder hätten Erlaubung vom Schultheißen. Das Wett acht Schilling und das Weistum auf Gnade! Die vierte Acht. Zum vierten soll man Urlaub heischen, daß jedermann herein mag sprechen, daß wir unseren Eid entbinden und unserm gnädigen Herrn seine Hoheit und uns unsere Gerechtigkeit erkennen. So weist man und erkennt heutzutage hierselbst unsern gnädigen Herrn, den Erzbischof zu Collen für einen Grundherrn und gewaltigen Herrn von der Erden biß an den Himmel und von dem Himmel wiederum bis auf die Erde. Man weist fort unserm gnädigen Herrn zu Gebot und Verbot und das zeitlich; unzeitlich weist man nicht für recht 15). Man weist ihrer Gnaden oder ihrer Gnaden Amtleute und Befehlshaber, die das Haus zur Hardt inhaben, weiters zu Glockenschlag und das Gefolgnis der Glocken bis an den breiten Weg; drängen uns einige Herren weiter, wir wollen allzeit sprechen, daß uns Unrecht geschehe 16). Man weist dem hochgemelten unserm gnädigen Herrn oder ihrer Gnaden Amtleuten und Befehlshabern obgenannten Hauses zu zwei Mark rechter Bede, die soll allman geben und gelden, wer binnen Coichenheim gesessen ist, ausgeschieden die freien Güter, darüber weisen wir nicht. Und darum, daß, wir die geben und handreichen sollen, so soll und mag ein jedermann gebrauchen Wasser und Weide, Straßen und Gemeinde, (soll und mag) zapfen, backen, brauen, gelden und verkaufen und sich das allerbest ernähren mit Gott und Ehren, das er kann und mag außer einiger Herrn Gebot 17). Verböten ihm das einige Herren, wir wollen allweg sprechen, daß ihm Unrecht geschehe. Man weist dann weiter, ob sach wäre, daß ein fremder Mann her auf diesen Platz 18) käme, der feilen Kauf hätte, der soll ein Reis auf sein Gezeuch 19) stecken, auf das man sehe, daß er feilen Kauf habe. Und alsdann soll er gehen bei den Schultheißen, der da sitzt von wegen unseres gnädigen Herrn von Cöln oder seiner Churfürstliche Gnaden Amptleuten, die das Haus zur Hart inhaben und gesinnen der Maßen; giebt er die ihm, wohl gut, giebt er die ihm nicht, so mag er eine gelden, lehnen, mieten (meheden), wie er die am besten überkommen kann, die gerecht ist, und veräußern (eußeren) seinen feilen Kauf damitten am allerbesten, das er kann, außer einiger Herren Gebot. Verböte ihm das einiger Herr, wir wollen allweg sprechen, daß ihm Unrecht geschehe. Man weist dann fort, ob der fremde Mann seinen feilen Kauf in einem Tag nicht veräußern kann, alsdann so mag er ein Haus gelden, lehnen oder mieten, und rücken seinen feilen Kauf darein und äußern denselben am allerbesten, das er kann. Wann er dann seinen feilen Kauf veräußert hat, so mag er hinziehen, da er herkommen ist, daß ihn Gott geleite! außer einiger Herren Gebot. Verböten ihm das einige Herren, wir wollen allzeit sprechen, das ihm Unrecht geschähe. Man weist dann weiter zu unserm gnädigen Herrn von Jülich dreizehn eigene Hofstätten (hostart), und alles was darnieder, gerechtich 20) ist, es würde denn mit einigen Rechten gebrochen, was wir nie gesehen noch gehört haben. Man weist dann fort, wann die Jülischen einige missetätige Leute auf ihren Gütern kriegen, die wären Mann oder Frauen, die mögen sie angreifen: wann sie die in ihren Händen und Banden haben und ihrer wohl sicher sind, alsdann so sollen sie gehen bei den Schultheißen, der da sitzt von wegen unseres gnädigen Herrn von Collen und heischen Urlaub, daß sie den missetätigen Menschen über die kölnische Erde in ihren Behalt 21) führen mögen. Giebt er ihnen dann Urlaub wohl gut; giebt er ihnen nicht Urlaub, so mögen sie sechs Pfennige auf die Straße legen und führen den missetätigen Menschen über die kölnische Straß in ihren Verhalt und richten ihn nach seiner Missetat, wie er die begangen hat. Man weist dann fort, wann die Jülichschen mit dem Missetäter auf die Straße kommen und der Missetäter entbräche, entginge oder entrennte ihnen wie denn alle Gefangenen gerne los wären , so mannig Mensch als ihm dann nachlief, von wegen unseres gnädigen Herrn von Jülich, um so mannig fünf Mark wären sie erfallen unserm gnädigen Herrn von Cöln. Noch sollen der kölnische Schultheiß und Bote den Missetäter nicht laufen lassen, sondern angreifen und richten lassen nach seiner Missetat, wie er die begangen hat. Die fünfte Acht. Auch weist man, das allergleichest das man erkennen kann 22) auf diesseits des Turms zur Hardt und dem Pütz zu Rheder an Schapeels Hof 23), Schapeels Pütz genannt, was man drinentzwischen missetätiger Leut befreien würde, die wären Mann oder Frauen, die soll oder mag man angreifen und bringen sie her auf diesen Platz. Wann sie dann hier sind, so soll man gehen bei den Schultheißen, der da sitzt von wegen der Herrn von Kerpen 24) und besehen ob der Stock 25) schlüssig sei. Ist er schlüssig wohl gut, ist er nicht schlüssig, soll man ihn schlüssig lassen machen, darein soll man den Missetäter schließen, darin soll er sitzen bis auf den dritten Tag. Dieweil sollen sich die Herren von Kerpen erfahren um Axt, Galgen, Rad, Kessel 26), Scharfrichter und alles, was zu missetatigen Menschen nötig ist. Wannie dann der dritte Tag um ist, alsdann so mag kommen der Amtmann und Gerichts gesinnen. Ist das Gericht da, wohl gut, ist aber das Gericht nicht da, so oft und manigmal der Amtmann den Missetäter aus läßt schließen und wieder ein läßt schließen und Urkund der Scheffen Gericht gesinnt und das nicht da ist, so oftmal sind die Herren von Kerpen unserm gnadigen Herrn von Colln oder ihren Gnaden Amtleuten erfallen um fünf Mark. Ist aber Gericht da, so soll und mag der Amtmann die Glock lassen anschlagen; der soll allman folgen, der binnen Koichenheim gesessen ist 27), bis nach Roxheim auf die Heide 28). Wan man da zu Rutzheim kommt, ist Rutzheim geschlossen, so soll man gütlich gesinnen, daß sie es auftun 29). Tun sie es auf, wohl gut, tun sie es nicht auf, so soll man Sankt Peters Schlüssel nehmen und schließen es auf und führen den Missetäter durch Roexheim auf die Heide und richten ihn nach seiner Missetat, wie er die begangen hat; und wer der Glocken gefolgt, den soll der Amtmann verantworten, er hätte denn außer Wegs gegangen 30). Wannie dann der Missetäter gerechtfertigt ist, was dann Kosten und Schaden darauf ergangen, die sollen die Herren von Kerpen bezahlen 31). Die sechste Acht 32). Zum sechsten wird der Schöffe um Gewaltsachen gefragt, die dem Schöffen stehen zu rügen und dem Herrn zu strafen. Darauf spricht der Schöffe und die ganze Gemeinde, sie wüßten zum sechsten nicht mehr, denn: alles (sei) gut", wisse der Schultheiß oder Bote etwas, das sie an den Schöffen bringen, der Schöffe bringe es fort wie recht. Spricht ferner (der Schöffe) da Gewaltsachen geschehen als von Ueberackern (Ueberehren), Ueberbauen, Ueberzäunen, das gerichtlich gerügt wird, soll man binnen vierzehn Tagen abstellen, geschieht das aber nicht, so soll man erkennen; was derselbe Mann verbrochen (gebrucht) hat. |
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10) |
Achtung erste
Schöffenweisung. |
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14) |
Wett, wettig = Buße, bußfällig. Zur Geldwertung hier und im folgenden: 1 Mark = 12 Schilling; 1 Schilling = 12 Pfennige. Kaufkraft etwa ein Huhn für 2 Schilling, ein Malter Weizen für 4 Mark. |
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15) |
Nur zeitlich begrenzte Dienste
bestanden zu Recht, keine uneingeschränkte
Dienstbarkeit. |
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17) |
Also völlige
Gewerbefreiheitl |
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21) |
Das alte Dinghaus mit dem
jülischen Wappen auf dem Platz in Kuchenheim. |
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24) |
Die Pfarrkirche St. Nikolaus in Kuchenheim war 1488 durch Papst Innozenz VIII. dem Reichsstift St. Martin in Kerpen, Kreis Bergheim, einverleibt worden. Demzufolge bestellte der Stiftspropst 1555 den Gerard von Linn zum Pfarrer daselbst und räumte ihm den Pfarrhof mit allen Ländereien, Renten und Zehnten der Kirche gegen eine jährliche Abgabe von 31 Goldgulden ein. Hierfür sollte derselbe, wie von alters gewöhnlich sei, Stieren und Bieren, das Zuchtvieh für die Gemeinde, auf seine Kosten halten, auch für die Officiation die im Weistum genannten gerichtlichen Verpflichtungen des Stifts aufkommen, falls dasselbe diese nicht abgelten können, wie es hoffe sie abgegolten zu haben. Akten des Pfarrarchivs. In früheren Zeiten ist wohl das Stift St. Kunibert in Köln im Besitz des Patronates der Kirche gewesen. Zwar geht dies nicht deutlich aus der Inkorporationsurkunde von 1488 hervor, immerhin ist beachtenswert. daß der Verzicht des früheren Pfarrers, Johann von Neukirch, auf die Pfarre K. in genanntem Jahre durch einen Kanonikus von St. Kunibert als dessen Prokurator geschieht. Sodann hat aber das Kunibertsstift noch bis zur französischen Revolution die Belehnung mit der Kirchenvogtei ausgeübt und in Kuchenheim ein Hofgericht besessen. Diese Erbvogtei, welche 1461 Johann v. Kinzweiler erwarb, ist bei den Inhabern der obern Burg verblieben, welche regelmäßig die Belehnung von dem Stifte gegen ein Stück Gold und einen silbernen Pfennig, nicht von den mindesten und nicht von den meisten empfingen. Der Vogt bezog die sämtlichen Pächte und Zinsen der Hofländereien mit Ausnahme der Kurmuten, welche er mit dem Stifte teilte, mußte allerdings die Kosten des Hofessens, welches alljährlich am Sonntag nach Dreikönigen stattfand, bestreiten. Archiv v. Harff, Urkunden Nr. 147 und 407. Akten LXI A 3. Die hohe Gerichtsbarkeit lag zur Zeit unseres Weistums bereits ganz in der Gewalt des Amtmanns zur Hardt als des Vertreters des Landesherrn, während vorher der Vogt sie im Namen des Stifts ausgeübt haben dürfte; daran erinnert noch deutlich die materielle Beihilfe, die das Stift zu leisten hatte, aber auch gerne abgewälzt hätte, wie aus der obigen Bemerkung über die Offiziation hervorgeht. |
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25) |
,Stock', das kurkölnische
Gefängnis, Gegenstück zu dem Jülichschen
,Behalt'. |
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29) |
Die Einzäunung der Dorfflur konnte durch ein Falltor geöffnet werden. Der valtstock nicht fangstock, wie Aubin, Landeshoheit S. 22 meint bei Ruecksheim begrenzt auch die Zülpicher Bannmeile; Grimm. Weistümer II, S. 709. St. Peters Schlüssel wohl symbolisch zu verstehen: kann alles lösen ohne Entgelt. |
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30) |
Die Gefolgpflicht bei der Hinrichtung der Verbrecher hatte nicht nur den Zweck ein abschreckendes Exempel zu statuieren, sondern auch ein Entweichen zu verhindern. Vergleiche D: ,wer das nit thut, den mag unser Gnädiger Herr darumb strafen'. Andererseits mußte der Amtmann die Gefolgsleute schadlos halten; nur wer außer Wegs ging, ,der sall up sein eigen vaer ghaen'. |
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31) |
Nach D mußten die Herrn von Kerpen wegs auch einen Boten Polizeidiener unterhalten und ihm zum Lohne sechs Malter Weizen jährlich geben, auch den ,Diebfänger' lohnen, so oft das nötig sei. |
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32) |
Die sechste Acht fehlt bei C und D; bei B lautet der Schluß: ,Gewaltsachen ... rügen wir, soll unserm Gn. H. zu richten stehen'. |
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Weiter zu: Jülich'sches
Weistum |
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Sonderheft Volksblatt-Verlag, A. Herbelsheimer & Co., K.G., Euskirchen 1940. |
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